Sexismus, Rassismus und der Teufelskreis genannt Leben – die neue Produktion „Glaube Liebe Hoffnung“ des Volkstheaters, die am 30. November 2018 ihre Premiere feierte, könnte aktueller nicht sein, auch wenn die Vorlage von den Autoren Ödön von Horváth und Lukas Kristl bereits aus dem Jahr 1932 stammt. Die düstere Problematik der sich immer abwärts drehenden Spirale der Negativität ist durchaus kein leichter Stoff, wird aber in der Inszenierung von Christian Stückl bewundernswert charismatisch und verständlich umgesetzt, sodass man als Zuschauer selbst immer tiefer in den Strudel der schlimmen Dinge gerät.
Die junge Frau Elizabeth versucht vor dem Hintergrund der anhaltenden Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre ihr Leben zu bestreiten. Sie will arbeiten – wie so viele – braucht dafür jedoch Geld, um sich einen Gewerbeschein ausstellen zu lassen und arbeitet deshalb als Vertreterin für feine Damenunterwäsche. Da sie jedoch eine Geldstrafe für Arbeiten ohne gewünschten Gewerbeschein auferlegt bekommen hat, besucht sie das Anatomische Institut vor Ort, um für 150 Mark ihre Leiche zu verkaufen – wie so viele. Ein Präparator des Instituts leiht ihr schließlich die Summe, jedoch ohne vom wahren Verwendungszweck zu erfahren, weshalb er Elizabeth kurze Zeit später wegen Betruges anzeigt. Sie muss als Strafe für 14 Tage ins Gefängnis und ist von nun an eine Vorbestrafte, wobei ihr Status ihre Arbeitssuche nur noch schwieriger macht. Der Polizist Alfons verliebt sich zwar in sie und unterstützt sie finanziell, aber als er von ihrer Vorstrafe erfährt, beendet er die Beziehung aus Angst um seine Karriere. Ohne Arbeit, ohne Geld, ohne Hilfe verliert Elizabeth schlussendlich ihren Glauben, ihre Liebe, ihre Hoffnung und nimmt sich das Leben.
Elizabeth ist umgeben von Männern, die sich in verschiedenen Machtpositionen ihr gegenüber befinden und sie die Unfähigkeit der weiblichen Bevölkerung und die Abhängigkeit jeder Frau von einem, wenn nicht sogar mehreren Männern, nicht vergessen lassen. Aber da sind auch Frauen, die genauso wie Elizabeth ihr Leben bestreiten müssen – sei es als oftmals misshandelte Prostituierte oder malträtierte Ehefrau – und täglich aufs Neue ihren eigenen Unabhängigkeitskrieg kämpfen. Elizabeth und ihre Kolleginnen sind ständig den Beleidigungen und Anschuldigungen von Männern ausgesetzt, denen sie nur Stille und Unterordnung entgegenbringen können. Auf eindeutig zweideutige Angebote können sie stets nur mit einem höflichen „Nein, aber danke“ antworten, obwohl sie sich sichtlich unwohl fühlen, ja scheinbar körperliche Schmerzen empfinden. Der Zwang zur passiven Schutzhaltung wird durch brutales Durchgreifen forciert. Selbständige und selbstbewusste Frauen werden bestraft, verprügelt, vergewaltigt. Es bleibt nur die Flucht hin zum unbeteiligten, starren Blick.
Die ewige Suche nach dem eigenen Glück ist ein zeitloses Thema. Gekoppelt mit der Thematik der Benachteiligung der Frau in Gesellschaft, Beruf und Familie ist „Glaube Liebe Hoffnung“ unglaublich aktuell. Nina Steils (Elizabeth) gelingt es im Wirrwarr der sich ständig verändernden Bühne mit Bravour die Irritation über ihre Umgebung und die Vorgänge der Männerwelt auszudrücken. Zwar kann die Schauspielerei ihrerseits und auch auf Seiten ihrer Kollegen die Zuschauer mit ihrer aufgesetzten und überspitzten Art zunächst verwirren, jedoch entwickeln sich die kleinen Eigenarten der Figuren nach einiger Zeit zu unterhaltsamen Komponenten der insgesamt runden Inszenierung. Die zusätzlich zum Bühnenbild entstehende Geruchskulisse, von Zigarrenrauch bis Sauerkraut, ist ebenfalls ein Faktor, welcher die fast absurd wirkenden Szenen realer erscheinen lässt und das Publikum im Nachhinein über fliegende Kondome und Taubenfutter hinwegsehen lässt.
Kritik: Anna Matthiesen