Was für ein Tag! Thees Uhlmann, Musiker und Bestseller-Autor, besucht nach vielen Jahren des Wartens wieder musikalisch die Stadt München – und die Sonne kriecht heraus, selbst an diesem Sonntag, 29. September 2019, wahrlich nicht mehr die Sommerzeit. Aber egal, die kleine Club-Tour zum Release des neuesten Albums „Junkies und Scientologen“ läuft nun schon seit Mittwoch und geht langsam dem Ende entgegen, nun eben der vorletzte Halt im Süden von Deutschland. Das innerhalb weniger Minuten restlos ausverkaufte Ampere im Muffatwerk ist gefüllt von erwartungsvollem Publikum. Die erste gute Nachricht gleich zu Beginn: keine Vorband, 20 Uhr Start – mit 30 ärgerlichen Minuten zu spät geht es dann auch endlich los.
„Fünf Jahre nicht gesungen“ hat Thees Uhlmann, was er zugleich mit seiner fantastischen Band festhält. Ein Auftakt für über zwei Stunden schwelgen in seiner Diskografie, vor allem seiner Solowerke, aber auch mit Ausflügen in die Tomte-Zeit oder in die Zeit seiner Bewunderung für andere Künstler – insbesondere natürlich Die Toten Hosen. Über die hat er auch ein neues Buch geschrieben, das am 10. Oktober erscheint, kurz nach seiner neuesten Platte. Wirtschaftlich sinnvoll? Egal. Es ist fertig, also muss es raus. Sieht man sich Uhlmann an, der übermotiviert am Mikrofon seine Songs darbietet und so frisch und fit wie vielleicht nie zuvor wirkt (ignoriert man mal die deutliche, krankheitsbedingte Angeschlagenheit seiner Stimme), scheint es absolut die richtige Entscheidung zu sein.
Mit sechs Nummern präsentiert sich „Junkies und Scientologen“ an diesem Abend, Titeltrack inklusive. Es wollte nicht so recht klappen mit neuen Liedern, fast eine Schreibblockade. Aber dann eines Tages die Frage: „Wer bringt die Frauen nach den Hip-Hop-Video-Drehs nach Hause?“ Das war der Anfang einer langen und neuen Reise, die wohl Thees Uhlmanns stärkste Solo-Platte hinterlässt – egal, ob seine Liebeshymne an den verstorbenen DJ „Avicii“ oder die Stephen King-Hommage „Danke für die Angst“. Ansonsten gestaltet sich der Abend recht Debütalbum-lastig – ganze neun Songs landen vom #1er-Werk in der Setlist. Der Stimmung kommt es entgegen: textsicher singt das Münchner Publikum mit. Um 22:40 Uhr dann der letzte Ton von „Die Nacht war kurz (ich stehe früh auf)“. Zum Glück dauert es bis zum nächsten Mal keine fünf Jahre – am 7. Dezember besucht Uhlmann & Band die TonHalle. Dann auch in angemessener Größe für den deutschen Bruce Springsteen.
Uhlmann selbst an diesem Abend in Sprechlaune, reißt manch gelungenen, manch weniger gelungenen Scherz, sichert sich schnell die Sympathie des nicht zum Grölen aufhörenden Publikums und stellt einen neuen Rekord im Schreien des Wortes „Genial!“ auf. Hier und da rutscht ihm dann doch manch besonders schräger Witz und Vergleich heraus. „Zum Glück arbeiten sonntags ja keine Journalisten, die noch eine Review durchdrücken“ – sorry, Thees. Aber wenn man so charismatisch, gewitzt und von Grund auf ehrlich etliche Minuten verplappert, verzeihen wir dir alles. Außerdem hattest du ja den „Sabbelvirus“ (ja, genau den flachen Witz haben wir uns gemerkt! 😉 )
Setlist: Fünf Jahre nicht gesungen / Danke für die Angst / Die Toten auf dem Rücksitz / Zugvögel / & Jay-Z singt uns ein Lied / Das Mädchen von Kasse 2 / Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach Hip-Hop Videodrehs nach Hause fährt / Was wird aus Hannover / Lat: 53.7 Lon: 9.11667 / 17 Worte / Ich sang die ganze Zeit von dir (Tomte song) / Liebeslied (Die Toten Hosen cover) / Junkies und Scientologen / Sommer in der Stadt / Es brennt / Gold (Hayiti cover) / Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf – Zugaben 1: Römer am Ende Roms / Avicii – Zugaben 2: Schreit den Namen meiner Mutter (Tomte song) / Die Nacht war kurz (ich stehe früh auf)
Bericht: Ludwig Stadler