Another World – Joe Jackson in der Muffathalle (Konzertbericht)

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Selten passiert es, dass man einen so konsequenten Altersschnitt an Menschen bei einem Konzert begegnet. Selbst bei jungen Rappern finden sich einige Eltern, die auf ihre Kinder aufpassen – an diesem 1. April 2019 pilgert ausnahmslos die Generation Ü40 in die Muffathalle. Wenn wir also den Schnitt gleich mehrere Jahre runterziehen, sind wir entweder bei einem rein nostalgischen oder tatsächlich einzigartig-speziellen Künstler einer anderen Zeit gelandet. Zum Glück ist letzteres der Fall: Joe Jackson beehrt München an diesem Montag. Seine große Zeit war zwar in den 80er-Jahren, sein Schaffen ist aber bis heute einzigartig.

Eine Vorband gibt es nicht. Jackson erlaubt sich einige Minuten Verspätung, startet dann aber kurz nach 20 Uhr in sein langes, ausgedehntes Set mit „Alchemy“. Seine Musiker steigen nach und nach ein, der Meister selbst nimmt als Letztes Platz am Piano und den Keyboards. Dort bleibt er dann auch sitzen, auch bei Songs seiner punkigen Phase Ende der 70er-Jahre – mit knapp 65 Jahren allerdings auch legitim. Als reiner Rock-Sänger war er nie bekannt, inzwischen liebt er auch wesentlich mehr die jazzigeren und ruhigeren Titel seiner Diskografie, die den Großteil des Programms einnehmen. Das Publikum genießt, jubelt, singt hier und da mit – so richtige Tanzfreude kommt dann aber doch erst bei den Klassikern wie „Sunday Papers“ oder „Got The Time“ auf.

Was man genau bei einem Joe Jackson-Konzert bekommt, bleibt solange ein Geheimnis, bis man es besucht hat. Während seiner aktuellen „Four Decade“-Tour gibt es interessanterweise keinen Fokus. Ein möglichst großer Querschnitt, so Jackson – aber natürlich auch einige Lieder der neuen Platte „Fool“. Diese könnte abwechslungsreicher kaum sein. Spätestens als er den Progressive-Rock-Kracher „Fabulously Absolute“ und direkt danach ruhige „Strange Land“ darbietet, wird wieder einmal die irrsinnige Bandbreite des Künstlers deutlich. Streckenweise rutscht Jackson in München allerdings zu etwas zu gemächlicher Songauswahl ab – in der Mitte des Sets gibt es einen kleinen Durchhänger. Musikalisch können er und seine Band das aber größtenteils einfach wegspielen.

Graham Maby, bereits zu Band-Zeiten in den 70ern aktiv, bleibt seinem Kollegen bis heute treu, auch 2019 spielt er noch den Bass, virtuos wie damals, nur ein wenig ruhiger vielleicht. Teddy Kumpel, Mann an der Gitarre, sieht ein wenig aus wie eine Kreuzung aus John C. Reilly und Nick Nolte, gefangen im Outfit von Angus Young, spielt aber sichtlich glücklich und wesentlich gekonnter sein Saiten-Instrument. Auch Drummer Doug Yowell trommelt sich euphorisch durch laut und leise – teilweise so motiviert, dass er bei „Real Man“ kurzerhand mehrere Sticks zersplittert. Ein bisschen Rock’n’Roll steckt dann wohl doch noch in allen Bandmitgliedern.

Bei „Steppin‘ Out“, erstmals in der Originalfassung dargeboten, schmiert plötzlich die Drum-Machine aus den 70ern ab. Aber Jackson ist ein Profi und spielt kurzerhand eine Piano-Fassung von „Home Town“, während Yowell und sein Assistent alles wieder richten. So findet der Abend dann doch noch nach über zwei Stunden um 22:15 Uhr sein Finale und endet so, wie er begonnen hat – mit „Alchemy“. Beim nächsten Besuch wäre es aber doch nicht verkehrt, sich eine Sache bei Jackson für das Publikum abzusehen – nämlich das Sitzen. Ein jazziges Jam-Konzert schreit nach Bestuhlung. Für ewige Klassiker wie „One More Time“ und „Is She Really Going Out With Him?“ kann man aufstehen – und ausgelassen tanzen, wie jedes Mal. In jedem Jahrzehnt. Und mit jedem Alter.

Setlist: Alchemy / One More Time / Is She Really Going Out With Him? / Another World / Fabulously Absolute / Strange Land / Stranger Than Fiction / Real Man / Cancer / Rain (The Beatles cover) / Invisible Man / Wasted Time / Friend Better / Fool / Sunday Papers / King Of The World (Steely Dan cover) / You Can’t Get What You Want (Til You Know What You Want) / Ode To Joy / I’m The ManZugaben: Home Town / Steppin‘ Out / Got The Time / Alchemy

Bericht: Ludwig Stadler