Eine Kooperation zwischen der Bayerischen Staatsoper, der Schauburg und dem Backstage Kulturzentrum# klingt exotisch – und das ist es auch! Aber ist dieser exotische, andersartige Ansatz nicht genau das, was die Münchner Kulturlandschaft viel häufiger vertragen kann? Drei der größten Kulturinstitutionen der Stadt wagen einen Versuch und stürzen sich ins Ungewisse. Gemeinsam schaffen sie das Werk Get Lost, das am 14. Juni Premiere im Backstage Kulturzentrum feierte.
Vier Sänger:innen der Staatsoper und vier Schauspieler:innen der Schauburg gestalten gemeinsam mit fünf Musiker:innen das unkonventionelle Stück. Die Story kreist um eine Gruppe Jugendlicher, die sich auf den ultimativen Partyabend vorbereiten und dabei alle mit persönlichen Gedanken und Gefühlen kämpfen, die vergangene Partys zu schwierigen Ereignissen haben werden lassen. Ob für alle unsichtbar oder mitten im Drogensumpf – die Bandbreite der eigenen Erfahrungen ist groß und lässt Raum für Identifikation. Und die ist definitiv beabsichtigt: das Stück wählt als Zielgruppe besonders Jugendliche im ähnlichen Alter der Protagonist:innen und wird gerade auch für Schulklassen empfohlen.
Doch wie holt man dieses so schwierig zu beeindruckende Publikum von 15- bis 18-jährigen ab? Die Veranstalter:innen haben sich dafür verschiedene Mittel zur jungen, modernen Gestaltung überlegt, die größtenteils gut aufgehen. Die dreiteilig-aufgebaute Veranstaltung wechselt immer wieder die Räumlichkeiten und sorgt so für Abwechslung und neue Perspektiven. Im Mittelteil kommt außerdem unser aller liebstes technisches Gerät zum Einsatz: das Smartphone. Durch das Scannen von Barcodes können wir den Verlauf des Abends aller vier Protagonist:innen mitverfolgen. Eine super Idee – besonders für junges Publikum. Bei der Umsetzung hapert es allerdings wegen schlechter WLAN-Verbindung, weshalb die Videos teilweise sehr langsam laufen und immer wieder stocken. Am Ende kulminiert das Event dann selbst zu einer Art Club-Besuch. Der mit Disco-Kugeln geschmückte Raum wird zur Tanzfläche, die Darsteller:innen und Sänger:innen mischen sich unter das Publikum und fordern zum Tanzen auf. Eine tolle Art zu zeigen, dass wir alle gleich sind. Ob Staatsopern-Abonnent:in oder Schüler:in der 10. Klasse – warum nicht einfach mal zusammen tanzen, die Unterschiede vergessen und gemeinsam das Leben genießen?
Für leichte Verwirrungen sorgt nur der erste Teil, die Introduktion des Stücks, bei der sowohl die Schauspieler:innen als auch die Sänger:innen eingeführt werden. Während die Schauspieler:innen durch hippe Alltagsklamotten sofort greifbar für die Zuschauenden sind, wurden die Sänger:innen in aufwendige, opulente Ganzkörper-Alienkostüme mitsamt Masken, Perücken, Gummihänden und 50cm-Fingernägeln gesteckt. Diese Kostüme sind wahnsinnig toll und nehmen dem barocken Monteverdi-Sound ein wenig seine Altertümlichkeit und den verstaubten Eindruck, den klassische Opernmusik fast immer auf Jugendliche erweckt. Dennoch unterstützen die Alien-Kostüme das Bild vom Operngesang als etwas Andersartigem, Merkwürdigem und lösen besonders beim umliegenden Schulklassen-Publikum verwirrte Reaktionen und Gelächter aus. Im weiteren Verlauf des Stückes (und vielleicht auch deshalb, weil wir uns an die Oper-singenden Aliens in unserer Mitte gewöhnt haben) fügen sie sich jedoch gemeinsam mit dem ausgefallenen Sound und dem evozierten Bild, in andere Sphären abzutauchen, immer besser in das Event ein.
Und die Musik stellt noch einmal ein gelungenes Beispiel für die Verschmelzung der Welten dar. Enik, der musikalische Leiter des Abends, schafft es die musikalische Bandbreite von Monteverdi zu elektronischer Tanzmusik aufzuspannen, ohne das dies aufgesetzt oder gezwungen wirkt. Die Verbindung von Techno-Beats und Streicher-Klängen im letzten Teil des Abends gelingt ausgezeichnet und bringt diverseste Geschmäcker zusammen. Und das ist es doch, worum es letztlich geht: Menschen unterschiedlichen Alters, ethnischer Herkünfte sowie kultureller und sozialer Hintergründe zusammenzubringen und für fruchtbaren Austausch zu sorgen. Und dies gelingt nicht, wenn immer nur in der gleichen Institution agiert wird, sondern durch interdisziplinäres Arbeiten und Kooperationen verschiedenster Kulturstandorte in München. Mit Get Lost wurde ein großer Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Gerne mehr davon!
Kritik: Rebecca Raitz
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