Was tun, wenn die Welt so heftig brennt wie je zuvor? Was tun, wenn all das Angeprangerte über die vergangenen Jahre nur schlimmer und schlimmer geworden ist? Refused haben ihre Antwort in der Wiedervereinigung gefunden. Damals, nach ihrer Auflösung 1998, die aus dem zu starken Kommerz mit ihrer Musik resultierte, fand man sich 2012 wieder zusammen, eben weil die Zeiten zu stürmisch waren. Nun, 2019, hat sich daran immer noch nichts geändert, aber die Hardcore-Legenden dafür mittlerweile ihr zweites Album seit der Reunion veröffentlicht: „War Music“. Im Rahmen einer Doppel-Headliner-Tour mit Thrice besuchen sie damit die TonHalle am 11. November 2019.
Den Abend eröffnen dürfen aber erst einmal Petrol Girls, die mit einer riesigen Portion Frauenpower die Boxen ordentlich beanspruchen. Ihr Feminist Post-Hardcore, wie sie ihn selbst auf ihrer Facebook-Seite bezeichnen, schafft es spannenderweise, neben den beiden vollkommen unterschiedlichen Folge-Hardcore-Bands, eine weitere eigene Stilrichtung des Genres zu finden. Ziemlich punklastig, aber dennoch ruppig und mit einem ordentlichen Batzen Energie spielen sich die Mädels und Jungs durch ihr 30-minütiger Set, weisen auf politische Missstände hin und fordern auf zum Mithelfen – belohnt von ordentlich Applaus.
Um 20:50 Uhr lichtet sich die extrem gut gefüllte TonHalle nun erstmals für den ersten Headliner: Refused. „Nothing has changed“, brüllt Frontmann Dennis Lyxzén in sein Mikrofon beim Song „Elektra“, dem ersten des Comeback-Albums „Freedom“ aus dem Jahr 2015. Genauso gut könnte er das bei jedem Song des 2019er-Werkes „War Music“ machen, aber Lyxzén und Band sind dann doch einfach viel zu feingliedrig, viel zu intelligent in ihren Texten aufgestellt. Stumpfes Kritisieren? Nein – sie sind überzeugte politische Menschen, die nicht nur die reine Aufmerksamkeit erregen wollen, sondern ihre Botschaft sogar über die rein musikalische Darbietung. Die ist es aber, die wohl genauso viel Anerkennung erfahren sollte – natürlich insbesondere das Durchbruch-Album „The Shape Of Punk To Come“.
Davon finden sich doch gleich vier Songs im 60-minütigen Set, das die Band auf der Bühne der TonHalle darbietet – und wie! Die Bühnenperformances, die treibende Wucht, die die Band auf der Bühne vorweist, ist schier überwältigend. Natürlich lässt ihr Hardcore mit deutlichen Metalcore- und NuMetal-Anleihen dann auch deutlich mehr Eskalationspotential zu als beispielsweise der melancholische Rock-Hardcore von Thrice, dennoch ist so eine schweißtreibende Performance, insbesondere von Frontmann Lyxzén, alles andere als selbstverständlich. Wie ein immerjunger Wirbelwind schreit sich der Schwede durch seine Diskografie und wirft sein Mikrofon meterweit umher, während die Gitarren so satt und kräftig wie vielleicht noch nie in der TonHalle aus den Boxen wummern.
Wer allerdings auf die heldenhafte Idee kam, die nach vorne peitschenden Refused vor die deutlich ruhigeren Thrice zu stellen, bleibt fraglich – ob die Fan-Gruppierungen sich nun so besonders überschneiden ebenso. Nichtsdestotrotz könnten die Songs des neuen Albums, das wir uns HIER etwas besser angehört haben, kaum eine bessere München-Premiere erfahren. Und natürlich: als „New Noise“ als letzter Song angekündigt wird, öffnet sich die Besuchermenge zur vielleicht größten Wall Of Death, die die TonHalle vielleicht je gesehen hat. Refused are fucking dead? Refused fangen grade erst an!
Setlist: Blood Red / Worms Of The Senses / Faculties Of The Skull / Elektra / I Wanna Watch The World Burn / Violent Reaction / Rather Be Dead / Coup d’état / Malfire / The Shape Of Punk To Come / The Deadly Rhythm / Death In Vännas / Economy Of Death / New Noise
Bericht: Ludwig Stadler