Wie üblich kollabieren die Touren im Frühjahr und Herbst immer mit viel zu viel spannenden Konzerten, die zeitgleich stattfinden. So auch am 20. Februar 2020, als in München Beartooth mit The Amity Affliction, ein mehr als beachtliches Core-Packet, in der TonHalle ihr Bestes gaben, während Deichkind im Zenith ihre ausgefallene Show darboten, wie wir berichteten. Wie schön, dass wir nun in Berlin am 5. März 2020 im Huxleys Neue Welt noch die Möglichkeit bekommen haben, diese hochkarätig besetzte Metal-Tour mitzunehmen – denn dies ist wahrlich kein Abend, den man verpassen möchte. Ausverkauft, pünktlich zum Einlass um 18 Uhr ein überraschend volles Haus.
Um 19 Uhr dürfen erst einmal Higher Power den Abend einläuten. Zwar haben die Briten durchaus Nummern, die mit Kraft überzeugen können, und auch der Sound kommt ihnen sehr entgegen – dennoch mag der Funke die gesamten 30 Minuten einfach nicht überspringen. Zu unstrukturiert die Ansagen, zu unentschlossen die Musik, zu uncharismatisch die Performance. Vielleicht sollten die Musiker erst zu einer Einheit werden, um einheitlich vollends überzeugen zu können. So bleibt ein solider Einstieg, dem es aber noch an zu vielen Punkten fehlt, darüber hinauszugehen.
Setlist: Shedding Skin / Rewire (101) / Can’t Relate / Passenger / Lost In Static / Low Season / Drag The Line / Seamless
Die folgende Band um 20 Uhr hat da natürlich weniger das Problem: The Amity Affliction. Die Diskussion, ob die australischen Core-Giganten jetzt eigentlich „nur“ Vorband sind oder doch eigentlich viel mehr, beschäftigt das Publikum seit Ankündigung, wird aber bei dem euphorischen Empfang der Berliner Menge schnell deutlich: mehr! Mit „Coffin“ und „All My Friends Are Dead“ entscheidet man sich für einen aggressiven Einstieg aus dem neuesten Album, in das wir HIER reingehört haben – und sie gewinnen dadurch. Kein Wunder auch, dass die Herren nach 17 Jahren Band- und Bühnenerfahrung absolut sicher auf den Brettern stehen. Ihre Performance ist tight, gekonnt und geht einher mit einer absoluten passenden und treibenden Best-Of-Setlist, die von riesigen Moshpits und lauten Gesängen begleitet wird. Einzig ein wenig mehr Motivation könnte seitens der Band kommen, auch wenn es für sie nur eine Promo-Tour und Berlin bereits der vorletzte Halt ist. Dass die Musiker eben doch als Special Guest da sind, wird in der arg kurzen Spielzeit von 40 Minuten klar – obwohl sie solo eine ähnliche Größenordnung bespielen. In jedem Fall: einen stärkeren heimlichen Co-Headliner hätten Beartooth nicht auswählen können – The Amity Affliction haben ihren Stand in der Core-Szene eindrucksvoll verteidigt.
Setlist: Coffin / All My Friends Are Dead / Open Letter / Feels Like I’m Dying / Soak Me In Bleach / Drag The Lake / Ivy (Doomsday) / Don’t Lean On Me / Pittsburgh / Death’s Hand
Da kommt es fast überraschend, dass Beartooth satte 35 Minuten brauchen, bis sie die Bühne um 21:15 Uhr betreten. Dann allerdings lassen sie die kommenden 75 Minuten absolut keine Sekunde (Drum Solo ausgenommen) Zeit, um durchzuschnaufen – ein wilder Core-Ritt jagt den nächsten, die Setlist hat nur Bretter und eine dermaßen große Riff-Wucht zu bieten, dass die Menge im Huxleys so eskaliert, dass das gesamte Publikum rasend schnell nur noch ein Schweißbatzen ist. Die Band wiederum treibt den Hexenkessel nur noch mehr an, Sänger Caleb Shomo bemüht sich erfolgreich um Wall Of Deaths und Circle Pits – untermauert von einer durchdachten und beeindruckenden Lichtshow und einem Sound, der zwar irrsinnig laut, aber glasklar die Musiker in Bestform ablichtet. Als wäre all das nicht genug, schießen gegen Mitte der Setlist die ersten Feuer-Fontänen los und lassen insbesondere die ersten Reihen ordentlich brutzeln, denn der Einsatz ist ab diesem Zeitpunkt exzessiv und kommt an Feuer-Shows von Kollegen wie Heaven Shall Burn problemlos ran.
Irre, wie Shomo sich abschließend angenehm ehrlich bedankt bei seiner Crew, seinen Mitmusikern und seinen Fans. Ebenso irre, wie diese Band gewachsen ist und mittlerweile Locations für teils über 2000 Besucher schnurstracks ausverkauft. Aber ein Besuch bestätigt: mehr als berechtigt. Ein stärkeres Core-Paket wie das von Beartooth und The Amity Affliction wird man 2020 nicht mehr finden. Chapeau!
Setlist: The Lines / Enemy / Hated / Aggressive / Afterall / Bad Listener / I Have A Problem / You Never Know / Manipulation / Fire / Beaten In Lips / Sick Of Me / Body Bag / Disease – Zugabe: In Between
Bericht: Ludwig Stadler