Gibt es einen passenderes Wetter für ein Black Metal-Konzert? Der Wind treibt Regenschlieren und tote Blätter durch die Lichtkegel der Straßenlaternen, eine klamme Feuchtigkeit läutet das Ende der Übergangsjackenzeit ein… Wer will da nicht mit einer Tasse Tee zuhause auf dem Sofa sitzen und Waldgeflüster hören? Doch nein, die Fan-Pflicht ruft. Sie ruft in den Backstage Club, wo heute, am 24. Oktober die deutsche Black Metal-Ausnahmeerscheinung Ultha ihr neues Album „The Inextricable Wandering“ vorstellt.
Ordentlich was los ist auf dem Gelände an der Reitknechtstraße: Im Werk spielt Mac DeMarco, in der Halle The Unguided. Im Club spielt bis acht Uhr Kyuss vom Band, ehe Ulthas Support Carrion Mother sich auf der Bühne breit machen. Zu der Zeit ist der Club locker gefüllt, den Balkon zu öffnen besteht keinerlei Veranlassung. Die Band spielt schweren, gedrosselten, atmosphärisch angehauchten Slugde und hat bisher (vor sechs Jahren) ein Album veröffentlicht. Vom Bandlogo über den Schädel-geschmückten Mikrofonständer bis hin zu den schwarzen Kapuzencapes machen Carrion Mother einen überaus generischen Eindruck. Entgegen der dementsprechenden Erwartung gestaltet sich die gute halbe Stunde ihres Auftritts jedoch sehr genießbar. Das liegt am guten Sound und am sicheren Spiel der Band, aber auch an Sänger Aris Stefanov, der nicht nur eine aufsehenerregende Gesangesleistung abliefert, sondern sich auch als eigenwilliger Frontmann profilieren kann, der in seinem wütend-emphatischen Vortrag den Kapuzenschnickschnack bis auf den nackten Oberkörper dekonstruiert und manchmal gar nicht wohin mit seiner Aggression zu wissen scheint.
Wer Ultha schon einmal gesehen hat – zuletzt hatte man in München dazu auf dem Dark Easter Gelegenheit – weiß: Die Kölner lieben es neblig. So geht auch heute dem Auftritt der Band, die mit ihrem neuen Album beim Genre-Riesen Century Media unterkommen konnte, ausgiebiges Seufzen der Nebelmaschinen voraus. Auch Ultha bzw. ihr Publikum können sich über äußerst druckvollen Sound freuen. Die Band pflegt einen individuellen Stil, der zwar Black Metal im weitesten Sinne ist, aber sowohl bezüglich des musikalischen Ausdrucks als auch der Stimmung wenig mit dem Gros anderer Kombos gemeinsam hat, selbst wenn auch diese mit Post-(Black) Metal, Atmospheric Black Metal etc. assoziiert werden. Markant ist die Vokal-Doppelspitze aus Gitarrist Ralph Schmidt und Bassist Chris, die gemeinsam das Spektrum zwischen tief-aggressiven Schreien und hohem verhallt-verzerrtem Wehklagen abdecken, sowie Andreas Rosczyk am Synthesizer, der das Ganze mit einem Hammondorgel-haften Teppich unterfüttert. Diesen Stil leben Ultha bevorzugt in repetitiven +10-Minuten-Songs aus. Naturgemäß ist es ein eher kleiner Kreis, der sich von diesem schwarz-poetischen Wallen angesprochen fühlt, der bereit ist, sich eine Stunde lang hinzustellen und andächtig zu lauschen, dieser Musik, die, obwohl schnell und rhythmisch, viel mehr Kopf- als Körpermusik ist, dieser Band, die auf jede Show vorsätzlich verzichtet. Dementsprechend ist über den Auftritt als solchen wenig zu berichten: Ultha spielen ihr neues Album, abzüglich der beiden kürzeren, „Non-metal“-Stücke darauf – und sind darum auch nach nicht einmal einer Stunde fertig. Doch in diesem Fall ist das gar nicht so schlimm, können Ultha doch mit der freudig-begrüßten Zugabe „Fear Lights The Path (Close To Our Hearts)“ noch einmal fast zwanzig Minuten drauflegen.
Die guten Geschäfte am Merch-Tisch unterstreichen es: (Nicht nur) Ultha haben geliefert, wie auf Bühne, so auf Platte, Amen.