Kühler, bleicher Aprilnachmittag. Letzte Besorgungen und Vorkehrungen vor den zweitägigen Feierlichkeiten, es ist Karsamstag. Für die Schwarzkuttigen, die heute das Backstage umschwirren, stehen aber nicht Auferstehung und bunte Eier, sondern Todeskult und Pommesgabel auf dem Programm. Hier feiert man nicht den Triumph des Lebens, sondern den des Todes – der Versuchung zu weiteren Wortspielen widerstehend begeben wir uns hinein ins Getriebe des zehnten Dark Easter Metal Meetings. Zwei Tage lang, den 8. und 9. April 2023, werden die drei Bühnen des Backstage vom frühen Nachmittag bis tief in die Nacht hinein von Bands aus dem Bereich Black und Death Metal bespielt werden, von lokalen Gruppen bis hin zu Szenegrößen mit Legendenstatus ist alles geboten.
Den Auftakt zum diesjährigen DEMM gibt die schwedisch-niederländische Black Metal-Kapelle In Aphelion im Werk, der größten der drei Hallen des Backstage-Geländes. Zwar bietet dieses durchaus einige Gelegenheiten zum gemütlichen Zusammensitzen im Freien, in Relation zur Zahl der Zuschauer*innen sind diese Aufenthaltsorte im außermusikalischen Sinne aber doch eher knapp bemessen. Doch zu mehr als einer Raucherpause oder einem schnellen Imbiss lädt das Wetter ohnehin nicht ein. /TJ
Dass die Karten für das DEMM auch in diesem Jahr wieder restlos ausverkauft waren, wird spätestens deutlich, als im Anschluss an In Aphelion Groza in der Halle, d. h. auf der mittelgroßen Bühne, zu ihrem Set ansetzen. Die Mühldorfer heißen nicht zufällig wie eine EP von Mgła. Dass sie offen mit ihren Inspirationsquellen umgehen, nimmt dem stygischen Wässerchen, das aus diesen Quellen sprudelt, nichts von seiner Erquicklichkeit. Die können die Zu-spät-Gekommenen zumindest erahnen, während sie durch die geöffneten Türen in die bis zum Bersten gefüllte Halle spähen. Die Bands, die im Werk spielen, genießen das Privileg, sich ihren Zeitslot mit niemandem teilen zu müssen. Die Konzerte in Halle und Club (die kleinste Venue) finden dagegen zeitgleich statt. Obwohl somit zwei Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, die Beschallungswilligen aufzunehmen, muss man sich auch in diesem Jahr wieder mit der Tatsache arrangieren, dass man sich in der Regel zwischen einem vernünftigen Platz in Halle oder Club und dem Zuendehören eines Konzerts im Werk entscheiden muss. Während also die nach polnischen Nebel gierende Menge sich in der Halle drängt, gibt es auch im Club hörenswerte Musik. /TJ
Setlist: Sunken in Styx – Part I & 2 / Elegance of Irony / The Redemptive End / Unified in Void / Homewards
Hier lassen Endonomos aus Österreich überzeugenden Doom hören. Zu einem sich durchhaltenden, der Band gut zu Gesicht stehenden Hang zum Erdigen, Primitiven, gesellt sich die voluminöse, eindrucksvoll zwischen Klargesang und massiven Growls wechselnde Stimme von Bassist Lukas Haidinger – und das bei ausgezeichnetem Sound, was keine Selbstverständlichkeit darstellt. Das Gewicht der Grabsteine, die die Newcomer aus dem Nachbarland liften, verblasst freilich vor der schieren klanglichen Wucht, die bald darauf auf die im Werk vor den Mannen von Sulphur Aeon Versammelten niedergeht. Der donnernde, walzende, schwarz-dissonante Death Metal, den die Band aus NRW produziert, lässt es nicht nur leicht vorstellbar, sondern geradezu physisch erlebbar werden, wie es sein muss, in den Strudeln einer von Lovecraftschen Monstern aufgepeitschten See zugrunde zu gehen. /TJ
Für viele noch als Geheimtipp abgestempelt, dürfte die Besetzung dem ein oder anderen im Publikum bekannt vorkommen: Das italienisch-norwegische Duo Darvaza (begleitet von Gastmusikern) besteht aus Omega (Blut aus Nord, Deathrow, Kult uvm.) und Wraath, Stimme von Szenegrößen Behexen, aber auch One Head, One Tail und Mare. Die Backstage Halle ist trotzdem zunächst verhalten gefüllt, nachdem man eine Stunde zuvor bei Groza dieselbe kaum mehr betreten konnte. Wenn es im Black Metal so etwas wie Supergroups gibt, dann fällt Darvaza definitiv in diese Kategorie, trotz des frühen Slots um 17:15 reißt die Band vom ersten bis zum letzten Song die spärlich beleuchtete Bühne förmlich ab. Präsentiert wird ein nicht ganz so bunter Mix ihrer EPs und natürlich der ersten LP der Gruppe, „Ascending Into Perdition“, die kurz vor der Pandemie das Licht der Welt erblickt hat. Knapp 50 Minuten später ist in der mittlerweile vollen Backstage Halle Schluss, viele hätten wahrscheinlich gerne noch mehr von Darvaza gesehen, der Andrang auf ihr Merchandise hat jedenfalls im Anschluss signifikant zugenommen. /LS
Auch in diesem Jahr bleibt das DEMM von mehr oder weniger kurzfristigen Absagen nicht verschont. Neben Nifelheim, 1914 und White Ward musste auch der Auftritt der deutschen DSBM-Institution Bethlehem entfallen. Dass für alle Bands nicht nur Ersatz aufgebracht, sondern auch jeweils thematisch und/oder musikalisch verwandte Acts gefunden werden konnten, ist dem Veranstalter trotz der sichtlichen Enttäuschung mancher Besucher*innen hoch anzurechnen. So werden Bethlehem von Darkened Nocturn Slaughtercult vertreten, deren Frontfrau Onielar und Gitarrist Velnias auch bei Bartsch und Kollegen am Mikrophon steht. DNS sind zwar deutlich traditioneller unterwegs als Bethlehem, zu lachen gibt es aber auch hier nichts: Onielars markant-krankes Organ bricht sich auf stampfenden rasanten Riffs der alten Schule. Weiß bemalt und alsbald Kunstblut-besudelt zelebrieren DNS wie wenige andere Bands an diesem Wochenende klassische Black Metal-Ästhetik, klanglich wie visuell. Wer sich einen Platz in den vorderen Reihen gesichert hat, wird damit belohnt, von Onielar lustvoll mit Pseudolebenssaft beprustet zu werden. Doch es scheint, als ebbe die anfängliche Euphorie, die DNS hervorriefen, nach und nach ab; die absichtliche Monotonie ihrer Musik scheint es schwer zu haben, den sich hier zur mehr als zehnstündigen Dauerbeschallung eingefunden habenden geneigten Hörer für eine ganze Stunde bei der Stange zu halten. /TJ
Setlist: In the Land of the Mountains of Trees / Das All-Eine / In The Hue of the Night / Imperishable Soulless Gown / … To Necromancy
Doch vielleicht sind es auch Agrypnie und Vermilia, die zum zeitigen Aufbruch nötigen. Während Vermilia im Club zu paganem Atmospheric Black Metal ansetzen, können sich Agrypnie in der Halle jedenfalls über mangelndes Publikum nicht beklagen. Frontmann Torsten Hirsch bedankt sich herzlich über die Vielzahl offener Ohren, denen er sich gegenübersieht. Unabhängig davon, ob man sich mit Hirschs recht eintöniger Gesangsperformance anfreunden kann, entwickeln Agrypnie mit ihrem drückenden Post-Black Metal eine emotionale Intensität, der man sich schwer entziehen kann. /TJ
Mit Necrophobic ist ein regelrechter Stammgast der Landeshauptstadt und Umgebung im Backstage Werk an der Reihe. Mit ihrer Mischung aus frühem Death Metal und traditionellem Black Metal passen sie auf das Dark Easter Metal Meeting wie die Faust aufs Auge und sind mit der ein oder anderen Melodie auch eine angenehme Abwechslung. Pünktlich zur Prime-Time um 20 Uhr feuern Necrophobic mit atmosphärischem Intro, Bier und „Taste of Black“ ihr 50-minütiges Set an, das einmal durch ihre gesamte Diskografie führt. Viel Leder, viele Nieten, spitze Gitarren und das übliche Corpsepaint, so erfüllen Necrophobic zumindest optisch die essenziellen Klischees des Black Metal, doch musikalisch haben sie einiges mehr als „nur“ 0815 im Gepäck. Mit solider Bühnenshow und präzisen Gitarrenriffs beweisen sie einmal mehr, warum sie in den Billings der Festivals stetig immer weiter nach oben wandern. /LS
Setlist: Taste Of Black / The Call / The Infernal Depths of Eternity / Into Armageddon / Sacrificial Rites / The Crossing / Blinded by Light, Enlightened by Darkness / Tsar Bomba / The Nocturnal Silence
Weiter geht es mit Skyforger: Die aus Lettland stammende Pagan Metal-Institution ist ein seltener Gast in der Landeshauptstadt, entsprechend voll ist die Backstage Halle schon zum Beginn um 20:55 Uhr. Scheinbar haben Skyforger sich auf dem Lineup mit ihrem Standardset nicht ganz wohl gefühlt, denn der Pagan-Aspekt wird heute eher durch ein ziemlich geradliniges Black Metal-Set verdrängt. Sichtlich gut gelaunt bringen die Letten die sonst eher ernste, düstere Stimmung des Dark Easter Metal Meetings etwas nach oben, die bekanntlich geschichtsinspirierten Texte werden fast schon humorvoll angekündigt, nachdem jeder zweite Song des Sets eine Darbietung zu diversen Kriegen gegen die Teutonen, Germanen und Deutschen ist. Wer sich hier vom besagten Pagan-Fokus abschrecken hat lassen, verpasst 50 Minuten feinstem Black Metal, inklusive ordentlicher Bewegung im Publikum. Sichtlich beeindruckt vom Publikumsandrang, verabschiedet sich die Band um 21:45 Uhr in den verfrühten Feierabend. Hoffentlich braucht es nicht nochmal acht Jahre bis zur nächsten Skyforger Show in der Landeshauptstadt. /LS
Setlist: Akmenī Iekaltās Zīmes / Virsaitis Nameisis / Sešas ārprāta dienas / Tīreļa Purvā / 1916 / Kurši / Rāmava / Viestarda cīņa pie Mežotnes. 1219 / Svētais Ugunskrusts
Schluss ist noch lange nicht, denn es ist Zeit für den Headliner von Tag 1 des Dark Easter Metal Meeting: Candlemass! Die schwedische Doom Metal Institution ist trotz des etwas abweichenden Genres zum Rest der Veranstaltung als absolute Kult Band ein gern gesehener Gast, das Backstage Werk ist bereits zu Beginn gut gefüllt. Gleich anfangs fällt auf, dass es eine kurzfristige Veränderung im Lineup der Band gibt: Olle Dahlstedt von Entombed AD springt für Jan Lindh am Schlagzeug ein. Bereits zu Lied Nummer 2 heißt es: „You are Bewitched!“, viele aus der Halle und dem Club kommende Gäste verpassen beim Bierstopp zwischen den Sets den vermeintlich größten Hit der Band. Johan Langquist wieder am Mikrofon der Gruppe zu sehen, fühlt sich einfach richtig an, und klingen tut es noch besser. Natürlich werden daher fast ausschließlich die ersten drei Alben bespielt, mit Ausnahme des gleichnamigen Titeltracks ihres 2022 erschienenen Albums „Sweet Evil Sun“. Die Band ist ohne Ausnahme gut drauf und in ihrem natürlichen Element, zum Encore setzt sich Bassist Leif Edling sogar auf das Drum-Podest, um zwischen den Songs in Ruhe sein Glas Wein zu genießen. Candlemass gehen es halt nicht nur musikalisch etwas langsam an. Acht Songs und drei Zugaben später beenden die Schweden mit „Solitude“ ihren Auftritt unter ordentlichem Applaus, ein absolut würdiger Headliner. /LS
Setlist: Mirror Mirror / Bewitched / Under The Oak / The Bells Of Acheron / Dark Are the Veils of Death / Samarithan / Sweet Evil Sun / Crystal Ball – Zugaben: The Well Of Souls / A Sorcerer’s Pledge / Solitude
Viele würden sich jetzt gerne zweiteilen, denn mit Kvaen im Backstage Club und Thy Light in der Backstage Halle folgen zwei absolute Hochkaräter. Erstere gelten als Fackelträger des Undergrounds, das Projekt von Jacob Björnfot schlug bereits 2020 mit ihrem Debüt „The Funeral Pyre“ große Wellen und mit dem 2022 erschienenen Folgealbum „The Great Below“ nahmen besagte Wellen fast schon Tsunami-ähnliche Zustände an. Man muss eigentlich nicht dazu sagen, dass der Club bereits zu Beginn des Sets bis unter das Dach gefüllt ist. Mit hervorragender Band-Besetzung und sichtlicher Spiellaune packen die Schweden das beste beider Alben in ihr Set und beenden pünktlich um Mitternacht ihren Auftritt in fast perfekter Studioqualität. Ein würdiger Abschluss im Club für Tag eins. /LS
Setlist: Revenge By Fire / The Funeral Pyre / In Silence / Ensamvarg / The Great Below / Sulphur Fire
Gleichzeitig ist es Zeit für den letzten Act des Abends in der Backstage Halle, Thy Light. Die ursprünglich aus Brasilien stammenden Depressive Black Metal Größen sind bekannt für ihre langen, atmosphärischen Songs, entsprechend ist leider nur Zeit für fünf Songs. Besser kann man die 50 Minuten allerdings nicht füllen, mit einem abwechslungsreichen Set aus langsamen, melodischen Passagen und emotional-geladenen Vocals lockt die Band immer mehr Publikum in die Halle. Ebenfalls pünktlich um Mitternacht beenden Thy Light ihre Show und bilden genau wie Kvaen im Club einen würdigen Abschluss der Backstage Halle an Tag eins. /LS
Setlist: Infinite Stars thereof / A Crawling Worm in a World of Lies / The Bridge / I Am the Bitter Taste of Gall / In My Last Mourning…
Dass sie für eine Überraschung gut sind, bewiesen die zweiten Headliner des Samstags, die schwedischen Death Metal-Veteranen von Grave – denn sie erschienen nicht. Erst am frühen Abend verbreitete sich die Meldung, Sänger Ola Lindgren habe einen (nicht-schwerwiegenden) Unfall gehabt und könne daher nicht nach München kommen. Doch selbst dieser kurzfristige Ausfall brachte die DEMM-Macher*innen nicht soweit in Verlegenheit, dass das letzte Konzert des Abends, von zwölf bis ein Uhr im Werk, hätte gestrichen werden müssen. Und nicht nur das: Es fand sich sogar eine im selben Jahr (1988) wie Grave gegründete, also ebenso altgediente und mindestens ebenso kultige Death Metal-Kombo, um den vakanten Platz einzunehmen: Pungent Stench, oder vielmehr Schirenc Plays Pungent Stench, oder vielmehr Schirenc Plays Pungent Stench Pretending to Be Grave; denn Martin Schirenc, der Anführer des rabiaten österreichischen Trios, das auf nicht ganz unkomplizierte Weise aus den ursprünglichen Pungent Stench herausgewachsen ist und das nun mitternachts vor ein schon deutlich ausgedünntes Publikum im Werk tritt, macht sich einen Spaß daraus, in (skandinavisch) schwerzüngigem Englisch vorzugeben, Grave from Sweden zu sein. I want you to start a mosh pit to wake up this young man in the first row; but don’t hurt yourselves, as you aren’t Swedish vikings like us… Der Wunsch wird ihm erfüllt, denn was Schirenc und Kollegen hier bieten, ist herrlich unprätentiös, primitiv, roh, eingängig – genau richtig, um noch einmal Kopf und Glieder zu schütteln, ehe man die (einstweilige) Heimreise antritt, was aufgrund der Stammstreckensperrung an diesem Wochenende für manchen ein unerfreuliches Unternehmen sein dürfte. /TJ
Setlist: Pungent Stench / Brainpain Blues / For God Your Soul, For Me Your Flesh / Dead Body Love / Bonesawer / Blood, Pus And Gastric Juice / Fuck Bizarre / Extreme Deformity / A Small Lunch / Embalmed in Sulphuric Acid / Shrunken And Mummified Bitch / Viva la Muerte
HIER geht’s zum Bericht von Tag 2!
Es berichteten unsere Redakteure Tobias Jehle (TJ) und Luka Schwarzlose (LS).