„Die Währung der Musikbranche ist die Aufmerksamkeit“ – und davon gab es am Sonntagabend sehr viel. Oehl feiert nach erfolgreichem Abschluss des ersten Teils der „Keine-Blumen“-Tour in Österreich nun den Auftakt des zweiten Teils im Münchner Ampere. Das Konzert am 27. November 2022 ist nicht nur das erste Konzert in Deutschland, sondern auch der Auftakt zum Solo-Projekt, das bis Ende 2021 noch als Duo mit dem isländischen Multiinstrumentalist Hjörtur Hjörleifsson aufgetreten ist. Seit Beginn 2022 ist Ariel Oehl alleine mit seiner Band unterwegs. Diese umfasst neben Schlagzeug, Bass und E-Gitarre auch die Begleitung durch Keyboard und Violine. Oehl kreiert dabei einen poetischen Indie-Sound mit trockenen Beats und crunchigen Akkorden.
Schon bei der Vorband Nothhingspecial sind viele unterschiedliche Gesichter im Rahmen von 20-65 Jahren zu sehen, die sich gemeinsam im Takt zu „If I could I would“ bewegen. Die etwas längere Umbaupause nimmt das Publikum entspannt entgegen und jubelt, als Oehl mit Band die Bühne, die mit silber verkleideten Blumen geschmückt ist, betritt. Gestartet wird passend mit dem Song „Keine Blumen“ und bringt das Publikum mit dem Song „Neue Wildnis“ direkt danach zum Tanzen und Viben.
Oehl selbst wechselt zwischen Gesang und Instrumentalsoli auf dem Saxofon und hebt die Stimmung mit kurzen Parts von Freddie Mercury und Rihanna weiter an. Vor allem die positive Stimmung, die anhaltende Interaktion und die Tanzmoves mit seiner Band übertragen sich direkt auf den Raum – er bewegt sich dabei wie der Wiener Harry Styles und zieht die Menge in seinen Bann. Mit poetischen deutschen Texten macht er auf aktuelle Themen aufmerksam – er erzählt von einer Familie, die vom Bankenskandal im österreichischen Burgenland betroffen war, macht die Klimakrise für alle Generationen deutlich und spricht über politische Themen. Der Beat variiert dabei von melodisch-ruhig zu tanzbaren Indie-Rhythmen. Mit dem Song „Schönland“ spricht Oehl die politisch gewordene Welt an, in der sich kontroverser Weise auch einige seiner Texte wiederfinden und schafft sowohl durch kurze Monologe als auch durch seine Musik „Verhältnisse, in denen sich alle wohlfühlen“. Das Konzert insgesamt ist immer wieder geprägt von beeindruckenden Instrumentalsoli am Schlagzeug, an der Geige und vielen mehr, sodass es alles andere als eintönig wird.
Gerade mit den letzten Songs des Abends begeistert die Band das gesamte Publikum; „Wolken“, „Mängelexemplar“ und schlussendlich „Brumm Brumm“, ein Feature mit Yukno aus 2020, beenden das Konzert. Die Energie hält sich bis zum Ende dieses Songs auf einem hohen Niveau und führt den ersten Abend der einwöchigen Deutschlandtour mit tosendem Applaus und Jubel zu einem gelungenen Ende. Die Frage bleibt: Wie schafft es Oehl, mit einer eingängigen Bassline einen ganzen Raum so in seinen Bann zu ziehen? – Einen großen Teil dazu hat sicher die Übertragung der Lyrics auf der Bühne dazu beigetragen, sodass das Publikum neben dem Hören der Beats auf einfache Art und Weise die Lyrics verinnerlichen und mitfühlen konnte. Diese Kombination hat den Auftritt zu etwas ganz Besonderem für alte und neue Fans gemacht, sodass sich ein Besuch der „Keine Blumen“-Tour auf jeden Fall loht. Auch Personen, die sich sonst nicht ganz im Indie-Genre wiederfinden, können hier entspannte Stunden genießen und neben tiefgehenden Texten vor allem die energetische Performance und die einmaligen Moves der gesamten Band erleben.
Bericht: Angelina Fricke