4. Mai 2023: Die Münchner Premiere und zugleich der Auftakt zum Ende der Tournee: NEO am GOP Theater in München. „Das Neue besitzt so viele Aspekte. Es ist bahnbrechend, zukunftsweisend, frech, aufrüttelnd, manchmal schrill und grenzüberschreitend. Oder aber es präsentiert Klassisches in neuem Gewand. Immer aber verströmt „Neo“ diesen prickelnden Frischekick, dem sich keiner entziehen kann.“ So präsentiert das GOP die neue Inszenierung. NEO, das steht zum einen für Disziplinen, die im Varieté etwas Besonderes sind, zum anderen Künstler*innen, die erst vor Kurzem für die große Bühne entdeckt wurden.
Dennoch setzt sich das Ensemble internationalen zusammen: Shu Takada kommt aus Japan, Amelie Bolduc aus Québec und das Diabolo-Duo One Line aus Deutschland. Auch ein italienisch-ukrainisches Liebespaar ist Teil der Show: Yulia und Michael eröffnen den Abend mit ihrer Partnerakrobatik, nach der Anmoderation von Martin Quilitz, den das Publikum sehr schnell lieb gewinnen wird. Die Tour endet in München, die Künstler*innen reisen herum wie ein moderner Zirkus. Das Besondere: im Gegensatz zum Tournee-Theater, wo immer ein Ensemble gemeinsam das Stück einstudiert, werden hier verschiedene bestehende Nummern zu einem dramaturgisch aufbereitenden Abend kuratiert, der als Show in den Spielstätten des GOP. gastiert.
Singer Songwriter-Vibes kommen auf, wenn der Musiker des Abends, Holger Dieffendahl, sein Lied über die Heimatstadt Kölle singt. Sind wir denn beim Poetry Slam? Dem Publikum gefällt es jedenfalls! Amélie Bolduc jongliert im ersten Teil der Show mit Bâtons, „manipulation de Bâtons“ heißt die Nummer, und tritt im zweiten Teil mit einem großen Reifen auf, in dessen Inneren sie ihren Körper so angespannt, dass sie im Reifen über die Bühne rollen kann. Auch davon sind die Gäste zurecht schwer beeindruckt.
Dieffendahl macht in seiner zweiten Runde den Bodo Wartke. Was bei diesem „Ja Schatz“ heißt, ist bei ihm das Wort Akrobatik, in der er einen ganzen Song lang beschreibt, mit wie vielen Erwartungen in seine Freundin traktiert, der es schlussendlich dann doch nicht genug ist. Das Publikum lacht und schon geht es weiter mit dem nächsten Akt.
Jede Nummer des Abends macht wirklich viel her. Das liegt vor allem daran, dass sie technisch und handwerklich einwandfrei und erstklassig ausgeführt sind. Was hier körperlich geboten wird, das wird vom Publikum voller Bewunderung beklatscht. Die Ästhetik der Show ist geprägt von ihrer Zurückhaltung. Es geht um das Können der Solist*innen und weniger um eine Materialschlacht.
Regisseur Knut Gminder könnte durch eindrucksvolle Glitzerkostüme, schillernde Requisiten oder eine ausgeklügelte Lichtshow noch mehr Eindruck erzeugen. Bei NEO wird sich bewusst dagegen entschieden, um den Fokus auf dem Handwerk der Artisten zu belassen. Gerade im Varieté stellt sich die Frage, ob nicht das Publikum auch deshalb kommt, um sich von Showeffekten beeindrucken zu lassen. Nichtsdestotrotz ist das Publikum ganz bezaubert von den verschiedenen Acts, durch die Quilitz ganz locker und sehr nahbar durchführt, sodass man schnell den Eindruck hat, man habe es hier mit einem sehr extrovertierten Freund im erweiterten Bekanntenkreis zu tun. Ein rundum gelungener Abend!
Bericht: Jana Taendelr
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