Allein die Ankündigung dürfte bereits für euphorisch-freudige Gemüter bei den Metalheads gesorgt haben: die deutsche Metal-Institution schlechthin, Heaven Shall Burn, schließen sich mit den rifflastigen Melodic Metallern von Trivium für eine gemeinsame Tour durch ganz Europa zusammen. Obendrauf gibt es die Death Metal-Urgesteine von Obituary und etwas Beatdown als Opener, Malevolence. Das alles scheint laut, ausgiebig, extrem lang, aber vor allem: unfassbar reizvoll. So hat die coronabedingte Verschiebung dieser Tour keinen Abstrich verpasst, im Gegenteil: das Zenith an diesem 17. Februar 2023 ist ausverkauft. Knapp 6.000 erwartungsfreudige Freund*innen der harten Klänge finden sich so bereits überraschend früh ein – denn hier möchte man nichts verpassen.
Den Beginn machen Malevolence um 18:30 Uhr und zögern auch nicht lange, gleich die komplette Härte ihrer Musik auszupacken: die Riffs wummern aus den Boxen, ein Breakdown jagt den nächsten und Frontmann Alex Taylor treibt die Menge bereits zu früher Stunde zu Moshpits und Bewegung. Ein Wunder ist das kaum, denn die Engländer wissen auf voller Linie zu überzeugen und punkten mit treibenden Songs, einer starken Performance und 30 Minuten Beatdown – zumindest fast. Mittendrin stolpert „Higher Place“ in die Setlist und bremst die Stimmung gut aus; eine Power-Ballade inmitten vom durchgehenden Metal-Brechern erscheint doch stark wie ein Fremdkörper. Sei’s drum – ein gelungener Einstieg!
Setlist: Malicious Intent / Life Sentence / Still Waters Run Deep / Self Supremacy / Higher Place / Keep Your Distance / On Broken Glass
Während Taylor noch fleißig zu Ansagen neigt, sind Obituary fast schon bekannt dafür, äußerst wenig Worte zu verlieren – stattdessen nutzen sie ihre 45 Minuten voll aus und rumpeln durch einen Auszug ihrer über 35 Jahre Bandgeschichte. Die Zeichen stehen auf klassischen Death Metal, damit einher geht auch: gleicher Rhythmus, gleiche Riffs, gleicher Stil. Irgendwie macht das Spaß und weiß auch zu gefallen, aber durch die Songs ohne jegliche Pointensetzung verkommt die Musik irgendwann doch mehr zum Hintergrund-Metal, der im Marschtakt vorantrümmert. Keine Frage, es kann deutlich Schlechteres geben und der Sound ist ihnen äußerst gewogen – am Ende bleibt dennoch ein 45-Minuten-Riff-Gewitter, bei dem man die Songs nur schwerlich auseinanderhalten konnte.
Setlist: Redneck Stomp / Sentence Day / A Lesson in Vengeance / Visions In My Head / The Wrong Time / Don’t Care / My Will To Live / Words Of Evil / I’m In Pain
Hie und da ploppen schon die ersten Ermüdungserscheinungen auf, obwohl es pünktlich zur Primetime um 20:15 Uhr doch erst mit dem ersten Headliner losgeht: Trivium. Das Bühnenbild ist passend zur aktuellsten Platte „In The Court Of The Dragon“ mit zwei Drachenstatuen, einem verspielten, asiatisch angehauchten Backdrop und reichlich Farbpracht ausgestattet – und macht so bereits zum Opening „Rain“ einiges her. Die Amerikaner machen sich auf der aktuellen Tour selbst eine Freude und variieren die Setlist jeden Abend massiv, einzig ein paar Pflichtsongs bleiben jeden Abend drin, aber rund die Hälfte der Lieder ist wechselhaft. So rutscht beispielsweise auch „Like Callisto To A Star In Heaven“ in den Abend hinein, der seit 2009 nicht mehr live auf einer Bühne performt wurde. Dennoch bleiben die Hits von „The Heart From Your Hate“ bis „In Waves“ nicht aus, vor allem zum Schluss kramen Sänger Matt Heafy, seit neuestem ohne Haarpracht, und seine Band mächtig in der Hitkiste der Band, die sie über die Jahre durchaus gefüllt hat. Zwar hat es ein paar Lieder gedauert, bis sich Münchner*innen und Trivium warmgespielt und aneinander gewöhnt haben, aber am Ende gehen die Amerikaner unter großem Jubel nach rastlosen 70 Minuten ab.
Setlist: Rain / Shattering The Skies Above / Strife / Amongst The Shadows & The Stones / Pillars Of Serpents / Down From The Sky / In The Court Of The Dragon / Like Callisto To A Star In Heaven / To The Rats / The Heart From Your Hate / In Waves / Pull Harder On The Strings Of Your Martyr
Dass es ein langer Abend wird, war bereits im Vorfeld abzusehen – doch tatsächlich gestaltet sich der Umbau bis zu Heaven Shall Burn äußerst zäh, in Anbetracht von bereits 150 Minuten metallischer Beschallung. Doch die Thüringer wären nicht die, die sie sind, wenn sie nicht bereits mit den ersten Tönen jegliche Erschlappungen aufheben können und die Menge zum Toben bringen. Wer beim Opener „My Heart And The Ocean“ noch Zurückhaltung zeigt, dürfte diese spätestens bei „Bring The War Home“ verlieren, das scheppernd und fast schon HSB-üblich auch etwas matschig aus den Boxen schallert und die finalen 75 Minuten Metal-Feuer einleitet. Stichwort Feuer – natürlich kommt auch das nicht zu kurz. Nach den ersten Liedern Zurückhaltung zwecks der Fotografen zünden HSB ein waschechtes Feuerwerk: Pyro, Bengalos, Feuersäulen und davon nicht zu wenig. Dabei wird all das nicht zum Selbstzweck, sondern fließt perfekt ein in die Riffs und Songs und unterstützt die astreine Bühnenshow ungemein. Eine wahre „Übermacht“, um es mit HSB-Songtiteln zu sagen.
Natürlich lässt es sich Frontmann Marcus Bischoff, seit neuestem mit ausufernder Haarpracht, nicht nehmen, immer wieder ein paar Worte in tiefstem Thüringer Dialekt an den Münchner*innen zu richten. Bewegung möchte er, keinen Stillstand, das Zenith, welches die Band bereits einige Male besucht hat, solle dem Erdboden gleichgemacht werden. Real passiert das (glücklicherweise) nicht, aber das Publikum ist lautstark unterwegs an diesem Abend, bejubelt die feurige Performance und bringt mit „Tirpitz“ gegen 23:05 Uhr das Riesenkonzert zum wohlverdienten Abschluss. Selten war ein (äußerst fairer!) Ticketpreis besser investiert als an diesem Abend voller Metal aus den verschiedensten Stilrichtungen der härteren Subgenres. Chapeau!
Setlist: My Heart And The Ocean / Bring The War Home / Voice Of The Voiceless / Hunters Will Be Hunted / Whatever It May Take / March Of Retribution / Thoughts And Prayers / Behind A Wall Of Silence / Profane Believers / Black Tears (Edge Of Sanity cover) / Endzeit / Numbing The Pain / Tirpitz
Bericht: Ludwig Stadler