Nightside – Grima in der Backstage Halle (Bericht)

Veröffentlicht in: Startseite | 0

Knapp 25 Grad, Sonnenschein und Frühling prägen den 30. Mai 2025 und verbreiten Freude in München. Dem gegenüber steht an diesem Abend ein besonderes Ritual in der Backstage Halle: Die russische Atmospheric-Black-Metal-Band Grima kommt aus dem kalten Sibirien und wütet wie ein Sturm durch die Konzerthallen. Das Brüder-Duo Vilhelm und Morbius hat sich vor seiner Gründung von Grima, im Jahr 2014, bereits mit ihrer Band Ultar einen Namen im Black-Metal gemacht. Mit Grima wollten sie aber ihre tiefe Verbindung zur Natur zum Ausdruck bringen und zu zweit ihre Musik leben. Auf ihrer aktuellen Tour scheuen sie erneut nicht davor zurück, gleich zwei Auftritte hintereinander zu geben und performen daher zusammen mit ihren Kollegen sowohl mit Ultar als auch mit Grima. Unterstützung finden sie in München ebenfalls von der französischen Melodic-Black-Metal-Band Houle und der deutschen Black-Metal-Band Horn.

Trotz der warmen Temperaturen zieht es viele schwarzgewandete Anhänger der Düsternis um 19 Uhr ins Backstage. Das musikalische und geradezu immersive Erlebnis von Ultar und Grima hat ein Publikum unterschiedlichsten Alters angelockt, das sich bereitwillig in die Nacht und die Natur entführen lässt. Eingeleitet wird der Abend von Houle, die die Bühne in ein Schiff auf hohem Seegang verwandelt haben. Mit Matrosengesängen und in passender Gewandung schreiten sie auf die Bühne, um dann mit unglaublicher Wucht wie eine Welle einzuschlagen. Sängerin Adsagsona schwankt in Mantel und mit Algen bewachsen eindrucksvoll über die Bühne. Doch nicht nur ihr theatralischer Bühnenauftritt beeindruckt von Beginn an, auch ihr Gesang wütet unerwartet hart. Damit aber nicht genug: Mit einer Weinflasche in der Hand betrinkt und begießt sie sich, fuchtelt mit einer Harpune herum und packt das volle Maß an Naturgewalt auf hoher See aus, welcher die Menschheit nicht gewachsen ist. So begibt sie sich sogar mit einer Laterne bewaffnet ins Publikum und brüllt die Fans mit wütendem Blick an. Ein unerwartet starker Auftritt der jungen Franzosen, der sogar einen kleinen Circle-Pit angefeuert hat!

Nach einem sehr kurzen Umbau kommen die Jungs von Horn auf die Bühne. Angeführt von Hühne Nerrath am Bass, schrauben sie das Tempo in der Halle ein wenig runter, überzeugen aber mit Pagan-Klängen und ihrer grundsympathischen Art. Dass Pagan-Metal und Black-Metal zusammenpassen beweisen sie mit größtenteils deutschen Texten. Nerrath ist aber nicht nur Bandleader, sondern auch Multi-Instrumentalist, der die Studio-Alben selbst eingespielt hat. Seine Liebe zur Musik merkt man ihm jede Sekunde an, denn er nimmt die Bühne nicht nur aufgrund seiner Statur fast gänzlich ein, sondern steht auch klar im Vordergrund.

Die Nacht bricht herein und damit auch die Vorfreude auf Ultar. Um kurz nach 21 Uhr verdunkelt sich die Bühne und die düsteren Gestalten betreten stumm und von Instrumentalmusik begleitet die Bühne. Mit dem ersten Teil des Songs „Kadath“ (des gleichnamigen Albums aus dem Jahr 2016), der in Originallänge mehr als 15 Minuten dauert, und einer Menge Rauch entführen sie die Menge in ihre eigene Atmosphäre aus Black-Metal und sphärischen Melodien. Begeistert werden Köpfe gebangt und jeder Song der Band mit viel Jubel gefeiert – obwohl die meisten die russischen Texte wohl nicht verstehen. Trotz der grimmig geschminkten Musiker, die kein Wort zu den Münchnern sagen, ist Fröhlichkeit im Raum zu spüren. Sänger Vilhelm wechselt stark zwischen tiefen Growls und von Schmerz geprägten Screams, während die Musik, für sphärischen Black-Metal üblich, fließt, aber trotzdem von harten Blast-Beats und melodiösen Gitarrensoli angereichert ist. Die knappen 50 Minuten der Show vergehen wie im Flug, am Ende ist das Backstage gänzlich in Rauch gehüllt.

Der lange Umbau hinter dem schwarzen Vorhang bringt das Publikum, das merklich ungeduldig wird, schnell an seine Grenzen. Allerdings ist eine längere Pause für die Bandmitglieder durchaus verständlich, die nun ihre zweite Show spielen. Um 22:20 Uhr lichtet sich der Vorhang und die maskierten Baumgeister von Grima schleichen stumm und zum Intro des „Nightside“-Albums auf die Bühne, auf der Totenköpfe wie Wächter thronen. Die Gitarren der Band heben sich, gänzlich in weiß, von den schwarzen Mänteln ab. Das neue Album der Russen steht klar im Fokus und so leitet das Intro in „Beyond the Dark Horizon“ über. Musikalisch beschreiten sie neue Wege, nicht aber ohne das für Grima typische Bajan, die osteuropäische Form des Chromatischen Knopfakkordeons, das nun stärker im Vordergrund steht. Neue Rhythmen und kürzere, aber düstere Songs runden die Musik ab. Und das ist auch auf der Bühne zu spüren.

Besonders wird das Erlebnis, als zu „Enysey“ plötzlich Schnee von der Decke fällt und die Bühne in einen Schneesturm verwandelt, was einen geradezu wunderschönen Anblick beschert. Mit „Siberian Sorrow“ und „The Shrouded in Darkness“ holt Vilhelm nochmal alles raus. Seine Hände haben sich in Äste verwandelt, mit denen er einen auf einem Ast steckenden Totenkopf, hält und regelmäßig andeutet, ihn zu verspeisen. Ein kaltes, winterliches Ritual, das dem sibirischen Waldgeist Grima gewidmet ist, der die Urgewalt des Waldes und die tiefe Verbindung zur Erde repräsentiert und ein Gefühl der urzeitlichen Verzweiflung, Kälte sowie eine Sehnsucht nach Wärme und Frieden weckt.

Nach knapp einer Stunde ist das nächtliche, unheimliche Ritual beendet. Trotz der Finsternis, der Urgewalt der Natur und des sibirischen Waldes, ist das Publikum sichtlich beseelt und begeistert. Und auch Grima bedanken sich gewohnt stumm, doch voller Dankbarkeit bei ihren Fans, auch das obligatorische Foto darf nicht fehlen.

Selbst wenn einige abgesagte Konzerte, aufgrund von Schwierigkeiten mit dem Visum einiger Bandmitglieder, die Tour zum neuen Album eingeschränkt haben, sind Grima gewohnt stark auf der Bühne und wissen sich und ihre Musik in Szene zu setzen. Ein besonderer Abend, der dunkel, furchteinflößend und doch auf seine Art und Weise wunderschön ist.

Bericht: Tamara Fichte

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert