Der 27. Januar hält als Holocaust-Gedenktag die Erinnerungen an die Gräueltaten des NS-Regimes am Leben. Passend dazu steht nun am Münchner Volkstheater George Taboris Drama „Mein Kampf“ auf dem Spielplan, die Groteske um Hitlers „Freundschaft“ mit dem Juden Schlomo Herzl, (fiktiver) Auslöser jener Katastrophe, die in einem Männerwohnheim in Wien ihren Anfang und erst in einem Bunker unter der Reichshauptstadt Berlin ihr Ende finden sollte. Schon zu Beginn der über zweieinhalbstündigen Inszenierung (mit Pause) stehen die Zeichen auf Unheil. Das Bühnenbild zeigt ein äußerst karges Kellerasyl, das sich lediglich über eine verwitterte Holztreppe erreichen lässt – eine Absteige im wahrsten Sinne des Wortes. Perfekte Kulisse für ein Kammerspiel der besonderen Art. Neben einem Schlafplatz, mehr Lager als Bett, ist ein großer Ofen das einzig nennenswerte Objekt im szenischen Raum. Dieser wirkt wie ein düsterer Vorbote für all das Leid und Verderben, das alsbald hereinbrechen wird.
Dem entgegen wirkt zunächst das eher heitere Zusammenspiel zwischen dem jüdischen Buchverkäufer und dessen Freund Lobkowitz. Pascal Fligg als Schlomo Herzl schafft es schnell, die Sympathien des Publikums auf seine Seite zu ziehen und das lässige Auftreten von Timocin Ziegler im Jesus-Gewand verleiht dessen Rolle ebenfalls eine ganz eigene Manier. Es ist dann aber doch Jakob Immervoll in der Rolle Adolf Hitlers, der dem Stück zu seinem ersten Höhepunkt verhilft. Aufgefordert, sich doch angemessen vorzustellen, gerät schon seine erste Textpassage zu einem schier endlosen, schrägen und schiefen Wortschwall, dessen fehlerfreier Vortrag alleine schon sein Eintrittsgeld wert ist. Die Figur des jungen Künstlers aus Braunau, in all ihrem Wahnwitz und ihrer ganzen Absurdität, ist hier bereits beeindruckend charakterisiert. Immervoll hält dieses Niveau während der kompletten Aufführung, seine Gestik und Mimik steigern sich im Verlauf des Stücks sogar noch ins Extreme und spiegeln dabei das immer monströser werdende Wesen des Größenwahnsinnigen wieder. Dass er dabei die meiste Zeit in Unterhosen spielen muss, gehört zu den Eigenheiten dieser Inszenierung, die jede Möglichkeit nutzt – selbst in etwas derber Art und Weise -, um die Lächerlichkeit und Abartigkeit Hitlers, der sich alleine nicht mal die Hose anziehen kann, auch visuell in Szene zu setzen.
So stark die Akteure im Einzelnen auch agieren, so bleibt bei der Figurenkonstellation doch ein etwas fader Beigeschmack. Vor allem die Vater- bzw. Mutterrolle Herzls bleibt nur schwer nachvollziehbar, stattdessen liefert er sich mit Hitler von Beginn an ein Duell, in dessen Verlauf der Unmensch mehr und mehr die Oberhand gewinnt. Ein emotionaler Ansatz oder eine Motivation für so etwas wie Freundschaft wird in keinem Moment evident. Hitler ist dazu ohnehin nicht fähig, und auch bei Herzl lassen sich einzig die Suche nach Gott und das Ringen um seinen Glauben als Triebfedern seines masochistischen Tuns – mit dem er letztlich die Bestie in seiner ganzen Ausprägung freisetzt – ausmachen.
Auch die Figur des Gretchen (sehr provokant gespielt von Julia Richter) hinterlässt in ihrem Wandel, der sie erst für Schlomo schwärmen lässt, um schließlich ihrem Führer zu folgen, eher ein Fragezeichen. Hier merkt man der Inszenierung von Regisseur Christian Stückl dann doch an, dass im Vergleich zu Taboris Vorlage deutlich komprimiert werden musste.
So hinterlässt so manche Szene zwar ein etwas zwiespältiges Gefühl, nichtsdestotrotz können vor allem die stillen Momente (z.B. Schlomos Erinnerungen an seinen Vater) und das gewohnt starke Ensemble (von Carolin Hartmann komplettiert) für einen insgesamt positiven Gesamteindruck sorgen.
Fazit: Besucher, die sich für klassische Inszenierungen im typischen Stile des Volkstheaters begeistern können, sollten auch bei diesem Stück auf ihre Kosten kommen. Die Reaktionen des Publikums am Premieren-Abend sprachen jedenfalls für sich.
Bericht: Hans Becker
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