Ist Masseneuphorie reproduzier- und eine Ära konservierbar? Seit 2012 besteht die erfolgreiche Londoner Tribute-Show „Let It Be” und versucht genau das auf die Beine zu stellen. Bei ihrer Premiere im Deutschen Theater am 30. Oktober 2018 nimmt die Beatles-Coverband (Emanuele Angeletti, Michael Gagliano, John Brosnan und Ben Cullingworth) die Zuschauer mit auf eine Zeitreise durch die Erfolgsgeschichte. Von der Royal Variety-Performance, über Abbey Road bis zum fiktiven Reunion-Konzert 1980 werden chronologisch die Bandperioden der Fab Four mithilfe von detailgetreuen Kostümen, Stimmnuancen und Gesten nachgestellt. Auf vier Monitoren im Retrostil rahmen Originalaufnahmen der 60er-Jahre die Atmosphäre ein: Werbefilme, Vietnamkrieg-Proteste, hysterische Fans.
Die eigentliche Geschichte der Beatles wird jedoch auf die Videoeinspielungen limitiert, die Performer selbst unterhalten ausschließlich durch das Konzert, wenigen Gags und das Animieren des Publikums. Auch wenn eine (Musical-)Handlung ausbleibt, porträtieren sie mithilfe fein abgestimmter Gesten und Kommentare die Entwicklung der Bandmitglieder. Seien es Neckereien zwischen John und Paul oder anfängliche Zurückhaltung von George und Ringo. Insofern fällt auch nicht stark ins Gewicht, wenn Ringos Schnauzer während des Auftritts mal runterfällt oder die Performance leicht mechanisch wirkt.
Doch Authentizität bis ins Detail steht allem Anschein nach auch hinsichtlich der Soundqualität auf dem Programm, wodurch die Erfahrung zunächst etwas beschwerlich ausfällt. Krachende Lautsprecher und Stadion-Sound müssen nicht als priorisiertes Kriterium für die Vermittlung von Echtheit dienen, an Stelle dessen wäre mehr inhaltlicher Output wünschenswert. Letztlich ist es auch bei noch so großem Bemühen der Band schwer, Euphorie zu zeigen, sitzt man doch in weichen Theatersesseln. Im Laufe der Show bessert sich dies zumindest im Zuge wiederholter Mitmach-Aufforderungen und es scheint Sound und psychodelische Projektionen tragen zur Lockerung der Atmosphäre bei.
Konnte also die revolutionäre Aufbruchstimmung von Sex, Drugs & Rock ‘n’ Roll tradiert werden? Vermutlich nicht. Zwar geben die Aufnahmen vergangener Ereignisse und blumenbestückter Hippies einen Hauch des Lebensgefühls wieder, in die damalige Beatlemania wird man dennoch nicht versetzt. Spätestens wenn bei „Imagine“ alle ihre Handylichter zücken und auf den Monitoren das Publikum zu sehen ist, ist man wieder in der Realität angelangt.
Weitere Vorstellungen: 1./2./3./4. November
Kritik: Dayana Hristova