Mitte der 2000er-Jahre gab es eine ganze Welle an Jugendkultur definierender Musik: Tokio Hotel, US5, Killerpilze, Nevada Tan. Besonders groß und relevant war damals LaFee, die mit ihren rebellischen Texten und musikalisch gerne mal härteren Stücken immer leicht in die Gothic/Emo-Richtung ging und dennoch massentauglich genug blieb, um das Herz unzähliger Hörer*innen für sich zu gewinnen. Lieder wie „Prinzesschen“, „Heul doch“ und „Virus“ sind auch im Jahr 2024 fest in der DNA einer ganzen Generation verankert – und so wundert es wenig, dass die erste Live-Tour seit 15 Jahren von LaFee für rasend schnell ausverkaufte Hallen sorgt. Dementsprechend ist auch das Technikum in München am 20. Dezember 2024 bis auf den letzten Platz gefüllt, voller Erwartung und Anspannung.
Als LaFee ihre großen Erfolge feiert, sind viele der Hörerinnen (die weiblichen Fans sind an diesem Abend deutlich in der Überzahl) noch nicht alt genug für einen Konzertbesuch, mittlerweile ist das natürlich weniger das Problem – als Millennial zählt man zu den frequentierten Konzertbesucher*innen. Dass die Sängerin durchaus bedeutsam für so viele Menschen war und ist, zeigt sich am euphorischen Gejubel, Gesinge und manchmal Gekreische ab dem Konzertstart um 20:15 Uhr bis zum Abschluss, rund 110 Minuten später. Dazwischen gibt es eine wahre Zeitreise, die vor allem in den ersten drei Alben ausführlich Halt macht – nicht nur ihre erfolgreichste Phase, sondern zugleich auch die livetauglichsten Nummern. Ausflüge gibt es lediglich selten ins 2011er-Album „Frei“ und, natürlich, zu ihrer neuen Single „Königin der Nacht“. In diesem Song, der einen textlichen Rückbezug auf ihren Hit „Prinzesschen“ nimmt, wird es musikalisch wieder laut, rockig und druckvoll – das erste Mal seit ihrem 2009er-Album „Ring frei“. Ihre letzten musikalischen Ausflüge waren im Schlager verortet, dieser Phase wird an diesem Abend nicht eine Sekunde gewidmet.
Vielleicht ist ebendiese Zeit auch weder für LaFee noch das Publikum sonderlich prägend, stattdessen wirken Songs wie „Der Regen fällt“ und „Was hat sie“ bis heute intensiv weiter. Christina, wie die Sängerin bürgerlich heißt, erzählt immer mal wieder kleine Anekdoten, Hintergründe zu den Geschichten und begeistert mit einer grandiosen, deutlichen Ansage zu Bodyshaming vor dem Song „Du bist schön“. Sie freue sich auch, wenn ihre Songs damals etwas ausgesprochen haben, was man selbst nicht sagen konnte – und wahrscheinlich trifft genau das exakt zu. Nicht alle Texte sind gut gealtert, nicht jede Passage ist noch treffsicher nach teilweise knapp zwanzig Jahren, und auch das gern mal vulgäre Beschimpfen von anderen Frauen würde man heutzutage definitiv anders machen. Aber ganz ehrlich? Innerlich sind solche Gedankengänge bei jeder Person vorhanden (geschlechterunabhängig), selbst wenn man sie nicht ausspricht. LaFee hat sie im Jahr 2006 ausgesprochen und tut es im Jahr 2024 immer noch. Einfach die impulsive Wut herausschreien und in Liedform packen.
Dass das immer noch so klingt, wie es soll, liegt auch an ihrer neuen Band. Bestehend aus Mitgliedern von Rage und Doomcrusher, hat man Metal-erfahrene Musiker auf der Bühne stehen, die sowohl die Härte als auch die Riffs transportieren und LaFees Zeitreise durch ihre musikalisch gitarrenlastige Diskografie bestens unterstützen. Dabei gelingen auch die ruhigen Momente – Balladen wie „Wer bin ich“ und „Schwarze Tränen“ bestehen lediglich aus Piano und Stimme und gehen tief unter die Haut. Schlussendlich liegt der gelungene Abend aber nicht nur am Zusammenspiel der Band und dem motivierten Publikum, sondern maßgeblich an LaFee selbst: ihre Stimme ist in grandioser Verfassung, die Performance sprüht vor Energie und Freude und vor allem sind alle 22 Lieder ohne jegliche Backing-Tracks völlig live gesungen. So und nicht anders geht eine Bühnen-Rückkehr. Was für ein Comeback!
Setlist: Herzlich Willkommen / Mitternacht / Krank / Prinzesschen / Was hat sie / Phönix / Schwarze Tränen / Beweg dein Arsch / Königin der Nacht / Lass mich frei / Du liebst mich nicht / Wer bin ich / Der Regen fällt / Du bist schön / Ich hab dich lieb / Sterben für dich / Verboten / Scheiß Liebe – Zugaben: Heul doch / Ring frei / Danke / Virus
Bericht: Ludwig Stadler
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