Graceland – Kettcar bei Sommer am Kiez (Bericht)

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Es ist wahrlich das Jahr der Hamburger Jungs, denn nach erfolgreichem Album-Release und einer annähernd ausverkauften, riesigen Tour im Frühjahr geht es für Kettcar nun in einen ausgedehnten Open Air-Sommer. Neben Ausflügen in den Norden oder auch auf dem Roncalliplatz vor dem Kölner Dom vergessen die Herren nicht den Süden Deutschlands und beehren die Hauptstadt Schwabens: Augsburg. Zuletzt waren sie 2004 in der Kantine hier, wie sie beschämt zugeben, nun am 26. Juli 2024 bei Sommer am Kiez die langersehnte Rückkehr. Das Wetter ist gut, der Platz ist voll.

Die sympathisch-urbane Open Air-Location inmitten von Augsburg-Oberhausen passt wunderbar zu den Metal- und Rock-Gruppen von Eisbrecher zu Emil Bulls bis Steel Panther, die dieses Jahr hier auftreten. Kettcar sind da, genauso wie New Model Army, schon eher für die Fans mittleren Alters, die sich nicht alsbald in den Moshpit stürzen. Dementsprechend gibt es mit The Deadnotes eine musikalisch passende Vorband, die mit einem einzigartigen Indie-Rock-Sound stilistisch irgendwo zwischen Arctic Monkeys und Arcade Fire stecken. Dass die Beschreibung aber nicht allzu einfach ist, zeigt, dass die Herren durchaus ihren eigenen Sound kreiert haben, den sie rund 50 Minuten in Augsburg präsentieren dürfen. Die Aufmerksamkeit ist, wie bei einem Kettcar-Publikum üblich, voll auf Musik und Performance, der Applaus begeistert. Zurecht, ein wunderbarer Einstieg in den Abend!

© Andreas Hornoff

Um 20:05 Uhr begeben sich die Grandseigneure aus dem Norden zu ihren Instrumenten und beglücken das Augsburger Publikum nach so langer Wartezeit mit den Klängen ihrer Musik. Ein bunter Mix aus den alten und neuen Stücken, das haben Kettcar schon auf der Frühjahrstour präsentiert, passend dazu gleich die ersten beiden Songs: „Auch für mich 6. Stunde“ aus dem neuen und „Money Left To Burn“ aus dem ersten Album. Sie sind politisch, natürlich, auch die Songauswahl verdeutlicht das, dennoch bleibt genug Platz für die emotionalen Momente, beispielsweise mit „Rettung“, „Balu“ oder „Im Taxi weinen“. Besonders im zweiten Teil des Sets ziehen die Hamburger ordentlich die E-Gitarren-Dichte an und spielen von „Kein Außen mehr“ bis zu „Auf den billigen Plätzen“ viele reine Rocksongs, was die Augsburger stetig mehr zum Tanzen bringt.

Insgesamt sind die fünf Jungs bestens aufgelegt, Bassist Reimer Bustorff grüßt seinen früheren Kommilitonen aus Augsburg, der beim Konzert zu Gast ist, Wiebusch dagegen scherzt mit Selbstironie und erzählt einige Anekdoten zu den Songs. Sogar einen Wunschsong gibt es: „Blaue Lagune, 21:45 Uhr“, eine irrsinnige starke Nummer aus dem nicht weniger starkem, aktuellen Album. Auch ein paar lange nicht mehr gespielte Stücke wandern für die Sommerrutsche in die Setlist, beispielsweise „Graceland“, „Anders als gedacht“ und, als krönender Abschluss, „Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt“. Am Ende performen Kettcar knapp 120 Minuten, spielerisch auf oberstem Niveau, mit astreinem Sound und lauem Sommerwetter. Könnte es einen besseren Open Air-Auftritt geben? Wohl kaum. Chapeau!

Setlist: Auch für mich 6. Stunde / Money Left To Burn / Benzin und Kartoffelchips / Rettung / Balkon gegenüber / 48 Stunden / München / Sommer 89 (Er schnitt Löcher in den Zaun) / Balu / Ein Brief meines 20-jährigen Ichs (Jedes Ideal ist ein Richter) / Der Tag wird kommen / Anders als gedacht / Kein Außen mehr / Graceland / Auf den billigen Plätzen / Blaue Lagune, 21:45 Uhr / Im Taxi weinen / Landungsbrücken rausZugaben: Einkaufen in Zeiten des Krieges / Ich danke der Academy / Deiche / Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt

Bericht: Ludwig Stadler

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