Manche Tourneen stehen unter keinem guten Stern. „This Is The Greatest Show“ sollte das neue Konzept der alljährlichen „Die größten Musical-Hits aller Zeiten“-Tour werden, der Vorverkauf lief fleißig und Mitte März 2020 war der Startschuss angesetzt. Zwei Konzerte kam die Tour voran, dann: Lockdown, Verschiebung – nicht nur einmal. Als es im April 2022 dann mit zwei Jahren Verspätung wieder weiterging, hatte auch das schnell wieder ein Ende, es gab Corona-Fälle im Ensemble. Nun, als die Produktion zwei Tage im Deutschen Theater hält, sind alle wohlauf und die Konzerte am 2./3. Mai 2022 können komplikationslos stattfinden. Wir haben den zweiten Termin besucht.
Den Vorschusslorbeeren, die sich der Titel des Konzerts verleiht, muss die Produktion natürlich erst einmal gerecht werden. Schon vor Beginn gibt es da aber erst einmal einen ordentlichen Rückschlag: zwei der vier großen Namen, Mark Seibert und Roberta Valentini, mit denen auch groß beim Kartenkauf geworben wurde, spielen am heutigen Abend nicht, stattdessen ersetzen sie deutlich unbekanntere Namen. Das mag gesanglich erst einmal kein Einbruch darstellen, dennoch ist es mit einer äußerst unglücklichen Informationspolitik des Tourveranstalters verbunden – sicherlich sitzen im Publikum nicht wenige Seibert-Fans, der bekanntlich deutschlandweit nennenswerte Mengen auch zu Solo-Konzerten bewegt. Der Stern hängt so also weiter schief, schon vor dem ersten Ton.
Doch, und das ist dann das erfreuliche, wird dieser Stern im Laufe des Abends wieder geradegerückt und fängt auch deutlich an zu strahlen. Das Bühnendesign als auch die Live-Band liefern bereits ein schönes Bild, dazu kommt ein 11-köpfiges Solist*innenensemble, dazu noch einmal das beworbene Vierergespann aus Michaela Schober, Jan Amman, Verena Mackenberg (für Valentini) und Friedrich Rau (für Seibert). Spannend dabei: das Ensemble verkommt nicht zur reinen Hintergrundmusik, sondern hat ebenso Solo-Songs, in denen sie glänzen können. Im Fall von Karolin Konert, die mit „I Will Always Love You“ und „Never Enough“ zwar zwei sehr dankbare, aber auch sehr schwierige Soli hat, mündet dies in purer Begeisterung. Ihre Stimmkraft überzeugte München bereits während der „Tanz der Vampire“-Spielzeit in ihrer Rolle als Magda, nun erntet sie mit ihrer abermals gereiften Vokalkraft den euphorischsten Applaus des Abends – zurecht, denn das war beeindruckend.
In absolut nichts nach stehen ihr Michaela Schober und Verena Mackenberg, die mit glasklaren Tönen und fantastischen Stimmfarben das Publikum völlig von den Stühlen reißen. Leider kann Schober erst in der zweiten Hälfte so richtig zeigen, was sie gesanglich kann – da aber in u.a. „This Is Me“ ganz besonders, ihre Interpretation des Songs ist beachtlich. Mackenberg hat die schwierige Aufgabe, Valentinis Soli zu übernehmen – und Valentini ist bekannt für eine der besten Stimmen im deutschsprachigen Musicalraum. Ihr gelingt es aber schier problemlos, selbst die schwierigsten Lieder wie „Let It Go“ grandios zu meistern. Der Konzertabend, so kristallisiert sich heraus, ist einer der weiblichen Stimmen. Das ummantelt auch das abwechslungsreiche Programm von Flashdance zu Moulin Rouge bis zu A Star Is Born und sogar Ku’damm 56.
Natürlich weiß auch Jan Ammann wie immer stimmlich zu überzeugen, auch seine Wandlungsfähigkeit als Frank’n’Furter im „Rocky Horror Show“-Block sorgt sicherlich für kurzzeitige Schnappatmungen im Publikum. Einzig Friedrich Rau bleibt hinter seinen Kolleg*innen zurück und kann nicht wirklich an die Stärke einer Stimme von Mark Seibert anknüpfen – das ist schade, aber aufgrund des restlichen Niveaus auch verkraftbar; zudem Rau als sympathisch-humorvoller Moderator des Abends in dieser Position sowieso die Herzen der Zuschauer*innen gewinnt. Am Ende bleibt, einschließlich der Pause, ein rund dreistündiges Riesen-Musical-Konzertevent – aufwendig, eindrucksvoll, mitreißend und im Finale mit einem halben „The Greatest Showman“-Musical inklusive Kostümierung schwer beeindruckend. Grandios!
„This Is The Greatest Show“ geht auch 2023 wieder auf Tour und macht im Deutschen Theater Halt. Weitere Infos gibt es ab 20. Mai!
Kritik: Ludwig Stadler