Die deutschsprachige Oper „Martha“ von Komponist Friedrich von Flotow war bereits kurz nach seiner Uraufführung 1847 ein Publikumsliebling. Mit der Form einer französischen Oper von einem deutschen Komponistin und dem Handlungsort in Großbritannien ist „Martha“ tatsächlich etwas außergewöhnliches. Bei der Produktion im Gärtnerplatztheater kommt noch der vielversprechende Name des Regisseurs hinzu: Loriot. Dementsprechend voll ist dann auch der Zuschauerraum am 22. Januar 2019 – nämlich ausverkauft, denn die begeisterten Musik- und Loriot-Anhänger kommen in zahlreichen Bussen, um die Neueinstudierung der romantisch-komischen Oper zu sehen. Die weite Reise lohnt sich definitiv.
Lady Harriet, eine Hofdame von Queen Victoria ist von ihrem Leben im Überfluss zu Tode gelangweilt. Deshalb beschließen sie und ihre Freundin Nancy sich als Bürgerliche zu verkleiden und so an einem Markt teilzunehmen, bei welchem traditionell jedes Jahr junge Mädchen dem jeweils höchstbietenden ihre Arbeit als Dienstmagd anbieten. Lady Harriets Verehrer wird gegen seinen Willen mitgeschleift. Auf dem Markt treffen Lady Harriet und Nancy auf die zwei befreundeten Landwirte Plumkett und Lyonel und lassen sich spaßeshalber als Mägde anstellen. Sie geben sich vor den Männern als Martha und Julia aus und schaffen es, sich durch ihre Naivität und sture Weigerung aus ihren Pflichten herauszureden. Lyonel, der sich auf den ersten Blick in Lady Harriet/Martha verliebt hat, offenbart ihr seine Gefühle und macht ihr einen Heiratsantrag, den sie jedoch lachend ablehnt und ihn damit tief verletzt. In der Nacht entkommen die zwei mit der Hilfe von Harriets Verehrer durch ein Fenster.
Einige Zeit später begegnen die beiden Frauen ihren „Besitzern“ während sie Queen Victoria auf einer Jagdpartie begleiten. Lady Harriet streitet aus Angst einer Blamage die ganze Vorgeschichte ab. Lyonel zerbricht das Herz als er nach Lady Harriets Aussage verhaftet wird und er gibt Plumkett als letzte Rettung den Ring seines verstorbenen Vaters, der ihn angeblich vor Schaden beschützen soll, wenn er der Queen vorgelegt wird. Nancy hat ein schlechtes Gewissen und nimmt den Ring, um ihn Queen Victoria vorzuzeigen. Lady Harriet erfährt daraufhin, dass Lyonel ein Graf ist und eilt in neu entfachter Liebe zu ihm, um ihm die gute Nachricht seines sozialen Aufstiegs zu berichten. Anstatt jedoch überglücklich zu sein, ist Lyonel nach wie vor sauer auf Lady Harriet und stößt alle Liebesbeteuerungen von sich. Als letztes Mittel um Lyonel doch noch für sich zu gewinnen, spielt Lady Harriet den Gesindelmarkt nach und schwört als Martha ewige Treue zu Lyonel. Die beiden versöhnen sich und es folgt unendliche Glückseligkeit.
Eine klassische Verwechselungsgeschichte als Handlung für eine Oper ist nicht unüblich. Die Regiearbeit Loriots macht daraus eine humorvolle und abwechslungsreiche Abendveranstaltung. Während die Darsteller ihre Arien singen, passieren im Hintergrund immer wieder verwunderliche Dinge, welche das Publikum zum schmunzeln bringen. So fällt im Wald-Restaurant plötzlich ein Ast von der Decke und wird, ohne ein Wort, vom ironisch gelangweilten Kellner entsorgt und die Hofdamen auf der Jagd verschmelzen auf urkomische Art mit ihren Pferden. Hierbei sollte bemerkt werden, dass alle Kostüme, Kulissen und Requisiten von Loriot entworfen wurden und dadurch eine perfekte Ergänzung zu seiner inszenierenden Arbeit ergeben. Es erscheinen unter anderem auch mehrere überdimensionale Hände, welche die Handlung immer wieder in die richtige Richtung – wortwörtlich – stoßen.
Die hervorragend lebendige Musik, gespielt vom Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter der Leitung von Oleg Ptashnikov, lässt – opernunüblich – in keinem Moment Langeweile aufkommen und der Gesang der Hauptdarsteller ist hervorragend. Alexandros Tsilogiannis Stimme ist mehr als beeindruckend und Jennifer O´Loughlin und Valentina Stadtler können zusätzlich noch mit ihrem urkomischen darstellerischen Talent überzeugen.
Alles in allem ist diese Produktion ein Meisterwerk in Sachen Musik, Darstellung und Humor und definitiv einen Besuch wert.
Kritik: Anna Matthiesen