Die drückende Schwüle hat sich den ganzen Tag über aufgebaut, als am Abend dieses Sonntags, 11. August 2019, dunkle Wolken am Himmel aufziehen. Ein kleiner Vorgeschmack auf das funkige Soundgewitter, das Elephant Gym an diesem Abend im Backstage Club abliefern sollten.
Die Band aus Taiwan hat sich dem Math Rock verschrieben, einer rhythmisch besonders anspruchsvollen Variante der progressiven Musik, beeinflusst durch Bands wie King Crimson oder Bellini. Der Name ist dabei programmatisch zu verstehen: Der „Elephant“ steht für die zentrale Funktion des treibenden Basses, das „Gym“ nimmt Bezug auf die „Fingergymnastik“, die diese aufwändige Musik erfordert. Gegründet wurde die Band im Jahr 2012 durch den Gitarristen Tell Chang und seine Schwester KT Chang am Bass, außerdem holte man den begabten Schlagzeuger Chia-Chin Tu mit an Bord. Die beiden Geschwister übernehmen neben ihrem fantastischen Instrumentalspiel auch beeindruckende, teils mehrstimmige Gesangsparts.
Als die Band recht pünktlich um 20 Uhr die Bühne betritt, befinden sich etwa 30 Personen im Backstage Club, nur einige mehr sollten es dann später auch werden. Ein „Special Interest“-Konzert eben, wie anzunehmen war. Das Publikum ist international, es wird vor allem Englisch gesprochen. Als die Musiker zu spielen beginnen, sind die Hörer gleich mittendrin. funkige Schlagzeuggrooves treiben die durchaus tanzbaren Songs voran. Chia-Chin Tu bedient außerdem an einigen Stellen des Konzerts einen Laptop, um kurze Samples abzuspielen. Fast alles spielt die Gruppe jedoch live. Die Telecaster special edition und der Fender Jazz Bass bringen beide nicht nur optisch Vintage Vibes auf die Bühne. Der Gitarrensound ist klassisch und knackig, gekonnt setzt Tell Chang wenige Effekte ein. Sein Spiel wechselt jazzig-funkige Phrasierungen mit rockigen Lead- und Rhythmuspassagen ab. Der Bass sticht besonders hervor. Er klingt warm und sauber, aber auch rockig, wenn er muss. KT Chang setzt besonders gerne schnelles Tapping ein, das Bassspuren ermöglicht, die in Geschwindigkeit und Tonumfang mit anderen Techniken nicht spielbar wären. Besonders auffällig donnert der Bass mit Achteln oder Sechzehnteln unter der Rhythmusgitarre herum.
Die Band wirkt sehr passioniert und spielt sich gekonnt durch die anspruchsvollen Songs, dennoch kann man ihnen die Aufregung auf ihrer ersten Europa-Tour anmerken. Viele Ansagen werden von der zierlichen und sympathischen Bassistin übernommen, die außerdem eine besondere Vorliebe für das örtliche Bier zu haben scheint; drei kleine Flaschen leert sie während des Konzertes. Sie hätten sich damit abgefunden, als Band wohl nie Weltruhm mit ihrer Sparten-Musik zu erreichen, aber seien umso dankbarer für jeden, der ihre Musik würdigt. Tell Chang gibt ab und an Hintergründe zu einigen der Kompositionen. So erzählt er beispielsweise von seinem abgebrochenen Filmstudium, bei dem ihm die Filmmusik stets am meisten Spaß bereitet habe, gerade wegen ihrer Unkonventionalität. Ein Musikstück auf solcher Basis begleitet der sonstige Gitarrist am Klavier. Sogar Schlagzeuger Tu richtet einige Worte ans Publikum, obwohl er laut eigener Aussage sehr scheu sei. Die Musiker sprechen übrigens ein gutes und fließendes Englisch, nur ab und an ist ein Wort mal nicht gleich parat.
Die Band gibt drei Zugabensongs und liefert musikalisch nochmals ein feuriges Finale, das Selfie mit dem Publikum darf natürlich auch nicht fehlen. Nach der Show mischt sich die Band ins Publikum und gibt sich nah, dankbar und abermals sehr sympathisch. Der Merch-Stand ist gut besucht. Man könne ja nicht wieder mit so schwerem Gepäck nach Taiwan zurück, scherzt KT Chang.
Bericht: Thomas Steinbrunner