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Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten – „M(3) – Eine Stadt sucht einen Mörder“ im Marstall (Kritik)
Nach der Hörspielfassung M(1) und dem Open Air-Abend M(2) auf dem Marstallplatz, wird die Reihe nun zu Ende geführt mit M(3) – Eine Stadt sucht einen Mörder (Hässliche Furcht oder schönste Gegenwehr?). Die markanten Motive aus M(1) und M(2) tauchen in Musik (Cathy van Eck) und Text hier wieder auf. Die ursprüngliche Inspiration liegt im gleichnamigen Film aus den 1930er-Jahren. Die Schlinge um den gesuchten Mörder, die symbolische Bedrohung gegen eine ganz Stadt, zieht sich zu. Premiere am 26. September 2020 im Marstall des Residenztheaters. Wurden die Möglichkeiten auf dem Marstallplatz bei M(2) perfekt ausgenutzt, indem zum Ende ein gesamter LKW auffuhr, kann das auch vom umgestellten Marstall bei M(3) behauptet…
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Schöne neue Welt? – „Das Erdbeben in Chili“ im Residenztheater (Kritik)
So recht vorhersagen lässt sich bei Neuproduktionen im Theater selten etwas, aber wenn sich Ulrich Rasche für eine Inszenierung verantwortlich zeigt, sind Live-Musik, ein stimmgewaltiger Ensemble-Chor und der immerwährende Lauf, zumeist in Form einer Drehscheibe, vorprogrammiert. Da ändern auch die verschärften Bedingungen in der Corona-Bedingungen nichts. So wird die Drehscheibe kurzerhand einfach größer, nicht als externes Element und nicht erhöh- oder kippbar. „Das Erdbeben in Chili“ von Heinrich von Kleist ist relativ kurzfristig auserwählt worden und mimt den Spielzeit-Start in die neue Saison des Residenztheaters. Ein lauter und wechselhafter Beginn. Die meisten Theater eröffnen derzeit mit einer Komödie – ein lockerer Einstieg, oftmals gut mit Abstandsregeln realisierbar. Zudem oft das,…
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Musik nur, wenn sie laut ist – „Gehörlosen-Hörspiel“ im Volkstheater (Kritik)
Das Münchner Volkstheater möchte mit dem Gehörlosen-Hörspiel gelebte Inklusion auf die Theaterbühne bringen. Die Anregungen hierfür findet sich in der zufälligen Bekanntschaft des Darstellers Steffen Link mit Steve Stymest, seines Zeichens Model und Fotograf, in einem Technoclub. Sie verstehen sich gut, fühlen sich zueinander hin gezogen, nutzen schließlich die Möglichkeit, das Thema Gehörlosigkeit im Volkstheater zu verhandeln. Das ist für beide Seiten ein Vorteil. Stymest kann seine Geschichte und die der Gehörlosen-Community selbst auf der Bühne performen. Das wäre sonst, so hart es klingt, nicht möglich, ist doch die Sprache elementar für etwa 99% der Inszenierungen am Theater. Darum heißt es schließlich Sprechtheater. Das Volkstheater kann sich seinerseits einer Minderheit…
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„Reich mir deine Hand“ – „Lieber nicht, Abstand!“ – „Die Zauberflöte“ im Gärtnerplatztheater (Kritik)
Das Gärtnerplatztheater eröffnet die Spielzeit mit einer Wiederaufnahme von Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Zauberflöte“ in neuer Besetzung und mit einigen Änderungen. Allen voran fallen natürlich die, auch nach der Sommerpause geltenden, Abstandsregelungen im Zuschauerraum auf. Jede zweite Reihe ist leer, zwischen den Zuschauer*innen bleiben je zwei Sitze frei. Sogar vor den Toiletten wachen die gewissenhaften Mitarbeiter*innen des Theaters darüber, dass zu jeder Zeit nur drei Personen sich den knapp bemessenen Raum teilen. Das Regiekonzept nach Rosamunde Gilmore, erstmals 2010 aufgeführt, wurde künstlerisch im Vergleich zu 2018 kaum verändert. Die eine oder andere Anpassung zum Infektionsschutz musste dennoch vorgenommen werden. So ist das Orchester auf elf Personen inklusive Dirigent Michael Brandstätter geschrumpft.…
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Freiheit für die Kunst – „Carmen Sedlmayr“ im Hofspielhaus (Kritik)
Dass das Hofspielhaus mit seinen Möglichkeiten, zumal in jetziger Situation, keine vollwertige Oper anbieten kann, ist völlig klar. Umso klüger erscheint also die Entscheidung, aus der Oper „Carmen“ eine eigene Version, ihres Zeichens eines Komödie, zu machen. Als Autor erweist Stefan Kastner dem privat betriebenen Theater neben Staatsoper und Kammerspielen die Ehre. Ehre vor Allem, weil derselbe bei Eröffnung des Hauses vor wenigen Jahren schon den Text für die allererste Inszenierung beisteuerte. Dass Betreiberin Christiane Brammer bei der Begrüßung vor 30 ZuschauerInnen erwähnt, man erinnere sich vielleicht an diese Inszenierung und Resonanz erfährt, lässt erahnen, dass am vergangenen Donnerstag, 10. September 2020, langjährige Fans und Liebhaber des Theaters anwesend waren.…
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Generation Faul? – „Probleme Probleme“ im Volkstheater (Kritik)
First-World-Problems, Luxusprobleme, Meckern auf hohem Niveau. Statt Shellac im Nagelstudio Gel bekommen, in der U-Bahn zu schlechte Luft und jeden Montag morgens wieder diese Qual: Aufstehen! Ein Konglomerat dieser Befindlichkeiten bringt Ingeborg Bachmann in ihrer Erzählung „Probleme Probleme“, die am 26. August 2020 am Münchner Volkstheater Premiere feierte. Ob der Text nun eine Karikatur jener Person ist, die wir alle im Freundeskreis haben und immer nur über absolute Belanglosigkeiten klagt, als hätte sie gerade eine Krebsdiagnose bekommen, oder ob eine Generation verwöhnter Großstadtgören aufs Korn genommen werden soll, der es so gut geht, dass sie nur noch herummeckern, entscheidet wohl jeder selbst. Drei Darsteller*innen widmen sich dem Text in etwa neunzig…
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Satz mit X – „Indien“ im Volkstheater (Kritik)
Im Netz gilt das Jahr 2020 bereits als Albtraum zukünftiger Schülergenerationen, die dieses Jahr irgendwann mal für eine Geschichtsklausur auswendig lernen müssen. Von Buschbränden in Australien zur weltweiten Verbreitung des neuartigen Coronavirus bis zu einer neue Umweltkatastrophe, als ein Öl-Transporter vor Mauritius havariert – die Liste ist endlos und es ist erst August. Jetzt hat am 14. August 2020 das wohl aktuellste Theaterstück der deutschen Theaterszene im Münchner Volkstheater seine Premiere gefeiert. Regisseur Simon Solberg hat in „Indien“ versucht, den aus den 90ern stammenden, gleichnamigen Kultfilm auf die Bühne zu bringen und zu aktualisieren. Die Inszenierung beginnt vielversprechend in einem Museum, der technik-vernarrte Mensch als Ausstellungsrelikt der Digitalisierung, die moderne…
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Die Gegnerschaft der Welt – „Der Bau“ im Volkstheater (Kritik)
Wenn sich Gebäude aus dem Boden heben, wenn stille Riesen aus Beton und Stahl den Himmel erklimmen, wenn sich Treppen in das Erdreich fressen – dann ist Architektur für manche Kunst, für manche stumme Geschichtsschreibung, für manche eine Lärmbelästigung. Aber Bauten haben auch immer eine Beziehung zu den Menschen, die sie erschaffen, die in ihnen leben und arbeiten oder die sie niederreißen. „Der Bau“ nach einer Erzählung von Franz Kafka, seit dem 7. August 2020 zu sehen im Münchner Volkstheater, beschreibt mit simplizistischem Genie die Beziehung zwischen absurdem Bau und paranoiden Bauherrn. Das Bühnenbild von Thilo Ulrich steht einsam auf der großen Bühne des Volkstheaters. Eine Konstruktion aus Eisen und…
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Humans Make The Earth Glow – „Das hässliche Universum“ im Volkstheater (Kritik)
„Lass alles liegen und stehen, alles muss brennen und in Flammen aufgehen“, heißt es in einem Lied der Münchner Band GWLT, das den passenden Titel „Alles muss brennen“ trägt. Auf diesen Ausspruch, auf diese Taten arbeitet der gesamte Abend von „Das hässliche Universum“ hin, das am 29. Juli 2020 im Münchner Volkstheater Premiere feiert. Es ist die zweite Neuproduktion der Sommerspielzeit und die erste im Saal selbst. Der präsentiert sich mit ausgebauten Sitzreihen und viel Abstand, aber im Applaus und zumindest Gefühl dann doch überraschend voll. Die Kammerspiele bringen zum Abschluss eine Eröffnung, das Volkstheater hält es zum Beginn mit einem Abschied – so suggeriert zumindest das leuchtende „The Goodbye…
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„Immer scheitern, wieder scheitern, besser scheitern“ – „Die Goldberg-Variationen“ im Volkstheater (Kritik)
Ein Sommer in der Stadt – Surfer am Eisbach, am Gärtnerplatz gemeinsam auf den Sonnenuntergang warten, im Englischen Garten die Sonne genießen. Niemand wird widersprechen, dass dieser Sommer für die meisten von uns außergewöhnlich ist oder sein wird. Auch die Münchner Theaterszene hat in diesem besonderen Sommer etwas Besonderes zu bieten. Unter dem Motto „Ein Sommer Theater“ hat das Volkstheater am 24. Juli 2020 mit der Inszenierung „Die Goldberg-Variationen“ die neue Sommerspielzeit eröffnet. Anstelle der altbekannten Sommerpause tritt diesen Sommer ein Programm mit insgesamt vier neuen, corona-konformen Produktionen, unter anderem auch auf einer temporären Gartenbühne im Innenhof. Wenn der Intendant Christian Stückl selbst Regie führt, sind die Erwartungen standardmäßig hoch…