Was soll ich sagen! – Christian Gerhaher & Gerold Huber in der Staatsoper (Kritik)

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Als bekannt wurde, dass Piotr Beczala für Roberto Alagna in Bayreuth einspringt, um den Lohengrin zu mimen, blieb die Frage zurecht offen, was denn nun eigentlich mit seinem Liederabend an der Staatsoper passiere. Man kann sich durchaus glücklich schätzen, in München und Umgebung einige hochkarätige Sängerinnen und Sänger sesshaft zu haben, denn so erklärte sich Christian Gerhaher, der sowieso derzeit den Amfortas in „Parsifal“ während der Festspiele mimt, zu einem Liederabend bereit, gemeinsam mit seinem Weggefährten und Pianist Gerold Huber. Und um diesen mehr als würdigen, wahrscheinlich sogar besseren Ersatz, noch die Krone aufzusetzen, bietet das Duo zwei großartige Liederzyklen von Robert Schumann dar: „Dichterliebe“ und „Zwölf Gedichte“. Doch, die Zeichen für diesen Montag, 23. Juli, in der Bayerischen Staatsoper standen bereits bestens – und sollten nicht täuschen.

© Alexander Basta for Sony Classical

Selbst wenn Gerhaher als Bariton-Allzeitwunder gerne in etlichen Opern-Produktionen der Staatsoper engagiert wird, ist er in erster Linie für seine Liederabende bekannt und letztendlich auch damit bekannt geworden. Seit der Studienzeit spielt und singt er sich gemeinsam mit Huber durch das Repertoire verschiedenster Sprache, hat doch aber ganz besonders seine Passion in den Werken Robert Schumanns gefunden. Dass er diese praktisch schon blind singen kann, zeigen seine äußerst seltenen Blicke in das Noten- und Textbuch, Gerhaher gestikuliert lieber etwas mehr, arbeitet mit Körpersprache. Auch Huber spielt die Lieder mit einer wahnsinnigen Routine, die weniger störend ist, sondern mehr ein angenehmes Gefühl vermittelt – nein, die beiden haben die Zyklen nicht tot gespielt, sondern erst richtig lebendig gemacht!

© Gregor Hohenberg / Sony Classical

„Ich weiß, es ist nichtig, aber es ist schön, mal alles zu verstehen“, sagt eine begeisterte Zuhörerin. Und durchaus, Klavier und Gesang harmonieren perfekt miteinander, Gerhahers Artikulation ist bis ins Detail ausgearbeitet und vor allem in den deutschsprachigen Liedern bestens zu verstehen, sodass ein Mitlesen im Programmbuch überhaupt nicht nötig wird. Etwas befremdlich im Kontext wirken dagegen die kleinen Gedichte, welche von Claude Debussy vertont wurden – in französischer Sprache in wesentlich weniger greifbaren Strukturen – im Zusammenspiel mit den melancholischen und doch recht eingängigen Liedern Schumanns hierbei weniger angenehmer Kontrast als eher krude Einleitung. Zwar nur kurzweilig, aber nicht unbedingt ganz passend. Dagegen dürfte aber wohl die „Dichterliebe“ op. 48 von Schumann im ersten Akt das absolute Highlight des Abends gewesen sein. Die 16 Lieder springen von schnell-mitreißend („Die Rose, die Lilie“) zu langsam-dramatisch („Ich hab‘ im Traum geweinet“) und wieder zurück; lyrisch sind sowieso alle Werke, denn die Gedichte von Heinrich Heine fangen der Zeitgeist der Spätromantik so gut ein wie kaum andere Schriften.

Die zweite Hälfte kann da, trotz zwei starker Zugaben, nicht ganz mithalten, zu groß waren die vorausgegangenen Werke. Aber das ist nicht weiter schlimm, Christian Gerhaher und Gerold Huber haben nur ein weiteres Mal bewiesen, wie zurecht bejubelt ihre Liederabende sind. Der Applaus ist kräftig, aber überraschend zurückhaltend – minutenlange Standing Ovations wären bei dieser Leistung angebrachter.

Kritik: Ludwig Stadler

Programm:

Claude Debussy
Trois Chansons de France
1. Rondel
2. La grotte
3. Rondel

Robert Schumann
Lieder und Gesänge op.27
1. Sag an, o lieber Vogel mein
2. Dem roten Röslein gleicht mein Lieb‘
3. Was soll ich sagen!
4. Jasminenstrauch
5. Nur ein lächelnder Blick

Robert Schumann
Dichterliebe op.48
1. Im wunderschönen Monat Mai
2. Aus meinen Tränen
3. Die Rose, die Lilie
4. Wenn in deine Augen seh‘
5. Ich will meine Seele tauchen
                6. Im Rhein, im heiligen Strome
                7. Ich grolle nicht
8. Und wüssten’s die Blumen, die kleinen
9. Das ist ein Flöten und Geigen
10. Hör‘ ich das Liedchen klingen
11. Ein Jüngling liebt ein Mädchen
12. Am leuchtenden Sommermorgen
13. Ich hab‘ im Traum geweinet
14. Allnächtlich im Träume
15. Aus alten Märchen
16. Die alten bösen Lieder

– Pause –

Claude Debussy
Trois poémes de Stéphane Mallarmé

1. Soupir
2. Palcet futile
3. Eventail

Robert Schumann
Zwölf Gedichte op. 35
1. Lust der Sturmnacht
2. Stirb, Lieb‘ und Freud‘!
3. Wanderlied
4. Erstes Grün
5. Sehnsucht nach der Waldgegend
6. Auf das Trinkglas eines verstorbenen Freundes
7. Wanderung
8. Stille Liebe
9. Frage
10. Stille Tränen
11. Wer machte dich so krank?
12. Alte Laute

– Zugabe –

Robert Schumann
1. Der Einsiedler
2. Mein Wagen rollet langsam