Selten ist das Foyer des Deutschen Theaters München nicht nur so voll an Leuten, sondern auch an Erwartung. Die Vorfreude der Besucherinnen und Besucher liegt förmlich in der Luft, obwohl der Auftritt des großen Star des Abends noch über eine Stunde entfernt ist – Bonnie Tyler. Die kultige Rock-Röhre beehrt nach einigen Jahren wieder einmal die bayerische Landeshauptstadt für ein volles Konzert, dieses Mal als Abschluss des Osterwochenendes, nämlich am Ostermontag, 2. April 2018. Das 40-jährige Bestehen ihres Songs „It’s A Heartache“ ist der Anlass, und auch wenn der arg an den Haaren herbeigezogen klingt, ist es doch völlig egal, denn wichtig ist nur, dass sie auf der Bühne ihre großen und kleinen Lieder performt. Das Publikum dankt ihr bereits als Vorschuss – und verkauft das gesamte Deutsche Theater aus.
Um kurz nach 19:30 Uhr kommt dann aber erst einmal eine junge Frau mit Akustik-Gitarre auf die Bühne, die zu jung für Bonnie ist und ihr auch kaum ähnelt. Es dauert, bis das Publikum begreift, dass dies quasi die Vorgruppe ist, die, außer klein auf der Homepage, nirgends angekündigt wurde. Sharron Levy, Musikerin und Halbfinalistin der ersten „The Voice of Germany“-Staffel aus Salzburg, geboren in Israel, erweist sich in jedem Fall als sehr sympathisch in ihrem Auftreten und bietet passioniert ihre Lieder dar, die sie vor ein paar Jahren mit Unterstützung von Nena (ja, DER Nena) veröffentlichte. Leider wirken diese arg belanglos und seicht, auch ziemlich uninspiriert, was das fröhliche Auftreten auch nur bedingt retten kann. So kommt der Abschluss mit dem neuen Song „Cold Feet“, der ziemlich 1:1 nach „Dance With The Devil“ von Breaking Benjamin klingt, nach 30 Minuten doch ganz recht und die Wahl-Österreicherin wird mit Applaus verabschiedet.
Setlist: Let Me Hear You Scream / Rhythm In My Head / Carrying My Emotions / The London Story / Just You And Me / Cold Feet
Die folgende Umbaupause dürfte die kürzeste der Live-Historie sein, denn nach gerade einmal vier (!!) Minuten betritt die gesamte Band die Bühne und stimmt „Flat On The Floor“, das Carrie Underwood-Cover vom aktuellen Album, an, bevor dann auch endlich die einzig wahre Bonnie Tyler auf die Bühne kommt. Ziemlich wahrscheinlich hat das Deutsche Theater noch nie so einen lauten und wuchtigen Rock-Sound im Theatersaal gehabt wie hier, obwohl alle Instrumente genau zu hören und dementsprechend fein abgemischt sind, sogar besser als die meisten Musical-Gastspiele. Tyler selbst singt sich die Seele aus dem Leib und röhrt kräftig ins Mikrofon, das gesamte 90-minütige Set durch. Wenn sie nicht gerade mit ihrer immer noch einzigartig-kratzigen Stimme ihre zeitlosen Hits anstimmt, erzählt sie. Und das nicht zu wenig.
Bonnie Tyler ist wohl das, was man auf bayerisch am besten als „krachert“ bezeichnen könnte. Sie poltert los mit alten Geschichten, erzählt von ihren vergangenen Zusammenarbeiten und der tragischen Zeit einer Stimmband-OP, bei der sie nicht reden durfte. Im Zugaben-Block kündigt sie an, ihren Ehemann auf die Bühne zu holen, und brüllt im nächsten Moment „Robert“ in ihr Mikrofon, was alle im Saal auflachen lässt. Dabei wirkt die inzwischen 66-Jährige zu keinem Moment arrogant oder gar divenhaft, sondern durchwegs sympathisch und glücklich, dabei aber auch ein wenig stolz auf all das, was sie in den letzten Jahrzehnten geschafft hat. Zurecht, denn auch wenn ihre Stimme bei den hohen Tönen dann doch ein paar Abnutzungserscheinungen zeigt, klingen die unsterblichen Hits wie „It’s A Heartache“ und „Total Eclipse Of The Heart“ immer noch so mächtig wie am ersten Tag.
Im Prinzip ist das, was Tyler auf der Bühne abliefert, Rock-Musik. Und trotzdem war es damals Pop. Wann hat sich die Pop-Musik eigentlich zu so generischen und musikalisch minderwertigen Beat’n’Bass-Kram entwickelt, der im Radio rauf und runter läuft? Ist „Die perfekte Welle“, eines DER deutschen Pop-Lieder, eigentlich nicht auch mehr Rock als Pop? Tyler schwimmt weiterhin auf der Oldschool-Welle mit, genau wie ihre Genre-Kollegin Kim Wilde, denn nur weil man massentauglich agiert, heißt es nicht, irgendeinen musikalischen Anspruch zu verlieren. Spätestens bei „Faster Than The Speed Of Night“, das dann tatsächlich weniger mit Pop und mehr mit Rock zu tun hat, zeigen die Musiker, was sie können, und steigern sich zu einem wuchtigen Sound-Ball, den das mittlerweile stehende und laut applaudierende Publikum dementsprechend würdigt. Bonnie – mögest du noch lange die Fahne der elektrischen Gitarre im Pop hochhalten und deine Lieder singen. Wir sind beim nächsten Mal wieder dabei, versprochen!
Setlist: Flat On The Floor (Carrie Underwood Cover) / Have You Ever Seen The Rain? (Creedence Clearwater Revival Cover) / To Love Somebody (Bee Gees Cover) / Lost In France / It’s a Heartache / Medley 1 (Goodbye To The Island / I’m Just a Woman / Take Me Back / It’s a Jungle Out There / Here She Comes) / This Is Gonna Hurt / Medley 2 (More Than a Lover / Against The Wind / If You Were a Woman (And I Was a Man) / Bitterblue) / Notes From America / Total Eclipse Of The Heart / Faster Than The Speed Of Night – Zugaben: Turtle Blues (Janis Joplin Cover) / River Deep, Mountain High (Ike & Tina Turner Cover) / The Best / Holding Out For A Hero
Bericht: Ludwig Stadler
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