Success? Success Is Survival – Therapy? im Backstage (Konzertbericht)

Quelle: http://www.therapyquestionmark.co.uk/gallery/therapy-promo-shots-2015-all-images-by-tom-hoad/
© Tom Hoad

Alle sterben sie weg, die Rock-Helden der 90er, oder entwickeln sich hin zur Fragwürdigkeit. Und Therapy?? Die sind noch da, haben sich nicht klein kriegen lassen, veröffentlichten letztjährig ein neues Album, spielten am 6. Februar in der Backstage Halle, unterstützt von den Tirolern Midriff.

Die starten pünktlich um acht, spielen modernen Metal/Hardrock und diesen solide und mit Überzeugung. Das Trio hat seine Vokalspitze in Schlagzeuger Paul, während sich Bassist Jele als Einheizer betätigt. Ein wenig penetrant wirkt sowohl die Musik, als auch das Auftreten der Band; es scheint, als seien Midriff weniger ein Musik- als ein Entertainment-interessiertes Publikum gewohnt.

Nach einer halben Stunde räumen die Österreicher die Bühne, eine weitere halbe Stunde – wie wohltuend punktgenau hier alles abläuft! – später wird sie von Therapy? geentert. Die Iren starten mit „Wreck it Like Beckett“ vom neuen Album „CLEAVE“, mit dem sie nicht nur an frühere unkonventionelle Bezugnahmen auf das Reich der Literatur (I’m bitter, I’m twisted / James Joyce is fucking my sister“), sondern auch an die freischnauzige Rohheit früher Alben anknüpfen.

Ja, schön, aber… „Troublegum“? Zur Genüge: Fürchten, hier nicht auf seine Kosten kommen, muss kein Therapy?-Fan der frühen Stunde. Tatsächlich überwiegt der Anteil der Songs vom 1994er Klassiker-Album noch die der neuen Scheibe. Und spätestens ab „Die Laughing“ rührt sich auch ein veritabler Moshpit – mit ungewohnt hohem Altersdurchschnitt.

Ein ums andere Mal erkundigen sich Andy Cairns (Gitarre, Gesang) und Bassist Michael McKeegan nach dem Befinden des Publikums, weniger auf eine ‚Gefällt euch, was ihr hört‘-, sondern mehr auf eine ‚Ihr seid nicht suizidgefährdet, gell‘-Weise – was in nettem Kontrast zu so eifrig mitgesungenen Zeilen wie „I’m feeling, I’m feeling dead, dead, dead, dead“ steht. Überhaupt wirken Therapy? so echt, so sympathisch, so froh, das machen zu können, was sie machen, dass das Konzert von einer tatsächlich ungewöhnlich warmen Atmosphäre durchstrahlt wird, die auch die Setlist zusammenschweißt und die neuen Songs nahtlos in den Kanon der bekannten einreiht. Zwischen Depression und Selbsthilfe entsteht so fast ein familiäres Feld, in dem die Iren ohne alle verkrampften Allüren operieren können – vielleicht der einzig funktionierende Modus Operandi für eine Band wie Therapy?, die mittlerweile seit fast 30 Jahren im Geschäft ist.

Und wenn sich die Band dann noch gesanglich wie instrumental zwar nicht ohne Ecken und Kanten (was schließlich dem noch immer bewusst gelebten Punk-Ethos entspricht), aber kraftvoll und angesichts eines 26-teiligen Setlist ausdauernd zeigt – einzig Andy Cairns‘ aufgestellte Haare zeigen bald Ermüdungserscheinungen – worüber lässt sich dann noch meckern? Dass es Bands mit solcher Attitüde öfter geben sollte vielleicht…

Setlist: Wreck it Like Beckett / Expelled / Die Laughing / Nausea / Lonely, Cryin‘, Only / Kakistocracy / Turn / Callow / Isolation (Joy Division Cover) / Opal Mantra / A Moment of Clarity / Diane (Hüsker Dü Cover) / Trigger Inside / I Stand Alone / Screamager / Teethgrinder / Potato Junkie / Stop It You’re Killing MeZugabe: Unbeliever / Church of Noise / Bad Mother / Crutch / Stories / Nowhere / Knives / Success? Success Is Survival

Bericht: Tobias Jehle