Das Gärtnerplatztheater eröffnet die Spielzeit mit einer Wiederaufnahme von Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Zauberflöte“ in neuer Besetzung und mit einigen Änderungen. Allen voran fallen natürlich die, auch nach der Sommerpause geltenden, Abstandsregelungen im Zuschauerraum auf. Jede zweite Reihe ist leer, zwischen den Zuschauer*innen bleiben je zwei Sitze frei. Sogar vor den Toiletten wachen die gewissenhaften Mitarbeiter*innen des Theaters darüber, dass zu jeder Zeit nur drei Personen sich den knapp bemessenen Raum teilen. Das Regiekonzept nach Rosamunde Gilmore, erstmals 2010 aufgeführt, wurde künstlerisch im Vergleich zu 2018 kaum verändert.
Die eine oder andere Anpassung zum Infektionsschutz musste dennoch vorgenommen werden. So ist das Orchester auf elf Personen inklusive Dirigent Michael Brandstätter geschrumpft. Damit könnte nun eine große Diskussion über die Umsetzung der künstlerischen Intention Mozarts einher gehen. ‚Darf man das denn?‘, könnten Mozart-Fans fragen. Ginge es um eine Wagner-Oper, würden die Wagnerianer ‚Das darf man doch nicht!‘ deklamieren. Die Leitung des Gärtnerplatztheaters hat sich allerdings bei der Wiederaufnahme für Savety First und unbedingten Spielbetrieb entschieden. So oder eben gar nicht. Am 11. September 2020 eröffnete die Spielzeit mit der Familienvorstellung. Dass es dabei nicht um die Fülle eines voll besetzen Orchestergrabens gehen muss, sondern mitunter auch darum, für kleine Operngänger*innen einmal ein Gefühl für die Melodien Mozarts zu bekommen, spricht absolut für die reduzierte Besetzung.
Was das Ensemble betrifft, waren doch recht viele Darsteller*innen auf der Bühne, wenngleich selbst das Ballett stets auf Abstand tanzte. Das Bühnenbild, wie 2018 von Friedrich Oberle, wurde gänzlich auf eine dem Zuschauerraum zugeneigte Schräge reduziert. Die angedeutete Häuserkulisse ist also verschwunden. Die Abstandsregelungen bringen choreografisch allerdings wirklich Schwung! Da zum Beispiel zu Beginn schon die den Tamino (Gyula Rab) umschwärmenden drei Damen (Mária Celeg, Anna-Katharina Tonauer, Anna Agathonos) nicht so zudringlich auftreten können, umkreisen sie in spannungsvollen Tänzchen den Protagonisten. So verhält es sich im Allgemeinen bei Gruppenszenen. Drängen sich, wie auf älteren Presseaufnahmen gut zu sehen, sonst die Glaubensbrüder des Sarastro (Sava Vemić) um denselben, entstehen nun wirklich ästhetische Anordnungen, die den gesamten Bühnenraum ausnutzen.
Vemić brilliert in Gesang und Ausstrahlung übrigens mit Abstand, wenngleich auch alle anderen Sänger*innen wunderbar überzeugen. Aleksandra Jovanovic präsentiert die Königin der Nacht beispielsweise als sehr ambivalente und komplexe Figur, was sonst eher aus dem Sprechtheater bekannt ist. Auch die Verliebten, Tamino und Pamina (Judith Spießer), transportieren eine so verspielte Energie, dass es eine wahre Freude ist, die Zweisamkeit zu bestaunen. Publikumsliebling in dieser Inszenierung ist natürlich Papageno,in dessen Verkörperung Daniel Gutmannin verblüffenden Ähnlichkeit zum Habitus von Komikerikone Otto Waalkes daher kommt.
Fazit zur Spielzeitpremiere mit der neu besetzen Zauberflöte unter Corona-Maßnahmen: Das Gärtnerplatztheater ist noch immer sehr vorsichtig. Hier kann sich jeder*r sicher fühlen! Die Getränkeversorgung ist wie gehabt vor dem Theater im Freien aufgebaut, was das Gedränge während der Pause verringert. Dennoch wird das Publikum beim Anstehen um einen Spritz zur Hälfte des Abends etwas legerer mit den Abständen. Das ist jedoch weder den Zuschauer*innen und schon gar nicht dem Theater anzulasten, zumal sich auf dem Gärtnerplatz Abend für Abend die halbe Stadt ohne Bedenken drängt. Innerhalb des Hauses sind die Gastgeber*innen sehr gewissenhaft. Diese Rücksicht zieht sich durch bis ins Orchester, dem man absolut anmerkt, wie glücklich jede/r Musiker*in ist, wieder zu spielen. Sogar die Darsteller*innen halten Abstand, wovor die Ästhetik mitunter profitiert. Das geht soweit, dass Tamino die ihm angebotene Hand zum Aufstehen ablehnt und das Gegenüber mit „Hast Recht, Abstand!“ kontert, das liefert natürlich im Saal Sympathie ohne Ende. Und zwar absolut verdient. Die Sicherheit nimmt das Gärtnerplatztheater also ernst, die Kunst auch, sich selbst immer nur mit einem Augenzwinkern. So startet die neue Spielzeit ganz ausgezeichnet!
Kritik: Jana Taendler