Schon beim Betreten des GOP Varieté Theaters München weht ein vietnamesischer Flair durch das Foyer. In all den Produktionen zuvor stand reines Entertainment auf dem Programm, durchgehend in einem dramaturgischen Aufbau, mit Shows wie „Wet“ auch durchaus unkonventionell, aber immer auf den Zuschauer angepasst. Mit der Show „Sông Trang“ ändert sich das nun – erstmals widme man eine Show einem Land, erzählt Produktionsleiter Werner Buss, der auch alle anderen GOP-Shows betreut. Man habe versucht, die vietnamesische und deutsche Form des Varieté-Theaters zu kombinieren und daraus eine für das Publikum einzigartige und neue Erfahrung zu kreieren. Fraglos ein gewagtes Unterfangen – aber mit Erfolg! Seit dem 19. Juli läuft das Stück in München, noch bis 3. November kann man einer Vorstellung beiwohnen. Damit tatsächlich alle einmal die Produktion gesehen haben, witzelt Buss.
Das Besondere fällt gleich zu Beginn in den Blick: keine Überfrachtung auf der Bühne, das (Bühnen-)Bild bleibt konstant. Insgesamt ist es dem Proberaum nachempfunden, in dem die Artisten die Show erarbeitet haben, um einen vertrauten Rahmen in einem unbekannten Land zu schaffen. Dazu gesellt sich nur eine minimale Lichtshow, die allerdings so akzentuiert eingesetzt wird, dass es die Show maßgeblich beeinflusst. Als Vorbild gelten die klassischen Varieté-Aufführungen in Vietnam: nur begleitet von einer Saiten-Instrumentalistin, sonst in traditioneller Kluft und absoluter Stille aufgeführt. Das wollten Buss und Regisseur Knut Gminder von Anfang brechen, setzen auch unterschiedliche Genres ein, bleiben aber bei landestypischer Musik – nur eben von Rap, Pop bis zu Instrumental-Musik. Die erste Hälfte bleibt noch relativ klassisch und gerät dabei fast etwas zu sehr in Einklang – der zweite Akt punktet dann aber mit modernen Elementen. Spannend, dass ein Einsatz von Musik so maßgeblich beeinflusst!
Die Artistik, der Hauptgrund für den Besuch, ist durchgehend sagenhaft. Wie auch auf die Show, muss man sich auf etwas noch nie Gesehenes gefasst machen, deutlich andere Herangehensweisen und letztendlich auch Präsentationen. Es zählt nicht die Einzelne oder der Einzelne, das Kollektiv arbeitet zusammen. Ob in luftige Höhen mit Reifen oder einem Bambusstock, Balancieren auf dem selbstgebauten Gerüst oder kurze Martial-Arts-Einlagen – es funktioniert nie alleine, immer in Gemeinschaft. Einzig die komödiantischen Einlagen gelingen nicht immer, wenngleich die humorvolle Auflockerung absolut sinnvoll ist, denn die Show selbst reiht eine Nummer an die nächste, oft nur mit einem Lichtwechsel übergeleitet. Der rote Faden? Das Land, die Kultur, die Art des Varietés – Vietnam. Nach rund zwei Stunden ist das Spektakel vorbei, so leise wie das Ensemble begonnen hat, so leise verabschiedet sich. Das Publikum dagegen ist alles andere als ruhig – stehende Ovationen, lautstarker Jubel. Absolut verdient, der Ausflug in das Land Vietnam ist beeindruckend und erfrischend. Man müsse eben nur Augen, Ohren und vor allem das Herz öffnen, erzählt Werner Buss zu Beginn. Ist alles dann geöffnet, wird es erfüllt von neuartigen und unverzichtbaren Eindrücken. Ein einzigartiger Abend.
Kritik: Ludwig Stadler