Lange angekündigt und durch ganz Europa gereist, verschlägt es das Trio aus gleich drei international gefeierten Bands der Punkrock- und Emocore- Szene am 11. Oktober 2022 nach München und zwar in die TonHalle. Bereits 19:00 Uhr spielt die Vorband, der ganze Abend wird erst kurz vor Mitternacht sein Ende finden. Geboten wird die Kombination aus Be Well, Samiam, gefolgt von Hot Water Music und schlussendlich Boysetsfire. Die Massen trudeln langsam in der TonHalle am Ostbahnhof ein und der Saal füllt sich Stück für Stück. Viele stehen draußen, genießen das Wetter bei Bier und Kippe. Alle freuen sich. Viele der Zuschauer*innen kennen die Bands zeit Jahren, sind mit ihnen aufgewachsen und schon in ihren Teenagerzimmer dazu abgegangen. Da hat es Be Well als Vorband etwas schwerer. Dazu kommt, dass aufgrund technischer Schwierigkeiten der Sound in der Abmischung eher so mittelmäßig ist – schade! Das Problem hat Samiam nicht. Sie spielen unter anderem mit der neuen Single „Lights Out Little Hustler“ auf, in deren Text Selbstverwirklichung, der Kampf um die eigenen Gefühle und der Wunsch geliebt zu werden, zum Ausdruck kommen. Doch auch All-Time-Favorites wie „She Found You“ oder „Sunshine“ werden natürlich nicht ausgelassen, sehr zur Freude der Fans. Da ist die Location schon voller und es kommt die Stimmung auf, die man von einem solchen Konzert erwartet: Ausgelassenheit, Bewegungsdrang und zunehmend Fans die dem Bier bereits sei 18:30 Uhr fröhlich zugesprochen haben.
Mit Hot Water Music kommt dann der Act mit der größten internationalen Reputation: Groß sind die Erwartungen, da vor allem Chris Cresswell und Chuck Ragan bekanntlich mit starker Energie und Präsenz ihre Shows spielen und mit dem Publikum interagieren. Schon als die Jungs die Bühne betreten, dreht das Publikum (für Münchner Verhältnisse) durch. Bemerkenswert ist bei dieser Gruppe, wie sie zu 100% professionell abliefern, was viele andere an die Grenzen der Möglichen treiben würde. Zum Beispiel das extreme Tempo in Songs wie „State of Grace“. Anderseits wird hier auch deutlich, wie professionell die Mannen agiere – denn bloß weil hier gebrüllt, gerockt und im Publikum die Leute auf Händen getragen werden, heißt das für die Band nicht Ausnahmezustand; sie machen das beruflich und nicht erst seit gestern. München ist der fünfte Abend in Folge, an dem diese Show abgeliefert wird. Nicht falsch verstehen: Hot Water Music bringen den Fans den Spaß, den sie ersehnt haben. Die Stimmung ist super und auch die Dramaturgie der Setlist mit intensiven Klassikern, zu denen alle abgehen, andächtigen Tracks, nur mit der Gitarre begleitet, und Songs von der neuen Platte ‚Feel the Void‚, bieten genau das Auf und Ab der Gefühle, was man sich von einem so einem Konzert wünscht. Allein: Hier passiert nichts Überraschendes. Jeder Handgriff, jede Ansage stimmt, alle haben Spaß, alles läuft wie gewünscht, wie erwartet.
Setlist: Another Breath / A Flight And A Crash / Free Radio Gainesville / Sweet Disasters / Turn The Dial / Rooftops / Habitual / State Of Grace / Keep It Together / Remedy / Instrumental / Collect Your Things And Run / I Was On A Mountain / Old Rules / Drag My Body / Killing Time / Trusty Chords / Turnstile
Wenngleich Boysetsfire, die dem Genre Post-Hardcore entstammen, erst kommen, als die Crowd bereits drei Stunden mit Tanzen, Headbanging, Moshpit verbracht hat, lässt es sich Frontman Nathan Gray nicht nehmen, sich bei allen fürs Kommen zu bedanken und die TonHalle immer wieder zu fragen, ob es alle gut ginge, ob alle Spaß hätten. Diese fürsorgliche Art, die augenscheinlich im Widerspruch zur so harten, lauten Musik steht, macht diese Abende so angenehm. Hier hat jeder Spaß – erwachsene, breitschultrige Männer springen sich gegenseitig über den Haufen, doch sobald jemand aus dem Gleichgewicht gerät, sind alle sehr darauf bedacht, dass er sich wohl fühlt und hier beim Tanzen, beim Springen oder beim Trinken ja nichts passiert. Musikalisch kommen sie etwas melodischer, etwas zurückhaltender daher, mehr Clean-Gesang als als Hot Water Music, was den Abend perfekt abrundet. Boysetsfire gibt hier wirklich noch einmal ALLES. Von allen Acts des Abends legen sie die meiste Energie in ihre Show, was das Publikum zum Ausrasten bringt.
Eine nachdrückliche Ansprache von Nathan gegen Homophobie bringt eine weit tiefere Bedeutung in den Abend als die (zum Teil schon so oft gehörten) Texte es könnten. Schließlich hat er sich erst in diesem Jahr geoutet. Dass eine ganze Halle schwarz gekleideter, sehr maskulin anmutender Männer (ja, das Publikum ist sehr homogen) laut klatscht und jubelt, wenn dieser gestandene Charakter in der Szene leidenschaftlich dafür spricht, aufzustehen, wenn man Zeuge von Homophobie wird, setzt wirklich ein Zeichen. Es beweist dass all die Texte darüber, zu sich, zu seinen Idealen und zu seinen Leidenschaften zu stehen, dafür zu kämpfen und es gleichgültig ansehen, was andere denken, wirklich etwas bedeuten! Dieser Abend ist also rundum gelungen – ein Feuerwerk aus Erinnerungen an die Jugend.
Setlist: After The Eulogy / Release The Dogs / Voiceover / The Tyranny Of What Everyone Knows / Deja Coup / My Life In The Knife Trade / Another Badge Of Courage / One Match / Requiem / Eviction Article / Closure / Cutting Room Floor / Rookie – Zugaben: Walk Astray / Empire / True Believers (The Bouncing Souls cover)