„Where Is My Mind?“, fragte die amerikanische Band Pixies im Jahr 1988 und markierte damit nicht nur den erfolgreichsten Song ihrer Diskografie, sondern zusätzlich ein Inbild des Indie-Rocks der Moderne. Ob man die Musiker, die erstmals Punk, Indie und Noise kombinierten, nun als damalige Trendsetter oder gar als Ursprung des heutigen Indie-Rocks bezeichnen kann, ist musikwissenschaftlich noch nicht geklärt, in jedem Fall haben sie in den letzten Jahrzehnten einen wahren Kult-Faktor erhalten und mit den Alben „Surfer Rosa“ und „Doolittle“ wahre Manifeste abgeliefert. Nun kommen die Pixies das erste Mal seit sechs Jahren zurück in die bayerische Landeshauptstadt, am 15. Oktober 2019 in die TonHalle. Das Konzert ist, wie zu erwarten, bereits weit im Voraus ausverkauft.
Um 20 Uhr obliegt es aber erst einmal dem Duo Blood Red Shoes, die Menge tatsächlich warmzubekommen und das nicht nur durch deutlich ansteigende Temperaturen zu erzeugen. Dafür haben sie sich zweiköpfige Unterstützung geholt, sodass eine wahre Soundwucht dem Zuschauer entgegenrollt, wenn die Gitarre beim Opener „Elijah“ einsetzt. Auch sonst weiß das Gespann durchaus zu überzeugen und die Menge einzuheizen, wenngleich allen voran Drummer Steven Ansell die Energie erzeugt und zum Schluss bei „Colours Fade“ sogar auf seinen Schlagzeugstuhl springt, um von dort aus die letzten Jubelstürme des Publikums zu genießen. Die fallen verhältnismäßig laut aus – kein Wunder, nach 30 Minuten verlässt die Band die Bühne mit einer wunderbaren Support-Show.
Setlist: Elijah / God Complex / Mexican Dress / Howl / Eye To Eye / Bangsar / Colours Fade
Was nun bei Pixies zu erwarten ist, bleibt ein großes Fragezeichen bis zum Konzertstart um 21 Uhr – das neueste Album „Beneath The Eyrie“ beweist allemal, dass sie noch großartige Musik produzieren können, wenngleich ihr Country-Rock-artiger Stil, gepaart mit Elementen des Rockabilly, weniger typisch für den üblichen Sound der Band steht. In München entscheidet man sich jedenfalls für einen wilden Mix aus der schier endlosen Diskografie der Band – kein Wunder, in 33 Jahren Bandbestehen sammelt sich Etliches an Material an. Respektabel und verwunderlich dennoch, dass man sich das unfassbare Pensum von knapp 40 Songs vornimmt, die in rund zwei Stunden Spielzeit zum Besten gegeben werden. Das gesamte neue Album paart sich dabei an unzählige Nummern der ersten beiden Werke und ein immer noch zahlreiches Sammelsurium der mittleren Alben. Das Konzert, so scheint es, als bei „Where Is My Mind?“ und direkt folgend „Here Comes Your Man“ bereits (oder erst?) 90 Minuten vergangen sind, nimmt wahrlich kein Ende.
Dabei transportieren Frontmann Black Francis und seine Mitmusikerinnen und Mitmusiker weniger euphorische Freude – im Gegenteil, teilweise wirken sie sogar etwas gelangweilt, während sie ihre Lieder darbieten, dabei zumeist im Dunkel der Bühne verschwindend und das Frontlicht meidend. Aber muss man bei Pixies etwas sehen, gibt es dazu gar einen Anlass? Die Musiker geben den weniger, letztendlich leben sie alleine von der Ausdrucksstärke der Musik – und die klingt so frisch wie vielleicht nie zuvor. Egal ob Francis Stimme, die genauso gut wie in den 80ern klingt, oder der statte Gitarrensound, der sowohl den Indie-, als eben auch Punk-Sound rüberbringt. Ein ordentliches Pensum haben sich die Herren und Paz Lenchantin am Bass dennoch vorgenommen – jeden Abend zwei Stunden am Stück, ohne Ansagen, ohne Pause, ist im Alter von Mitte 50 keine Selbstverständlichkeit. Das Publikum dankt es mit Jubel und wohl auch nostalgisch vorprogrammierter Freude. Bis zum nächsten Mal!
Setlist: Cecilia Ann (The Surftones cover) / St. Nazaire / Rock Music / Isla de Encanta / Brick Is Red / Break My Body / Los Surfers Muertos / Ana / Mr. Grieves / On Graveyard Hill / Wave Of Mutilation / Classic Masher / River Euphrates / Head On (The Jesus And Mary Chain cover) / Monkey Gone To Heaven / Hey / This Is My Fate / Catfish Kate / Gouge Away / Long Rider / Bone Machine / Cactus / Nimrod’s Son / Ready For Love / All The Saints / Death Horizon / Bird Of Prey / Ed Is Dead / Vamos / Where Is My Mind? / Here Comes Your Man / In The Arms Of Mrs. Mark Of Cain / Silver Bullet / Havalina / Daniel Boone / Caribou / U-Mass / Planet Of Sound – Zugabe: Debaser
Bericht: Ludwig Stadler