Ganz oben – Nena im Circus Krone (Konzertbericht)

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„Willst du mit mir geh’n?“, fragte das Radio im Jahr 2005. Der Interpretin des Stücks folgten dabei schon rund 22 Jahre zuvor die ersten Anhänger: Nena. Die Sängerin durfte in ihrer 40-jährigen Karriere von Hoch- und Tiefzeiten wirklich alles mitmachen, blieb dabei dennoch immer ihren Kollegen, die durch die gleichen Phasen gingen, weit voraus, denn die Songs, die sie geschaffen hat, sind so groß und kultig, dass sie über viele Generationen und etliche Landes- und Kontinentalgrenzen hinweg funktionieren. Der Begriff „Legende“ dürfte hier wohl mehr als angebracht sein. 2018 ist es also allemal ein Grund, das runde Jubiläum zu feiern und daher auf große „Nichts versäumt“-Tour zu gehen. Und wie diese einschlägt! Nach einem bereits ausverkauften Konzert am 18. Juni im Circus Krone, kehrt sie für ein Zusatz-Konzert am 24. Juni 2018 zurück – und wir mit ihr!

Davor darf aber erst einmal Nenas Schützling, Sharron Levy, das Publikum von sich überzeugen. Die Wahl-Salzburgerin, gebürtige Israeli und in Großbritannien aufgewachsene Liedermacherin war bereits am Ostermontag bei Bonnie Tyler im Deutschen Theater im Vorprogramm, wie wir HIER berichteten. Nun hat sie ihr zweites Album „I Am Me“ endlich auf den Markt gebracht und streift wieder durch die Lande – wieder solo und nur mit ihrer Gitarre, Loop-Station und, natürlich, der Stimme. Ihr größter Vorteil, gegenüber dem April-Auftritt, sind wohl die mitgereisten Nena-Fans, die sie bereits bestens kennen und fleißig anfeuern. Ansonsten bleiben die Lieder auch dieses Mal weit hinter dem zurück, was sie mit voller Bandbesetzung könnten, und bilden so zwar eine angenehme, aber kaum nennenswerte Einleitung, die mit „Cold Feet“ nach 30 Minuten ein Ende findet. Das Einzige, was nachhaltig in Erinnerung bleiben wird, ist Levys fantastische Stimme.

Setlist: Spider’s Roar / Carrying My Emotions / Losing Time / Well Oh Well / Punk Thursday / Let’s Go / Cold Feet

Überraschend entlichtet sich der Krone-Bau abermals. Das unerwartet altersmäßig gemischte Publikum springt teilweise sofort von den Plätzen oder stürmt im Steh-Bereich nach vorne, in der puren Vorfreude, was nun folgt. Und das sind: laute, drückende Trommelschläge. Mit „Indianer“ klettert Nena durch das Gerüst auf der Bühne auf ihre Sängerinnenposition und legt unverzüglich und sehr laut los. Allgemein ist der Sound, der natürlich durch die 10-köpfige Band entsteht, wahnsinnig kräftig, pressend, schlichtweg absolut wuchtig – und dennoch so ausgewogen, dass man die Instrumente gut einzeln heraushört, wenngleich einfach unglaublich laut. Aber das muss wohl so, das soll wohl so – denn Nena, frische 58 Jahre, ist alles andere als ein glattgebügeltes Pop-NDW-Sternchen, sondern damals wie heute dem Rock viel zugetaner.

Zugegeben, zu Beginn dürfte man wirklich überfordert gewesen sein. Zehn Musiker? So ein starker Live-Sound, so eine große Lichtshow? Man möchte fast schon anschließen: so „over the top“? Aber nein, man darf dabei nicht vergessen, wer da auf der Bühne steht: Nena, Urheberin und Aushängeschild etlicher Hits, die allesamt bei dieser Best-Of-Tour nicht fehlen dürfen. Freilich ist die Stimmung da besonders gut, als „Nur geträumt“ bereits als dritter Song angestimmt wird, ganz zu schweigen von den letzten beiden Liedern des Hauptblocks, „Leuchtturm“ und „99 Luftballons“. Und dennoch haben es dieses Mal auch wahre Raritäten geschafft, endlich wieder oder sogar auch endlich erstmals aufgeführt zu werden. „Spielen wir zum ersten Mal“, sagt die Frontfrau direkt nach „Einmal ist keinmal“, ein Song, der irgendwann im Jahr 1982 das Licht der Welt erblickte, aber jetzt erst das Rampenlicht auf der Bühne. Doch so etwas ist eben durchaus möglich in dem insgesamt knapp 130-minütigen Programm.

Auch wenn die Idee nun wirklich nicht mehr neu ist, lässt es sich die Kult-Sängerin nicht nehmen, auf einer B-Stage, gegenüber der regulären Bühne, drei Stücke zu spielen, nur mit Bassisten, Drummer (mit minimierten Set) und Nena selbst, die sich eine Gitarre umgeschwungen hat. Wer denn alles Gitarre spiele, wollte sie wissen. Die Meldungen halten sich in Grenzen. „Wow, München ist musikalisch“ entgegnet sie ironisch, das Publikum lacht verschmitzt mit. Mit „Berufsjugendlich“ und „Noch einmal“ gibt es sogar, in Kombination mit der tollen Lichttechnik, die kurzerhand das Lampen-Inventar der Location miteinbezieht, zwei absolute Highlights, bevor sich alle wieder dem üblichen Programm widmen. Das streift weiterhin die Hits ihrer langen Karriere und mündet in einem neuen Lied mit dem Titel „Immer noch hier“. Als Nena dann abschließend durch die Menge geht, hält ihr eine Besucherin etwas zu penetrant ein Handy vors Gesicht. „Guck doch mit deinen Augen, genieß es“, sagt sie zu ihr. Und wie recht sie hat, denn Augenblicke zum Genießen, die gibt es zu Genüge. „Ich komm nächstes Jahr wieder“ verkündet sie kurz vor Schluss noch – nach so einem Konzert, liebe Nena, kommen wir garantiert auch wieder!

Setlist: Indianer / Ganz oben / Nur geträumt / Rette mich / ? (Fragezeichen) / Kino / Tanz auf dem Vulkan / Lass mich dein Pirat sein / Einmal ist keinmal / Kleine Taschenlampe brenn‘ (Markus Cover) / Satellitenstadt / Haus der drei Sonnen / Das alte Lied / Feuer und Flamme / Es wird schon weitergehenB-Stage: Noch einmal / Berufsjugendlich / Du kennst die Liebe nichtWeißes Schiff / Wunder gescheh’n / Liebe ist / Leuchtturm / 99 Luftballons / Hey Jude (The Beatles Cover)Zugaben 1: Genau jetzt / Oldschool / Fantasie (Samy Deluxe Cover) / Willst du mit mir gehen? – Zugaben 2: Irgendwie, irgendwo, irgendwann / In meinem Leben / Immer noch hier

Kritik: Ludwig Stadler
Bilder: Martin Schröter