Die Atmosphäre im Night Club des Bayerischen Hof überrascht trotz des des „Münchner Schickeria“-Flairs durch eine geerdete Gemütlichkeit, als sich nach und nach die Tische füllen, die im Halbrund auf zwei Ebenen die Bühne umrahmen. Die geschwungene, für einen Veranstaltungsraum erstaunlich tiefe Decke aus dunklem Holz stimmt zusammen mit den Vintage-Polstermöbeln und dem schummrigen Licht schon gut auf ein Jazzkonzert ein. Nach einer kurzen, aber freundlichen Anmoderation seitens des Veranstalters startet um 21:03 Uhr die Band mit einem flotten Drum-Intro in den ersten Song.
Atrin Madani steht selbstbewusst mit einem leicht verträumten, charmanten Blick vor dem nicht ganz gefüllten Saal. Sofort ist er voll in der Musik, seine Konzentration paart sich mit einer Leichtigkeit, die keinen Zweifel über die Leidenschaft aufkommen lässt, mit der er seine sehr persönliche Songauswahl präsentiert. Als zweites folgt der Titeltrack des unlängst veröffentlichten Albums „Where Are We Now“, bekannt als Bowie-Nummer, die sich auch ohne große Änderungen in Struktur und Arrangement erstaunlich gut als entspannte Jazz-Ballade eignet.
Instrumentalsoli werden meist eher zurückhaltend in die Songs eingebaut; gerade die Stücke des Abends, die nicht dem klassischen Jazz-Kanon entstammen, möchte man in den Arrangements eher knackig halten und mehr durch Rhythmusarbeit, Dynamik und Atmosphäre punkten als durch „entfesselte“ Virtuosität. Dennoch muss sich die vierköpfige Band um den jungen Sänger nicht verstecken, ganz im Gegenteil; Atrin Madani ist dabei stets darum bemüht, seinen Bandmitgliedern Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Christian von der Golz aus Unterfranken am Piano trägt melodiöse Single-Note-Lines und kantige Chord-Soli bei, während Olaf Kasimir am Bass der ganzen Gruppe nicht nur am Instrument eine gewisse Erdung verleiht; „für diesen Mann geht die Sonne auf!“, merkt Madani bei der Vorstellung seiner Musiker an. Sebastian Merk an den Drums bildet ein virtuoses und kongeniales Bindeglied zwischen den „Alt-Jazzern“ Kasimir/von der Golz und dem jungen, energievollen Timbre der deutlich jüngeren Musiker Atrin Madani und Alexander Rueß an der Gitarre. Bei letzterem lasse man sich nicht von der klassischen Archtop-Jazzbox beirren: Rueß ist von den fünf Musikern derjenige, der mit seinem Instrument zumeist Elemente von außerhalb des Jazz beiträgt. So bedient er sich in seinem Spiel nicht selten aus dem Rock oder Funk und nutzt dafür erstaunlich viele Effektpedale.
Gemeinsam vereinen so die Musiker in der für ein Jazzkonzert sehr ungewöhnlichen Songauswahl die verschiedenen Stilistiken bereits innerhalb ihrer Gruppe und schaffen so den gewagten Spagat zwischen „klassischem“ Jazzkonzert und der sehr persönlichen, bunt durch die Musik des 20. Jahrhunderts gewürfelten Setlist des Abends. Von Jazzstandards wie „Bye, Bye Blackbird“ geht es über Ben Webster und Steely Dan (Madanis Lieblingsband, wie er stolz behauptet!) bis hin zu Randy Newmans „You’ve Got A Friend In Me“ aus dem Animationsfilm Toy Story (einem Lieblingsfilm Madanis, analog zu Christian von der Golz‘ Lieblingsfilm „Das Große Krabbeln“, den er ebenso in den stets unterhaltsamen, für ein Jazzkonzert überraschend ausschweifenden Moderationen erwähnt). Schließlich gipfelt diese bunte Auswahl in einem virtuosen Medley verschiedener Songs der zeitgenössischen Popmusik: Nur begleitet von Sebastian Merk am schnellen Schlagzeug stimmt Madani „Shake it off“ von Taylor Swift an; als die Band einsteigt, streift man weiter, unter anderem durch die „Shape of You“ (Ed Sheeran), „As it was“ (Harry Styles), „Candy Shop“ (50 Cent) und „Happy“ (Pharrel Williams), alles gewürzt mit einer leichten Ironie, die allein daraus resultiert, dass diese Stücke in einer Reihe mit komplexen Jazz-Arrangements dargeboten werden. Nicht der einzige Moment an diesem Abend, an dem man Madani und seiner Band einen gewissen hintergründigen Humor zugestehen muss.
In diese Musik gliedert sich schließlich die Abmoderation und Danksagung des Abends ein, bevor die Musiker zum ersten Mal die Bühne verlassen; als erste Zugabe erneut eine humorvolle Überraschung: „Sag mir quando, sag mir wann“, bekannt insbesondere durch Peter Alexander – ein deutscher Schlager an einem Jazzabend. Ein Wink an die Münchner Schickeria? So kann man das natürlich nicht stehen lassen, und es folgt ein gekonnter Ausklang mit „Walk Between Raindrops“ von Donald Fagen, in dem Madani und seine Band ihr Zusammenspiel noch einmal in Szene setzen. Doch das Publikum applaudiert weiter, bis schließlich Madani und Rueß zu zweit auf der Bühne stehen: „Yellow“ von Coldyplay ist die letzte Nummer des Abends, in einem sehr intimen, reduzierten Arrangement nur mit Gitarre und Stimme. Um 23:15 schließlich endet das Konzert dann tatsächlich, und man findet einen bemühten, sympathischen und publikumsnahen Atrin Madani am Ausgang, kein Anzeichen von Erschöpfung, wie er an einem kleinen Stehtisch seine CDs verkauft und signiert. Mit einem kleinen Plausch entlässt er die Gäste in die milde Münchner Nacht – das Album haben sie natürlich gekauft.
Bericht: Thomas Steinbrunner
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