Keine Angst, denn alles was mal war, ist zumindest an diesem 5. Mai 2022 im Backstage Werk reichlich egal. Casper, seines Zeichens einer der größten Rapper des Landes und sowieso musikalisch als auch textlich in vielen anderen Stilrichtungen angesiedelt, begibt sich erstmals wieder auf Tour. Sein neues Album „Alles war schön und nichts tat weh“ kam bereits früher dieses Jahr heraus, die Club-Tour dazu musste zwei Monate geschoben werden, Anfang März war doch noch zu optimistisch. Nun stehen die Zeichen aber bestens und dem Tourstart – und damit Caspers erstem Live-Konzert vor Publikum seit 2,5 Jahren – steht nichts im Wege.
Das Werk, wie sollte es anders sein: ausverkauft. Die Club-Tour allgemein war rasend schnell gefüllt, auch die große Hallen-Tour im Herbst darf die ersten Sold-Out-Schilder aufhängen. Das geht natürlich mit etwas Druck für Casper einher, der länger keine Bühnenluft mehr schnuppern konnte, andererseits ist er dann doch bereits lang genug im Geschäft, um schnell wieder in Routinen zu kommen. Den Startschuss macht erst einmal Edwin Rosen, der aufgrund eines Unfalls bei der Anfahrt mit dem Taxi aus der Schweiz nach München fahren musste (keine billige Angelegenheit) und 10 Minuten vor Stagetime am Backstage ankam. Allein dafür verdient er Applaus. Musikalisch folgt ruhiger Indie-Pop, meist melancholisch, textlich simpel, aber eingängig und alles begleitet von E-Bass-Spuren und Rosens schöner Stimme, die wie ein Mix aus den aktuell erfolgreichen Indie-Stimmen von Provinz bis Giant Rooks klingt. Das gefällt dem Publikum, nutzt sich nach 30 Minuten aber auch ab und so ist der Support-Slot genau richtig für ihn.
Um 21 Uhr dann das Erlischen des Saallichts und: Auftritt Casper. Stilecht mit „Alles war schön und nichts tat weh“ beginnt er sein langes und ausführliches Set, das satte 110 Minuten und 24 Lieder lang einen weiten Wurf durch seine Diskografie und schwerpunktmäßig durch sein neues Album zieht. Dabei ist das Publikum von der ersten Minute an lautstark dabei und singt die Texte einfach eigenständig lauter als es aus den Boxen schallt. Das potenziert sich just in der zweiten Nummer „Im Ascheregen“, die aus dem Werk einen wahren Hexenkessel macht und bis zum Schluss nicht auskühlen lässt. Moshpit, Chöre, Eskalation – so viel Kraft, Wucht und Ausdauer hat man im Backstage lange nicht mehr erleben dürfen. Eine Freude für das Publikum und sichtlich auch für die Künstler*innen auf der Bühne.
Wieso Caspers gute, aber nicht unbedingt allzu mitreißende Musik auf CD live so gut funktioniert, liegt vor allem an seiner sechsköpfigen Live-Band und den deutlich rockigeren Arrangements seiner Lieder – es knallt und fetzt oft, selbst die ruhigen Lieder münden in einer wahren Soundflut. Songs wie „Sirenen“ und „Adrenalin“, die sogar als Studio-Aufnahmen schon zum Mitspringen animieren, entfalten im Konzert erst das richtige Potenzial. Das ist für langjährige Fans alles sicher nichts neues, für Erstbesucher aber ein äußerst angenehmer Effekt. Wer Casper nicht live gesehen hat, wird die Bedeutung und Größe dieses Rappers nicht vollends verstehen. Mächtige Texte sind das eine – live zu bestehen, vor allem im Rap, das andere.
Casper besteht allerdings bereits seit mehr als 10 Jahren auf den großen Bühnen der Nation mit gleichbleibendem Erfolg. Das beweisen auch die Verkaufszahlen der aktuellen Tour und der abermalige Einstieg auf Platz 1 der Album-Charts. Dass er dabei aber auch ehrlich und authentisch bleibt, beweisen seine intelligenten und oftmals untypischen Texte immer wieder – mittlerweile wird er dafür geschätzt und geliebt, früher war es der absolute Gegenentwurf zum vorherrschenden Trend des Gangsta Rap. Doch während in diesem Genre die Künstler kamen und gingen, bleibt Casper bestehen. Und wird es auch bleiben, besonders nach dieser Wucht von einer Live-Rückkehr auf die Bühne. Chapeau!
Setlist: Alles war schön und nichts tat weh / Im Ascheregen / Auf und davon / Alles endet (aber nicht die Musik) / Mieses Leben/Wolken / BILLI JO / Adrenalin / Sirenen / TNT / Das bisschen Regen / Alles ist erleuchtet / Ganz schön okay / So perfekt / Supernova / Die letzte Ganz der Stadt / Zwiebel & Mett (Die Vergessen Pt.3) / Hinterland / Wo warst du / Keine Angst (mit Edwin Rosen) / Fabian – Zugaben: Lass es Rosen für mich regnen / Gib mir Gefahr / Jambalaya
Am 5. Dezember 2022 kommt Casper ins Zenith. Tickets gibt es HIER!
Bericht: Ludwig Stadler