Dark Easter Metal Meeting 2023 Tag zwei. Den zeitig Wiederauferstandenen winkt im Werk shoegaziger Post-Black Metal von Heretoir, deren gefühlvoll-eindringlicher, wenig aggressiver Stil einen angenehmen Start in den Konzertnachmittag bietet; verhältnismäßig Viele hören sich das Set der Augsburger bis zum Ende an.
Im Anschluss geht es in der Halle atmosphärisch weiter: Zum warm-trockenen Duft von Räucherwerk geben hier Enisum melancholischen, naturverbundenen Black Metal zum Besten. Seit ihrem Bestseller »Arpitanian Lands« (2015) waren die Italiener nicht unproduktiv; erst im Februar erschien ihr neustes Werk »Forgotten Mountains«. Ihr Set mach Spaß und bringt eine angenehme, geschmackvolle Mischung aus Gedanken- und Stimmungsverlorenheit und Trieb nach vorne mit sich. /TJ
Ob das Spektakel, das kurz darauf im Werk zu begaffen ist, das Attribut »geschmackvoll« verdient, muss wohl jede*r für sich entscheiden. 1914 fielen aus, doch mit Kanonenfieber fand sich eine Band, die ebenfalls um das Thema Weltkrieg herum aufgestellt ist. Die Bamberger, die letztes Jahr noch als Newcomer beim DEMM im Club spielten, starten auch sogleich mit Kanonendonner in die Schlacht, nein, ihren Auftritt. Die vier Musiker, die das Ein-Mann-Projekt live zu realisieren helfen, beziehen in uniformer Verkleidung Stellung, dann kommt auch schon der Kopf der Bande, Noise, im Bismarck-Rock und mit (schief sitzender) Pickelhaube hervorgeteufelt. Es folgt eine durchchoreographierte, bisweilen fast Musical-eske Darbietung von melodischem, eingängigen Black Metal ohne wesentliche Alleinstellungsmerkmale, der primär durch seine performative Umsetzung und die thematische Fixierung eine gewisse Einzigartigkeit erreicht. Kanonenfieber sind, ob man es will oder nicht, unterhaltsam, gerade darin aber auch etwas langweilig. /TJ
Setlist: Die Feuertaufe / Dicke Bertha / Die Schlacht bei Tannenberg / Grabenlieder / Die Fastnacht der Hölle / Der Füsilier 1 & 2 / The Yankee Division March
Genau wie ihre Landsmänner von 1914 mussten White Ward aus Odessa ihre für 2023 geplanten internationalen Tourdates absagen, da das ukrainische Kultusministerium zwischenzeitlich seine Regularien überarbeitet hat, die es wehrfähigen Ukrainern noch im vergangenen Jahr per Songergenehmigung erlaubten, trotz Kriegszustand das Land zu verlassen – z. B. um Konzerte in Europa zu spielen. Solche Genehmigungen werden inzwischen offenbar nicht mehr oder in weitaus geringerem Umfang als zuvor erteilt. Es ist traurig und unglaublich, über Tourabsagen europäischer Bands aufgrund von verordneter Bereithaltung zum Kriegsdienst im eigenen Land berichten zu müssen, und traurig ist der Ausfalls White Wards auch in musikalischer Hinsicht. Ihr Album »False Light« schaffte es in viele Bestenlisten des vergangenen Jahres, ihr entschlossener, vielschichtiger Post-Black Metal, verstärkt, erweitert und aufgebrochen durch stete Saxophon-Beigaben hätte sicherlich ein packendes Konzert ergeben. Doch auch mit den Ersatzspielern lässt es sich sehr gut aushalten – und auch sie haben ein standardmäßiges Blechgebläse (Posaune: Zoltán Pál) verbaut: Sear Bliss aus Ungarn. Die sympathische Truppe um Sänger/Bassist András Nagy feiert in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen; ihrem episch und progressiv angehauchten Stil bleiben sie treu; das beweist ein brandneuer, noch unbetitelter Song, den die Band, die gerade im Studio an einem neuen Album arbeitet, heute, zur Feier des Anlasses, wieder auf dem DEMM spielen zu können, exklusiv und testweise zum Besten gibt. /TJ
Im Werk geht es weiter mit der schwedischen Black Metal Institution Sacramentum, die aufgrund der Nifelheim Absage ins Lineup nachgerückt sind. Es ist erst der zweite Auftritt der Band in Deutschland nach über 20 Jahren Abstinenz. Auch Sacramentum bekommen die berühmten 50 Minuten Spielzeit und nutzen diese vollkommen aus. Frontmann Nisse Karlén, der den Saiteninstrumenten auf der Bühne endgültig abgeschworen hat, scheint nun nicht mehr genug Auslastung zu haben. Das gesamte Set über gestikuliert er wild umher und begießt sich fortlaufend mehr mit Kunstblut, wahrscheinlich auch sehr zum Ärger der noch folgenden Bands. Musikalisch ist natürlich auch einiges geboten, die Band präsentiert ihr Debütalbum „Far Away From The Sun“ in voller Länge. Am Ende bleibt festzustellen, die Band hat in den letzten 20 Jahren nichts von ihrem Biss verloren und wirkt, als wollten sie nicht erneut 24 Jahre auf eine weitere Show in der Landeshauptstadt warten. /LS
Setlist: Fog’s Kiss / Far Away From The Sun / Blood Shall Be Spilled / When Night Surrounds Me / Cries From a Restless Soul / Obsolote Tears / Beyond All Horizons / The Vision And The Voice / Outro
Bevor Rotting Christ später im Backstage Werk als letzte Band des Tages das Festival beenden, ist es in der Halle Zeit für eine weitere Band aus Griechendland, Lucifer’s Child. Die Band um den Ex-Gitarristen von Rotting Christ, George Emmanuel, lässt von Beginn an absolut nichts anbrennen. Relativ schnell wird klar, wie sich die Band so schnell vom Geheimtipp zu einer etablierten Black Metal-Band Griechenlands mausern konnte. Schnelle, böse Riffs treffen auf treibendes Schlagzeug und wuchtigen Gesang, eine tödliche Mischung, die für eine volle Halle und viel Bewegung im Publikum sorgt. Keine Sekunde des Sets wird nachgelassen, keine Pause, keine Gnade, ein absolutes Highlight von Tag zwei. Einziger Kritikpunkt war das nicht mitgebrachte Merchandise, die Band hätte nach diesem Auftritt mit Sicherheit einen guten Umsatz erzielt. /LS
Naglfar sind ebenfalls ein gern gesehener Gast auf dem Dark Easter Metal Meeting und weiterer Vertreter der diesjährigen schwedischen Dominanz im Billing. Die Band hat relativ früh in ihrer Karriere ihr Erfolgskonzept entdeckt und arbeitet seither recht einseitig damit: Eingängige Refrain-Riffs treffen auf die schmerzerfüllt klingenden Schreie von Frontmann Kristoffer Olivius. Je weiter es in das Karriere-übergreifende Set geht, desto mehr fallen einem bei jedem Song die Klischee Balck Metal-Baukasten-Elemente auf. Am Ende wirken die Werke fast wie eine Black Metal-Version von AC/DC, was grundsätzlich nichts Schlechtes ist, aber sicher keinen Preis für Kreativität gewinnt. Den Fans scheint es (zurecht) nichts auszumachen, es ist heute bisher der vollste Auftritt im Backstage Werk. /LS
Setlist: Blades / Cerecloth / And the World Shall Be Your Grave / The Darkest Road / Vortex of Negativity / Feeding Moloch / Like Poison for the Soul / A Swarm Of Plagues / Harvest
Zwischen den großen Namen und anderen Attraktionen stellt der Auftritt von Merrimack im abendlichen Club eine besondere Perle des Sonntags dar. Die Franzosen spielen Black Metal mit durchaus moderner Note, aber orientiert an der zeit- und kompromisslosen, rohen, primitiven Negativität von Bands wie Judas Iscariot oder Sargeist. Nicht nur liefert die Band um Sänger Marc Obregon ein einwandfreies Set vor enthusiastischem Publikum ab; der Musik und der Attitüde der Musiker gelingt es mitunter, so etwas wie Genre-Transzendenz zu erreichen, sich den Stil ihres Ausdrucks zu eigen zu machen, anstatt ihn zu pflegen. /TJ
Nun ist es Zeit für den Headliner von Tag zwei: Thomas Gabriel Fischer alias Satanic Slaughter oder auch am besten bekannt als Tom G. Warrior haucht mit seiner Tribute Band Triumph of Death seinem ersten Projekt und mittlerweile Black Metal-Royalty Hellhammer neues Leben ein. Mit recht junger Bandbesetzung folgt eine 75-minütige Geschichtsstunde, angeführt vom wohl erfolgreichsten Schweizer Vertreter des Black Metal. Mit seinem ikonischen Look, bestehend aus schwarzer Mütze und der klassisch schwarzer Schminke um die Augen, führt Warrior seine sichtbar motivierten Schützlinge durch den Abend. Sich selbst nicht zu ernst nehmend werden die Songs anmoderiert, immer begleitet von zahllosen „Urgh!“-Rufen aus dem Publikum, denen Tom mit einem trockenen „Immerhin bin ich für irgendwas berühmt“ entgegnet. Trotz der Aggression der Musik und den ruppigen Moshpits hat der Auftritt fast etwas Familiäres, auch der Tribute-Faktor kommt nicht zu kurz. Seinem 2017 verstorbenen langjährigen „Partner in Crime“ Martin Eric Ain wird heute definitiv gebührend Respekt erwiesen. Alles in Allem ein klares Highlight des Festivals und beeindruckend, was für ein Kult aus einer „vor über 40 Jahren aktiven Demo-Band“ entstanden ist. /LS
Die Wiederbelebung dämonischer Inner- und Schweinereien muss frühzeitig verlassen, wer einen guten Blick auf eine der meistbeachtesten Black Metal-Bands der letzten Jahre haben möchte: Misþyrming. Düster, drückend, melancholisch, episch, catchy, lässig: Lauter passende Attribute für die Trilogie an hervorragenden Alben, die die Isländer seit 2015 veröffentlichten. Mit geschwärzten Gesichtern repräsentiert die Band auch visuell den Gewitterfronten-gleich dräuend anrollenden Charakter ihrer Musik. Ein besonderes Highlight des Sets stellt »Afbrigði VII« dar: Dieser erst am Karfreitag offiziell im Rahmen eines Albums veröffentlichte Wahnsinnssong gehört zwar eigentlich nicht in den Misþyrming-Werkskatalog, sondern in den von Sól án varma; nachdem diese isländische Black Metal-Supergroup mit Mitgliedern u. a. von Svartidauði, Carpe Noctem und Árstíðir Lífsins aber von Misþyrmings Gitarristen D.G. (auch Gesang) und T.Í. gegründet wurde, hat er an dieser Stelle durchaus seinen rechten Ort. Während Misþyrming musikalisch erwartungsgemäß auf ganzer Länge überzeugen, bleibt ihre Bühnenpräsenz insgesamt leider etwas blass und, so muss man trotz der Freude an ihrem Auftritt feststellen, hinter den Erwartungen zurück. /TJ
Setlist: Hælið / Orgia / Söngur heiftar / Með Harmi / Engin miskunn / Engin vorkunn / Ég byggði dyr í eyðimörkinni / Afbrigði VII / Ísland, steingelda krummaskuð
Eine letzte Band steht noch an, und mit Rotting Christ wartet ein echtes Schmankerl. Die wahrscheinlich erfolgreichsten griechischen Vertreter des Black Metal starten pünktlich zur Geisterstunde in den letzten Auftritt des Dark Easter Metal Meetings 2023. Jedes Mal wieder ist es überraschend, wie wenig das Optische hier zur Musik passt. Fast schon glatt und geschniegelt präsentieren Rotting Christ eine Black Metal-Lehrstunde. Leider ist das Backstage Werk nicht mehr ganz so voll wie bei Triumph of Death, bei vielen haben die zwei Tage volles Programm und Festival-Feeling wohl einfach ihren Tribut gezollt. Eine gute Stunde lang wird ein Best-Of der letzten nun schon 36 Jahre Bandgeschichte zelebriert, mit textsicherer Beteiligung des Publikums. Während der Rest der Band sichtbar Spaß hat, geht bei Frontmann Sakis Tolis einiges schief: Erst rutscht ihm nach Soundproblemen gleich zweimal das Kabel aus der Gitarre und dann bricht auch noch die Halterung des Gitarrengurtes aus. Nichts, was mit genügend neongrünem Tape nicht gerichtet werden kann, unbeeindruckt geht es weiter im Programm. Gegen Ende ihres Sets verirrt sich noch eine Tänzerin im Succubus Outfit auf die Bühne, ob geplant oder nicht ein eher unspektakuläres Showelement, das die Band weiter von der traditionellen Ästhetik des Black Metal distanziert. Mit „The Raven“ beenden Rotting Christ ihr mehr als sehenswertes Set und gleichzeitig eine einmal mehr überaus gelungene Ausgabe des nicht ganz so christlichen Osterfestes. /LS
Setlist: 666 / Kata Ton Daimona Eaytoy / Fire, God and Fear / dub-sag-ta-ke / Apage Satana / Elthe Kyrie / Demonon Vrosis / Societas Satanas (Thou Art Lord cover) / Non Serviam / In Yumen-Xibalba / Grandis Spiritus Diavolos / The Raven
HIER geht’s zum Bericht von Tag 1!
Es berichteten unsere Redakteure Tobias Jehle (TJ) und Luka Schwarzlose (LS).