Pünktlich zum Einlass um 19:30 Uhr ist es noch sehr leer, egal ob auf dem Vorplatz oder auch im unterirdischen Milla selbst, dem Live-Club in der Holzstraße, mitten im Glockenbachviertel. Dabei ist es Sonntag, 11. März 2018, das Wetter lädt nur so zum Verweilen im Freien ein und außerdem ist der Grund des Besuchs ein ganz besonderer: Jesper Munk. Der Blues-Barde startet seine kleine „First Peek“-Tour, um sein neues Album vorzustellen und das mit Stil in kleinen, besonderen Clubs zu tun. Mit seiner Musik wäre da sowieso nur das Ampere oder Milla in Frage gekommen, also konnte die Wahl gar nicht besser fallen als auf den nach oben steigenden Tunnel-Club mit wahnsinnig viel Flair, dass jede andere Location in Puncto Einzigartigkeit einpacken kann. Ein kleines Wunder, dass sich so ein Juwel inmitten von Münchens Hochglanz- oder Mainstream-Club manifestieren konnte. Die Besucher danken es: ausverkauftes Haus. Vor der Tür suchen etliche Karten. „Sicher kommt er im Herbst wieder“, möchte man da sagen, aber viel helfen dürfte das wohl nicht.
Etwas verwunderlich allerdings, dass Support Tristan Brusch bereits um 20:10 Uhr die Bühne entert und nicht planmäßig erst um 20:30 Uhr – das hat zur Folge, dass wir leider das erste Lied nur zum Teil sehen und als Setlist-Mitschreiber anfangs auch nicht identifizieren konnten, denn Brusch hat sich vorgenommen: nur Lieder seines im Juni erscheinenden Albums. Und die könnten verschiedener nicht sein. Egal, ob das ruhige „Neujahrsschnee“ oder das kapital-kritische „Die fetten Jahre“, er singt sich die Seele aus dem Leib und gibt sich, gemeinsam mit Unterstützung am Keyboard, vollkommen den Texten und Melodien hin. Dabei singt er nicht nur, sondern geht auch mit „Trümmer“ in die schreikräftige Offensive, die mit Leichtigkeit die eher seichte, musikalische Indie-Mauer durchbricht, die er bis gerade noch aufgebaut hat. Verdutzte Gesichter im Saal, aber mindestens genauso viele überzeugte; es mag ein wenig polarisierend sein, was Tristan Brusch auf der Bühne macht, aber er macht es mit Elan und Überzeugung, sodass man die doch recht knappen 25 Minuten nach „Hier kommt euer bester Freund“ selbst als Blues-Rocker nicht nur übersteht, sondern auch ehrlich gemeint applaudiert. „Wenn ihr es richtig scheiße fandet, ist es auch okay, Hauptsache es hat irgendwas mit euch gemacht“ sagt er da. Hat es. Mindestens „Trümmer“ bleibt nachhaltig in Erinnerung.
Setlist: Zuckerwatte / Loch / Neujahrsschnee / Die fetten Jahre / Trümmer / Hier kommt euer bester Freund
Außerplanmäßig schnell geht es daher weiter, als um 21 Uhr schon Jesper Munk und seine neuen Bandkollegen an die Instrumente treten. Der Jubel ist groß, als der Sänger mit „Clean“ den Abend eröffnet und mit „Happy When I’m Blue“, der ersten Single des kommenden Albums, weitermacht. Klar, die Nummer wurde bereits etwas gespalten aufgenommen, da das alles mit Blues wenig zu tun hat und eher souligem Indie gleichkommt, nichtsdestotrotz funktioniert es live und lädt zum leichten Mitschwingen ein. Insgesamt stellen sich Munks neue Spielgefährten als zwar fast durchgehend älter, aber nicht minder talentiert als der Mastermind des Abends heraus. Allen voran der Mann an der Gitarre, dessen Name Jesper bei der Vorstellung leider ein wenig verschluckt, zeigt in den gitarrenlastigeren Nummern sehr straight sein Können, final bei „Easier“ aus dem neuesten Album; dieses Solo dürfte seinesgleichen suchen.
Leider scheitert der Abend genau aber daran: an den neuen Songs und der Zusammenstellung der Setlist. Die beiden bereits erwähnten Liedstücke dürften definitiv die hervorstechendsten Lieder von „Favourite Stranger“ sein, die meisten schwimmen aber ein wenig auf der belanglosen Oberfläche und gehen im Rahmen des Konzerts ebenso unter. Das ist immens schade, denn natürlich soll ein Künstler frei in seinem Schaffen sein, aber selbstredend ist das Publikum, welches ohne jeglichen Vorboten noch die Karten gekauft hat und dementsprechend auf ein Blues-Feuerwerk gehofft hat, doch ein wenig arg verdutzt, als fast durchgehend recht langsame Indie-Nummern kommen, die musikalisch allesamt solide, aber kaum Eigenständigkeit oder Außergewöhnlichkeit beweisen, wie es beispielsweise die Lieder von Tristan Brusch im Indie tun – oder eben einfach Munks Vorgänger-Werke. Als Künstler in der Indie-Richtung ist er einer von vielen, als Künstler in der Blues-Richtung allerdings der eine von vielen. Das merkt man immer genau dann, wenn die Klassiker wie „Reeperbahn“ und „Morning Coffee“ ausgepackt werden.
Keine Frage, Jesper Munk spielt mit Enthusiasmus und versinkt, genau wie seine Mitmusiker, in den eigenen Klängen. Die Entertainer-Qualitäten halten sich da natürlich in Grenzen. Gelegentlich ein „Vielen Dank“ oder auch mal ein „Das war gerade ein neuer Song“, ansonsten bleibt der gebürtige Münchner recht wortkarg und konzentriert sich lieber auf sein rund 105-minütiges Konzert. Dem fehlt aber leider vor allem ab der Mitte ordentlich der Esprit, was letztendlich darin mündet, dass die Leute einfach während des Konzertes zum Reden beginnen. „Sind das zu viele ruhige Lieder?“ fragt Jesper – was genau vorne ankommt, ist unbekannt, aber in den Reihen 8-12 gibt es einige „Ja“ zu vernehmen.
Das Problem ist wohl vor allem der fehlende Kontrast. Gibt man sich den neuen Liedern hin, findet man sicherlich ein paar Liebhaber-Werke, ein massiver Bruch zum Blues, oftmals auch Bluesrock, ist es aber doch stark. Da kommt es auch weniger gut, von den alten Werken fast nur die langsamen Tracks für die Setlist herauszupicken und die schummrige Stimmung weiterzuführen, mitreißende Alt-Werke wie „Courage For Love“, „Hungry For Love“, „Smalltalk Gentleman“ und „Drunk On You“ sind Fehlanzeige. Um so ein Konzert dann noch zum Laufen zu bringen, dafür fehlen die innovativen und interessanten Ansagen und Interaktionen.
„Ihr seid für eine andere Musik gekommen, aber da müssen wir jetzt beide durch“, sagt Tristan Brusch noch am Anfang des Abends. Lustig, dabei passt das doch an diesem Abend so viel besser zu Jesper Munk.
Setlist: Clean / Happy When I’m Blue / Ya Don’t Have To Say Goodbye / The Parched Well / Icebreaker / Morning Coffee / Line / Blue Shadows / Reeperbahn / Deeper Into Care / Seventh Street / Stranger / Joy / Cruel Love / Slow Down / Easier – Zugaben: Why Worry / Solitary
Bericht: Ludwig Stadler
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