Muss man diese Band noch vorstellen? Die Einstürzenden Neubauten, vielleicht Deutschlands wichtigster Kulturexport der vergangenen Jahrzehnte, die Band, die zumindest in ihrer Anfangsphase die Grenzen der Musik, die Grenzen des erträglichen Geräuschs immer wieder neu definierte, die den anarchischen Rhythmus, den Demonstranten im Berlin der frühen 80er auf ihren Barrikaden trommelten, aufgriff und in Kunst verwandelte. Kunst, die sich noch heute, nachdem der Sound der Neubauten mehrere Phasen der Entwicklung, der Neuentdeckung hinter sich hat, außergewöhnlicher Mittel bedient: Aus eskapistischen Tubular Bells werden avantgardistische Baustellen-Glockenspiele, man schlägt auf Rohre, schlägt auf Bleche, massakriert Einkaufswägen.
Und über allem steht Blixa Bargeld als erster Dekonstruktor, als Sänger und Frontman, dessen markerschütternde Schreie Nick Cave an gewürgte Katzen oder sterbende Kinder erinnerten und ihn dazu brachten, Bargeld umgehend in seine Band, die Bad Seeds aufzunehmen.
Doch, mag man sich wundern, ist das nicht alles Schnee von gestern? Blixa Bargeld musste sich zwischen den Neubauten, seiner Ehe und den Bad Seeds entscheiden und strich darum letztere aus seinem Leben, seit Anfang letzten Jahres sind die Neubauten mit einem „Greatest Hits“-Programm unterwegs, dabei spielten sie zwei Konzerte in der (neugebauten, doch noch immer stehenden) Hamburger Elbphilharmonie – taugen die Impulse der Neubauten nicht mehr zum Fundament-Erschüttern, sondern nur noch zum Fans befriedigen?
Keineswegs. Nicht nur haben die profilierten Köpfe, die in dieser Band zusammengesteckt werden, jeweils noch andere künstlerische Kanäle, auf denen sie sich äußern (z.B. Blixa Bargeld zuletzt mit Teho Teardo), sondern auch hat das, was die Neubauten vor der 2016er Compilation „Greatest Hits“ kreierten, mit Stillstand nichts zu tun: „Lament“ (2014) ist ein Konzeptalbum bzw. eine speziell ausgearbeitete Performance, die sich mit dem ersten Weltkrieg befasst und die die Neubauten im Wechsel mit ihrem „Greatest Hits“-Programm bis heute regelmäßig aufführen. Auch in München wurde „Lament“ im November 2014 aufgeführt.
Am 8. September werden die Neubauten nach München zurückkehren, diesmal nicht mit Weltkriegsperformance, sondern mit ihrer persönlichen Werkschau/-show und nicht in der Muffathalle, sondern in der Philharmonie am Gasteig.
Und: der Titel des Programms hält, was er verspricht, von der Setlist darf man sich einen Querschnitt durch das Schaffen der Berliner erwarten, von „Halber Mensch“ über „Redukt“ zu „Sabrina“.
Also doch bloße Fan-Bedienung? Einerseits ja, bedient es doch die Bequemlichkeit des Publikums, das Bekannte live aufbereitet und ausgelebt zu erleben, anstatt sich mit allzu viel Neuem und Unerwartetem auseinandersetzen zu müssen. Andererseits macht die Truppe gerade diesen Umstand zum Thema, wenn sie ihn so offen benennt.
Insofern kann man sich auf die am 8. September dargebotenen („)Hits(„) nicht nur als solche freuen, sondern auch und vor allem auf die Einstürzenden Neubauten als Band, die humorvoll und durchaus provokativ auf ihren eigenen Status und Ruf Bezug nimmt und die ihren Reichtum an Geist weder verloren noch verkauft hat.
Stichwort „verkauft“: Dieses Schicksal hat noch nicht alle Eintrittskarten ereilt, HIER lässt sich das ändern!