Mir kräftigem Tusch geht das radikal jung im Münchner Volkstheater am Samstag Abend zu Ende!
Dieser überrascht, weil sich der Münchner Zuschauer unter dem Titel „Ja, EH! Beisl, Bier und Bachmannpreis“, inszeniert von Christina Tscharyiski, nicht wirklich etwas vorstellen kann. Text, Titel und Handlung sind nämlich durch und durch Wienerisch. Vorweg genommen: jeder Aspekt ist hervorragend ausgearbeitet. Die Bühnenmusik von Voodoo Jürgens und Band, das Bühnenbild, das Licht, Kostüme und Schauspiel. Auch wenn das Bühnenbild nicht minimalistisch und die Darsteller keine Performer sind, kann so ein Abend den Zeitgeist perfekt treffen.
Es geht um Kreative und ihr Schaffen, tatsächlich um Autorin Stefanie Sargnagel selbst und ihre Arbeit am Text für den Bachmannpreis, den sie auch gewann.
Was macht eine 30-jährige Autorin, um sich kreativ zu inspirieren?
Rumgammeln aka „research“. Mit den Darstellerinnen Miriam Flussenegger, Saskia Klar und Lena Kalksch wird genau das zum Mitfühlen echt illustriert.
Sie schieben ihre ausgestopften „Junkfoodärsche“ vom Bett an die Bar, durch den Kleiderschrank und zum Eislaufen. Eine Generation unabhängiger Frauen, die ums Verrecken -wie man in Österreich sagt- nicht erwachsen werden will, wird damit symbolisiert. Die Generation „kreativ und unfähig“, die zwar erfolgreich, aber depressiv und verlottert ist. Hier wird der innere Schweinehund neugeboren!
Die drei „Steffis“, wie Sargnagel im Stück heißt, zeigen ihren Alltag – nicht aus dem Bett kommen; sich vorm Email schreiben drücken; eine neue Jacke kaufen, weil alle anderen ungewaschen sind; erst einmal ausruhen, um abends der Freundin in einer abgeranzten Kneipe (= Beisl) mit Floskeln und ohne Anteilnahme über Liebeskummer hinweg zu helfen.
Das Bühnenbild (Sarah Sassen) ist eine große, mit zahlreichen Klappen versehene Holzwand, die permanent auf und zu, hin und her, geklappt werden und damit wie eine Mischung aus Wandschrank und multifunktionalem Wohnwagen aussehen.
Die Gesangseinlagen von Voodoo Jürgens wechseln sich so mit den Szenen so ab, dass eine Dramaturgie der Spannung entsteht und sich beide Partien ausgleichen.
Warum aber drei Darstellerinnen für eine Figur?
Weil diese Figur so stark ist, dass eine Verkörperung nicht genügt hätte. Die Misere so exemplarisch, die Überspitzung dieses Typus Mensch so klar, dass sie in ihrer Gesamtheit verdeutlicht werden muss. Lustig und passend wird hier gezeichnet, womit sich junge Menschen herumschlagen, die Sehnsucht nach Normalität und Struktur in Kombination mit Individualismus, Spontanität und Abenteuer.
Die Kritiker waren sich auch nach der Premiere im Oktober 2017 einig: außerhalb von Wien versteht man diese Referenzen zum „Wiener Künstlergeschmeiß“ gar nicht.
Nein, tut man nicht, auch die Mundart des Sängers Bedarf einiger Anstrengung.
Die Art Mensch, die Situationen und das beschriebene Klientel, erkennt das Münchner Klientel aber sehr wohl und lobt es mit begeisterten Stimmen.
Kritik: Jana Taendler