Sie zählen zu den absoluten Instanzen im Metal und wohl zu größten Symphonic Metal Band der Welt: Nightwish! Am kommenden Freitag, 10. April, erscheint ihr neuestes Album „Human. :||: Nature.“, trotz der Krisenzeit bleibt das Release bestehen. Als das Reisen noch erlaubt war, durften wir Sängerin Floor Jansen und Multi-Instrumentalist Troy Donockley einige Fragen zu Album, Bandleben und München stellen. Viel Spaß beim Lesen!
Troy: Hi, wer bist denn du?
Kultur in München: Ich bin Jana von Kultur in München. Wie viele Interviews habt ihr heute schon gegeben?
T: Ach, nicht so viele, ungefähr 67 (lacht). Wir machen das seit 11:00 Uhr heute morgen…
Kultur in München: Wenn ich eine Frage stelle, die euch heute schon gestellt wurde, dann sagt das gerne. Seit wann seid ihr jetzt unterwegs?
Floor: Wir sind letzte Nacht losgefahren, das ist also der erste Tag.
Kultur in München: Dann seid ihr also noch frisch und unverbraucht?
F: Nein, wir sind heute früh um vier losgefahren. Mein Flug ging um 6:00 und Troys um 6:30 Uhr. Frisch ist also relativ, aber wir sind immer noch besser drauf, als wenn wir schon zehn Tage unterwegs wären.
Kultur in München: Erinnert ihr euch an die Städte, durch die ihr reist?
T: Manchmal
Kultur in München: Städte wie München?
T: Ja, ich erinnere mich an München!
F: Wir waren ja schon so oft hier!
Kultur in München: Habt ihr dann die Zeit, Sightseeing zu machen oder bringt euch das nur unter Druck, neben Reisen und Konzerten auch noch die Städte zu besichtigen?
F: Doch, das haben wir in den ersten fünf Jahren als Musiker auf Tour gemacht. Nicht, dass es uns heute nicht mehr interessieren würde, aber wir haben einfach vieles schon ein, zweimal oder gar öfter gesehen. Ich mache das jetzt schon 20 Jahre und du seit 564 Jahren (lacht).
T: Seit 566 Jahren! (lacht)
Kultur in München: Habt ihr eine Routine mit euren Familien?
T: Nicht so wirklich. Ich meine, Floor hat ein kleines Kind, eine kleine Tochter. Sie hat also momentan ein vollkommen anderes Leben als wir anderen.
Kultur in München: Floor, ist es anstrengend für dich, nicht bei deiner Tochter zu sein?
F: Nun ja, ich bin ja jetzt auch nicht zuhause, wie die meisten Eltern nicht rund um die Uhr zuhause sind, nur weil sie Kinder haben. Es geht einfach darum, eine Balance zwischen der Arbeit und der Familie zu schaffen. Was für jeden gilt, der Beruf und Familie verbinden möchte. Wenngleich unsere Balance sicher etwas anderes ist als die jener Eltern, die einem normalen Job nachgehen. Aber ich muss sagen: wenn ich mich mit Freunden oder meiner Schwester vergleiche, die eher Nine-To-Five-Jobs haben, dann verbringe ich mehr Zeit mit meinem Kind, als sie das kann. Einfach weil ich wirklich da bin, wenn ich mal zu Hause bin, und Nightwish war immer sehr offen und gab mir die Möglichkeit, sie mitzunehmen und das zu verbinden, wenn wir längere Reisen unternommen haben. Zum Beispiel auf unserer ersten langen US-Tour. Da haben wir sieben Wochen gemeinsam verbracht und sie war die gesamte Zeit bei mir. Dann in der vorherigen Tour gab es eine längere Zeit in Europa, auch da konnte sie die gesamten sechs Wochen bei mir sein. Ich musste also nie länger als drei Wochen von ihr getrennt sein. Doch schon das ist schrecklich lange! Daher bin ich sehr dankbar für diese Möglichkeit.
Kultur in München: Gab es zwischen Nightwish und euren eigenen Projekten jemals zeitliche oder stilistische Überschneidungen?
T: Nein, diese Dinge werden immer im voraus abgewogen, sodass wir wissen, wann wir frei haben. Wann immer wir also lange frei haben, können wir andere Dinge machen. Wann immer Nightwish unsere Zeit in Anspruch nimmt, richten wir uns ganz danach!
Kultur in München: Nightwish ist also euer Hauptprojekt.
T: Ja, im Moment auf jeden Fall!
F: Ich würde es nicht einmal Projekt nennen. Nightwish ist meine Band, mein Lifestyle und alles andere dreht sich rund um Nightwish. Also alle meine eigenen Projekte, alles was in den Niederlanden passiert, mache ich nebenbei.
T: Ja, das sind alles ergänzende Abenteuer.
F: Nightwish bestimmt unser Leben voll und ganz!
Kultur in München: Wenn ihr dabei seid, ein neues Album aufzunehmen, kommt Tuomas dann ins Studio und hat Texte und Melodien bereits fertig oder gibt es einen gemeinsamen Schöpfungs- und Probenprozess?
F: Letzteres.
T: Er stellt die groben Demos zusammen, also bei allen Songs die meisten Keys und die grundsätzlichen Elemente, und dann tauchen wir gemeinsam ein und versuchen diese zu interpretieren. Wir machen das Arrangements zusammen, wir verändern Dinge oder nehmen manche raus. Jeder versucht, seinen Part so zu kreieren, wie es für den Song am besten passt. Tuomas ist dafür sehr offen!
Kultur in München: Was würde denn passieren, wenn er mit etwas um die Ecke kommt und ihr findet es… komisch?
Beide (lachend): Das ist noch nie passiert.
T: Aber es ist eine wirklich gute Frage. Also es ist wirklich nie passiert. Er hat ein sehr feines Gespür, das einzuschätzen, und einen sehr hohen qualitativen Anspruch. Er weiß also schon vorher, was vermutlich nicht funktionieren würde. Er weiß sehr genau, was wir mögen und wir wissen auch, was er mag.
Kultur in München: Da er nicht im selben Land wohnt, wie eng steht ihr im Kontakt, wenn ihr nicht gerade für Nightwish zusammenarbeitet?
T: Nunja, wir bleiben im Kontakt…
Kultur in München: Habt ihr eine WhatsApp-Gruppe, in der ihr Fotos austauscht?
Beide lachen
T: Die haben wir tatsächlich!
F: Ja, ganz genau so eine haben wir. Ich meine, wir sind auch nur sechs Leute und natürlich hat man nicht zu jedem das gleiche Verhältnis in so einer Gruppe. Deshalb gibt es Menschen, denen du näher stehst als anderen. Dementsprechend treffen sich manche von uns auch privat oder machen noch Musik zusammen, aber wir sind definitiv übers Internet im engen Kontakt. Und es ist ohnehin ein verrücktes Ding mit der Zeit. Wann immer wir uns verabschieden, nach der letzten Show oder nachdem die letzte Aufnahme fertig ist, und wissen, wir sehen uns jetzt für Monate nicht, das fühlt sich im ersten Moment ganz furchtbar an. Und dann vergeht diese Zeit auf der anderen Seite so schnell! Wenn wir uns wieder treffen, fühlt es sich an wie gestern.
T: Genau es fühlt sich an wie vor einer Sekunde, dabei haben wir uns fast ein Jahr lang nicht gesehen.
Kultur in München: Ihr habt also, wann immer ihr euch wieder seht, sofort den gleichen Vibe? Oder braucht es einige Zeit, um euch wieder einzugrooven?
T: Nein, die brauchen wir nicht. Wir haben eine Art freundschaftliche Basis, mit der die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert. Diese Basis ist sehr stabil und wir kennen uns gegenseitig sehr gut und wissen voneinander, wie wir arbeiten. Das ist eine unheimlich komfortable Situation, weil sie uns sehr viel Freiheit ermöglicht.
F: Wir können wirklich wir selbst sein!
T: Wir müssen uns nichts vorspielen, wir brauchen nicht oberflächlich sein.
F: Es gibt keinerlei sozialen Druck.
T: Ganz genau, nichts dergleichen. Wir sind sehr glücklich, dass wir das als Band haben. Dass wir einfach Spaß zusammen haben.
F: Ganz besonders unter Berücksichtigung dessen, dass wir aus verschiedenen Kulturen kommen. Wir vereinigen drei verschiedene Kulturen in unserer Band!
Kultur in München: Stichwort Vorspielen und Oberflächlichkeit: wie wichtig schätzt ihr die Musikvideos, die Shows und euer Äußeres ein, im Vergleich zu eurer Musik, der man schließlich nur zu hören kann?
F: Ich denke, zu sehen, wie die Musik entsteht, die man sonst nur hört, macht sie erst lebendig. Das ist eine so andere Erfahrung als zu Hause das Album zu hören. Das sollte also der Grund sein, zu einer Show zu kommen, sie holt dich aus deiner Komfortzone und vereint dich mit all den anderen Menschen, um etwas einzigartiges zu erfahren. Diese Erfahrung hat für mich nichts mit Oberflächlichkeit zu tun oder mit Vorspielen. Was wir sind und was wir zeigen, das sind wir!
T: Wir sind sehr authentisch!
F: Musikvideos sind allerdings etwas anderes. Weil wir da versuchen, das zu visualisieren, was die Songs verarbeiten. Beispielsweise beim Song, den wir gerade heraus gebracht haben, „Noise“. Da wurde ernsthaft in Betracht gezogen, als Band im Video gar nicht zu sehen zu sein. Ich persönlich war eine derjenigen die sich das aber wirklich gewünscht hat, weil ich denke, dass Fans das mögen und deshalb bin ich super happy, dass wir zu sehen sind.
T: Das bin ich auch!
F: Aber wir spielen nicht uns selbst. Wir sind nicht als Musiker zu sehen. Wir stehen da nicht und singen in die Kamera. Wir waren also zu sehen, um die Message des Songs zu visualisieren, aber nicht als Musiker oder Bandmitglied.
Ich sehe diese Dinge wirklich getrennt voneinander, weil die Erfahrung eines Live Konzertes einfach eine emotionale Erfahrung ist. Wir möchten, dass die Leute abschalten. Wir wollen sie auf eine Reise, ein Abenteuer mitnehmen, aus ihrer kleinen Blase des Alltags heraus. Du gehst dahin, um zu relaxen, um etwas ganz Neues zu erleben, ganz fern von allem, was bei dir zu Hause abgeht, und ich glaube, das ist eine sehr einzigartige Sache. Ganz besonders in einem Zeitalter, in dem alles getimet ist, alles eine Deadline hat und rasend schnell passieren muss. In einer Zeit von so kurzen Aufmerksamkeitsspannen, die so schnelllebig ist, versuchen wir mit unserer zweistündigen Show einen Eindruck zu hinterlassen, der außerhalb von Zeit und Raum passiert. Wir hoffen, dass die Menschen, die da sind, einfach bei uns sind, für diesen einen Abend!
T: Das Ironische ist: auf unserer letzten Show hatten wir diese Ansage zu Beginn, die die Leute aufforderte, ihre Handys mal beiseite zu lassen, sie wegzustecken und die Show zu genießen. Doch das erste, was du siehst, wenn du auf die Bühne kommst, sind Telefone, ein Meer aus Handy. Das hat also nicht richtig funktioniert, aber wenigstens haben wir uns dabei gut gefühlt. (lacht)
Kultur in München: Da der zweite Teil des Albums zumeist instrumentale Musik ist: wie viele der Tracks werden in der Show gespielt werden?
Beide: Keine.
Kultur in München: Warum?
F: Weil wir das nicht als Band spielen.
T: Es ist ein Orchester, das die Songs eingespielt hat. Wir könnten das gar nicht, weil wir als Band nicht involviert sind.
Kultur in München: Das habt also nicht ihr eingespielt?
T: Nein, den instrumentalen Teil nicht, außer Floor, sie singt einige Teile ein. Aber die restliche Band ist nicht involviert. Wir können das also nicht wirklich machen. Wir werden in der Liveshow darauf verweisen, aber nur für dramatische Effekte zum Ende der Show hin.
Kultur in München: Wie ist euer Publikum? Fans von allen Liedern und nicht nur von einigen Stücken, die ihr mal gemacht habt?
T: Ja, auf jeden Fall!
F: Natürlich haben Leute Präferenzen und Lieblingstitel. Aber über all die Jahre haben wir so vielfältige Musik rausgebracht, mit sehr harten wilden Tracks und super ruhigen Sachen. Genau dasselbe machen wir in den Liveshows: wir laden die Leute einfach ein, mit uns auf diese Reise zu gehen, was natürlich nicht bedeutet, dass jeder alles mag. Es wird immer Leute geben, die ihre Lieblingstitel haben und die Diversität des Publikums hat auch damit zu tun, wo wir spielen. Es kommt darauf an, ob in den USA oder hier oder in Südamerika… Das sind unterschiedliche Altersgruppen. Ja, das kann man heute wirklich sagen.
T: Das ist eine wundervolle Sache bei unserem Publikum. Denn die erste Reihe, das sind alles junge Kids. Das Alter steigt stetig an mit den hinteren Reihen, und ganz hinten hat man sogar Leute in Rollstühlen, die dahin kommen und mit uns feiern. Die haben dann ihr Pflegepersonal dabei. Es ist also wirklich alles dabei!
F: Wir hatten auch schon Shows in den Staaten und in Kanada in Theatern. Und da waren wirklich alte Leute. Wirklich alt! Und wir dachten schon: ohje, vielleicht haben sie das Datum verwechselt. Vielleicht haben sie irgendwas erwartet, aber nicht uns.
T: Ja, wirklich alles außer uns! (Beide lachen)
F: Und wir hatten Angst, dass sie einen Herzinfarkt bekommen, wenn wir auf die Bühne gehen, aber sie waren alle unseretwegen gekommen. Und manche von ihnen sangen sogar die Texte mit!
T: Manche von ihnen haben versucht, aus ihren Rollstühlen aufzustehen, um mit uns zu headbangen. Ja es ist toll! Wir haben ein großartiges Publikum, eine tolle Fanbase!
Kultur in München: Das klingt wirklich toll! Vielen Dank für eure Antworten.
F: Es war uns eine Freude.
T: Ja, danke dir!
Kultur in München: Wir wünschen eine großartige Tour und viel Spaß auf eurer folgenden Interviewreise!
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