Es war eine freudige Nachricht für alle Hosen-Fans, insbesondere nach der Absage der gesamten Unplugged-Tour 2020 – Campino bringt ein Buch raus. „Hope Street: Wie ich einmal englischer Meister wurde“ ist der Titel und beschäftigt sich -natürlich- mit Fußball, genauer gesagt mit der Liverpool-Saison 2019. Es geht dabei zwar sehr viel, aber nicht nur um Fußball – er erzählt auch, wie es überhaupt dazu kam, dass er eine britische Mannschaft mit so viel Herzenslust anfeuern kann. Und außerdem: die Die Toten Hosen waren 2019 auf Tour, so ganz ohne das Thema läuft das Buch auch nicht. Die Münchner Lesung dazu findet nun im zweiten Anlauf statt – am 17. August 2021 auf der Sommerbühne im Olympiastadion.
Zur arg ungeraden Uhrzeit von 20:07 Uhr schreitet Campino auf die Bühne – und hat Kuddel, seines Zeichens Gitarrist und musikalisches Hirn der Toten Hosen, im Schlepptau. Der sitzt über den Abend auf einem Sessel auf der Bühne, schlürft einen Tee und steht gelegentlich auf, um ein paar Lieder auf der Gitarre zu begleiten. Wer erwartet, dass man sogleich mit Hosen-Smashern den Abend beginnt, irrt gewaltig – ganze 75 Minuten dauert es, bis bekanntere Klänge ertönen. Zuvor gibt es erst einmal: Fußball-Songs. Immer im Zweier-Block präsentiert der Düsseldorfer wechselnd Fan-Gesänge oder ausgewählte Cover und liest ein Kapitel aus „Hope Street“, relativ konstant und nur mit wenigen Anekdoten dazwischen. Da das Buch selbst aber ein reines Anekdoten-Umherwerfen ist, fällt das weniger ins Gewicht. Das Publikum lacht und freut sich, allerdings sind nicht wenige Besucher etwas verwundert – die Tatsache, dass hier nun eine Fußball-Lesung folgt und nicht, wie zuletzt spontan in Düsseldorf nach der Lesung geschehen, die Toten Hosen ein Spontan-Konzert geben, bläut nur langsam.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf und dem gewissen Interesse für Fakten-Dropping über den FC Liverpool kann man einen amüsanten Abend verbringen – anderweitig ist vor allem die erste Hälfte von ordentlichen Längen geprägt. Natürlich zeichnet es Campino aus, dass er eben nicht nur für die Musik, sondern auch für Fußball leidenschaftlich brennt, und genau zeichnet es ihn dementsprechend aus, gerne mal arg ins Detail zu gehen. Dennoch wählt er ein Kapitel aus, dass von seinem Aufwachsen und Verhältnis zu den Eltern handelt, eine Erzählung, denen die Münchner gebannt zuhören. Anschließend folgt zwar nicht das erhoffte „Draußen vor der Tür“, sondern ein Cover eines Johnny Cash-Covers, aber eben auch „Steh auf, wenn du am Boden bist“. Das nimmt sich das Münchner Olympiastadion zu Herzen und erhebt zum ersten Mal am Abend sich von den Plätzen – die Hosen-Songs, sie machen eben immer noch am meisten Stimmung, selbst komprimiert auf Gesang und Akustik-Gitarre.
Am Ende überzieht Campino natürlich – ein wenig Punk ist selbst bei einer Lesung noch im Blut des Sängers. Das fast schon standardmäßige „Tage wie diese“ hätte man zwar auch lassen können, aber immerhin hat es doch Stadion-Flair, wenn die Südkurve das Lied mitsingt. Als kleine Zugabe gibt es dann einen Klassiker, den man so akustisch wohl höchstens selbst angetrunken am Lagerfeuer gehört hat: „Eisgekühlter Bommerlunder“. Um 22:15 Uhr erlischt das Stadionlicht. Es gab zwar Gegentore, aber insgesamt: Spiel gewonnen.
Setlist: Long Way From Liverpool / Hope Street / Whole Wide World / The Fields Of Anfield Road / Poor Scouser Tommy / You’re No Good / If We Never Meet Again This Side Of Heaven / Steh auf, wenn du am Boden bist / Auswärtsspiel / Liebeslied / Tage wie diese / You’ll Never Walk Alone – Zugabe: Eisgekühlter Bommerlunder
Bericht: Ludwig Stadler