Von schlager-singenden Rockern und Generationskonflikten – „Rockin Rosie“ im Gärtnerplatztheater (Kritik)

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Ein Theaterabend, der nicht mit einem Knall endet, sondern mit einem beginnt. Stromausfall. Die Darsteller:innen haben noch nicht einmal die Bühne betreten, da gehen die Lichter aus. Viele ungewohnte und neue Situationen bieten sich den Zuschauer:innen, bevor das Stück überhaupt begonnen hat. Der verschachtelte Weg zur Studiobühne, auf dem man, bevor man zum jeweiligen Platz gelangt, noch über die Bühne läuft und so direkt Rosies Welt, ihre Wohnung, betritt. Die freie Auswahl der Sitzplätze, mit der man sich konfrontiert sieht, und die unmittelbare Nähe zum Bühnengeschehen, die durch die Größe des Raumes ermöglicht wird. Und dann plötzlich: Dunkelheit. Bis hierhin ein völlig unkonventioneller und überraschender Theaterbesuch. Leider nur bis hierhin. Das Auftragswerk Rockin‘ Rosie feierte am 09. Dezember 2022 Uraufführung im Staatstheater am Gärtnerplatz.

© Jean-Marc Turmes

Ganz so erfrischend anders bleibt es nach Beginn des Stückes nämlich nicht. Die Geschichte um die Rentnerin Rosie (Dagmar Hellberg), die anlässlich ihrer 70. Geburtstagsfeier mit Generationskonflikten, alten Freunden und der Vergangenheit konfrontiert wird, ist sympathisch und nahbar, wartet aber auch mit einigen Vorurteilen und Stereotypen auf. Hierbei fällt besonders das gegenseitige Unverständnis zwischen Jung und Alt auf. Die „ältere Generation“ kommt dabei verhältnismäßig gut weg – Rosie und ihre früheren Band-Mitglieder sind allesamt lockere, sympathische Rentner:innen, mit denen man gerne mal das ein oder andere Bier zischen würde – während Rosies Enkelkinder (beide in ihren Zwanzigern) da schon deutlich problematischer erscheinen. Hanna (Florine Schnitzel) ist eine prüde, langweilige BWL-Studentin, die sich gemeinsam mit ihrem Verlobten Max (Peter Neustifter) das Ziel gesetzt hat, Rosie ihre Garage in Schwabing abzuluchsen. Am Ende löst sie sich im Vollrausch von allen Hemmungen, lässt den Verlobten sitzen und nimmt sich erstmal „Zeit für sich“. Diese hat Vinzenz (Gunnar Frietsch), Hannas Bruder, sich gerade erst während eines Auslandsaufenthaltes genommen. Jedoch ging ihm das Geld aus, weshalb er nun kiffend in Rosies Garage sein Leben vertrödelt. Die klischeehaften Charaktere sind klar, die Wahrheit hinter ihnen bleibt diskussionswürdig.

© Jean-Marc Turmes

Gesanglich macht Dagmar Hellberg, eine Ikone des Gärtnerplatztheaters, so schnell niemand etwas vor und so passt der Name ihrer Rolle perfekt zu ihr. Sie rockt die Bühne mal so richtig. Mit Präsenz und Ehrlichkeit macht sie sich die Rolle der Rosie zu eigen und nimmt die Zuschauer:innen mit auf eine Reise, die zwischen Vergangenheit und Gegenwart schwebt. Erwähnenswert sind an dieser Stelle noch Armin Kahl, der Rosies Sohn Stefan verkörpert, und Erwin Windegger, der in die Rolle ihres früheren Managers Manni schlüpft. Diesem Dreigespann gelingt es besonders, die Lieder von Wolfgang Böhmer und Peter Lund mit Stimmgewalt und Emotionalität zu füllen – gerne mehr davon!

Im Verlauf des Abends pendelt das Stück sowohl musikalisch als auch narrativ immer wieder zwischen gefühlsbetonter Ernsthaftigkeit und kitschiger Komik. Natürlich stellt dieses Wechselspiel ein wichtiges Charakteristikum des Genres Musical dar, doch driftet Rockin‘ Rosie mit Liedtexten wie „Klingelingeling, auf meiner Klingel steht Single“ immer wieder in schlagereske Richtungen ab. Diese erscheinen an manchen Stellen sympathisch-witzig, an anderen berauben sie das Stück seiner Tiefe, die die Qualität bestimmter Szenen positiv hätte verändern können. Doch was ist der Anspruch dieses Kammermusical-Abends? Ein leicht-verdauliches, witzig-spritziges Gute-Laune-Werk auf die Bühne zu bringen. Und das ist dem Team in seiner kollektiven Arbeit auf jeden Fall gelungen. Der tosende Schlussapplaus mit Standing Ovations gibt ihnen in jedem Fall Recht. Welche Generation(en) Teil dieser Begeisterung sind, ist allerdings augenscheinlich.

Kritik: Rebecca Raitz