„Ich hab mir alle Powerwolf-Alben gekauft!“ – Eric Bass von Shinedown im Interview

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In Amerika sind sie ein Act, der große Stadien füllt, aber auch in Europa haben sie sich über die vergangenen 18 Jahre etabliert: Shinedown. Die Rock-Band kam nach sechsjähriger Abstinenz wieder nach München, in die Muffathalle, wovon wir redaktionell und fotografisch berichteten. Bereits vor dem langen, aber auch fantastischen Abend haben wir uns zum Interview mit der Band getroffen, genauer gesagt mit Bassist Eric Bass, der zudem auch das gesamte neue Album „Attention Attention“ produziert hat. Er ließ uns in den hochmodernen und schönen Nightliner hinein und schenkte uns etwas seiner Zeit, um mit ihm über das neue Album, die Tour und die Liebe zu Powerwolf zu sprechen.

 

Kultur in München: Hallo Eric! Erst einmal natürlich: vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns nimmst!

Danke euch!

Kultur in München: Wie läuft die Tour bisher?

Großartig! Macht Spaß, viele ausverkaufte Shows. Wir waren auch wirklich lange nicht mehr hier. Natürlich sind wir für die Festivals hier gewesen und im Vorjahr mit Iron Maiden, insgesamt sind wir oft in Europa, aber so eine Headliner-Tour hatten wir lange nicht mehr.

Kultur in München: Stimmt, mit dem letzten Album hattet ihr ja keine Tour hier, außer der Festival-Tour.

Genau. Und eben die Shows mit Iron Maiden. Wir hatten eine Solo-Show in Hamburg – die heißeste Show, die wir jemals gespielt haben. Es war sogar so heiß, dass wir zwei Songs aus der Setlist streichen mussten. Aber das wird heute nicht passieren – heute wird es lustig.

Kultur in München: Das wird wirklich nicht passieren, die Location ist super! Sogar die beste, die wir in München haben. Entschuldige übrigens, mein Englisch ist nicht das Beste.

Es ist voll okay. Mein Deutsch ist schrecklich (lacht)!

Kultur in München: Ich bin mir auch sicher, dass mein Englisch besser als dein Deutsch ist.

Das verspreche ich dir! Ich kann manche Wörter… Apfel… Wasser… Ich habe mal Deutsch gelernt, aber das Problem war einfach, dass ich es kaum genutzt habe. Und was man nicht anwendet, das vergisst man. Es ist immer etwas schade, wenn wir hier sind und nicht die Sprache können. Ich würde gern mit allen in ihrer Sprache kommunizieren. Respekt an die Leute, die das können. Vielleicht nächstes Mal (lacht).

Kultur in München: Wenn ich Deutsch lernen müsste, würde ich wahrscheinlich scheitern. Englisch ist schon hart genug!

Aber immerhin sind beide Sprachen teilweise recht ähnlich. Viele ähnliche Wörter und sehr lateinorientiert.

Kultur in München: Wobei Französisch und Spanisch dann doch noch stärker an Latein orientiert ist. Eine eigene Sprache. Jedenfalls: unsere beste Location hier! Direkt an der Isar, mitten in München, tolle Akustik! Ich hoffe, euer Tonmischer ist gut.

Er ist einer der Besten! Hat auch schon für Metallica gearbeitet. Er mag es laut. Aber das ist okay – es ist Rock’n’Roll!

Kultur in München: Natürlich! Sonst spielt hier eh fast nur Indie und Pop. Sum 41 waren letztes Jahr hier – und Heaven Shall Burn, eine deutsche Death Metal-Band, haben hier gespielt. Vielleicht hast du den Namen ja schon einmal gehört? Aber das war’s an Rock.

Der Name sagt mir war. Meine Lieblingsband zurzeit ist ja Powerwolf! Bisher habe ich sie immer verpasst leider. Eine großartige Band mit großartigen Liedern, ich mag ihre Metal-Messe und ihre Outfits. Aber sie nehmen sich selbst nicht zu ernst, sie scherzen untereinander, das finde ich gut. Viele Bands nehmen sich da viel zu ernst. Ich meine, die sind schon ernst bezogen auf ihre Musik, aber backstage sind die Typen super. Schau auf ihr Instagram, die sind superlustig!

Kultur in München: Ich hab sie 2016 auf dem Rockavaria gesehen. Die hatten eine wirklich gute Show dabei.

Wir haben sie gerade erst entdeckt, weil wir auf einem gleichen Festival wie sie gespielt haben. Wir sahen, wie sie sich mit Make-Up und allem vorbereiteten, das finden wir schon interessant. Und danach, als die neue Platte erschienen ist, kam Brent (Smith, Shinedown-Sänger, Anm.) zu mir mit der neuen Single „Demons Are A Girl’s Best Friend“ und meinte: „Schau es dir an, das ist so gut!“ Dann habe ich mir alle Platten gekauft und wurde echt ein großer Fan (lacht).

Kultur in München: Vor elf Tagen haben sie in München im Zenith gespielt und es vollkommen ausverkauft, 6000 Leute.

Das ist toll! Irgendwie erwische ich sie auch noch live.

Kultur in München: Aber wir sind ja heute nicht wegen Powerwolf hier, sondern wegen eures neuen Albums „Attention Attention“. Es ist wie eine Achterbahnfahrt mit komplett eigener Dynamik! Ich mag den Aufbau: harter Beginn mit „Devil“, fast schon poppige Mitte mit „Get Up“ und ein positiver Punk-Metal-Song mit „Brilliant“. In Europa habt ihr erstmals diese Struktur auf die Konzerte transportiert. War das euer Ziel und wie funktioniert es nun?

Unser Ziel ist es sowieso, irgendwann das gesamte Album zu spielen. Aber ja, es funktioniert sehr gut! Wir wussten ja, dass es jetzt einen längeren Tourabschnitt gibt, außerdem sind die Lieder jetzt auch alt genug, dass die Leute sie kennen, also warum nicht mit „Brilliant“ schließen? Zudem ist das ja ein „Story in der Story“-Konzept: jeder Song hat individuell eine Message, aber auch alle zusammen ergeben ein gesamtes Bild. Deshalb starten wir auch mit „Devil“, der Song ist sehr hart. Es geht darum, was wir die letzten Jahre alles durchmachen mussten… Depressionen, Drogen, Alkohol… es ist ein sehr bedeutendes Lied für uns, das einfach zeigt, dass man erst einmal alle Teile wieder zusammensetzen muss, die man zerbrochen hat. Das ist eine lange Reise. „Get Up“ war das erste Lied, dass es  für uns akzeptabel gemacht hat, auch über persönliche Dinge zu schreiben. Natürlich geht es bei uns immer um Erfahrungen, aber meistens im metaphorischen Zusammenhang. Als Brent den Text über meine Depressionen geschrieben hat, war das wie eine Befreiung. Es erlaubte uns auch, das Album persönlicher zu schreiben. Auch in der ersten Person direkt über solche Erlebnisse zu singen. Und „Brilliant“ ist die Person, die es geschafft hat, über den eigenen Dämonen zu stehen. Man kann sie nicht besiegen, das ist der Punkt, man muss es akzeptieren und respektieren, sonst fällst du wieder zurück. Es ist einfach interessant, die Leute durch die Reise des eigenen Lebens zu nehmen.

„Get Up“ ist immer ein toller Moment in der Show. Einerseits singen einfach so viele Leute mit, das ist immer sehr schön. Du sagtest vorhin, es sei poppig? Bei Shinedown schreiben wir immer genau das, was wir gerade schreiben wollen. Wir nehmen uns kein Genre vor, wir schreiben einfach das, was wir gerade fühlen. Ich hatte zum Beispiel die Musik und Melodie für den Song seit 2016 auf meinem Handy. Und wir haben sehr schnell viele Reaktionen auf den Song bekommen, denn selbst wenn man nicht depressiv ist, gehen doch alle durch schwere Zeiten im Leben. Andererseits mag ich den Song live so gerne, weil ich mal durchatmen kann (lacht). Ich springe die ganze Zeit so viel herum, da ist es gut, einmal etwas Ruhigeres zu haben. Und zu „Brilliant“: viele Bands spielen einen großen Hit zum Schluss – wir wollten da einfach mal was anderes probieren!

Kultur in München: Mich hat es sehr gefreut, dass ihr euch entschieden habt, „Brilliant“ in euer Haupt-Set mitaufzunehmen.

Es ist auch einer dieser tollen Schlüssel-Songs, die alles gut beschreiben. In den Staaten hören wir oft, dass Rock tot sei und Hip-Hop und Pop jetzt alles übernehmen würden – aber wir können das einfach nicht glauben, auch wenn wir es immer hören. Im Sommer haben wir jeden Abend Arenas voller Menschen bespielt, die Rock-Musik hören wollten. Rock kann also noch nicht tot sein. Auch, als wir die Iron Maiden-Shows in Europa supportet haben – junge und alte Fans haben der Band zugejubelt, sie fast schon vergöttert. Das hat uns einfach wahnsinnig inspiriert. Wir sind direkt nach der Tour ins Studio und haben u.a. „Devil“ und „Brilliant“ geschrieben. Ein großer Teil des Albums ist also von europäischem Publikum stark inspiriert.

Kultur in München: Einer der Vorteile hier ist ja, dass ihr mehr Zeit habt. In Amerika hattet ihr rund 75 Minuten jeden Abend, dieses Mal habt ihr faktisch keine Grenzen und pendelt irgendwo zwischen 90 und 100 Minuten. Am Vor- und Folgetag habt ihr ja einen Off-Day, da könnt ihr heute in München Vollgas geben.

Ach, wir spielen das auch, wenn wir drei Shows am Stück haben. Die Menschen haben uns Jahre nicht gesehen, da wollen wir sie nicht enttäuschen. Schwierig ist das immer nur z.B. mit der Art, wie Brent singt – er hat sehr komplexe und schwierige Songs, ohne Ausnahme. Wir alle würden gern 22 Songs oder mehr spielen, aber auf dem Level sind 17 oder 18 Songs einfach das absolute Maximum für uns. Aber das wollen wir jeden Abend den Fans geben.

Kultur in München: Spannend ist auch, dass ihr durchwechselt und nicht nur ein Standard-Set habt, wie in Amerika. Ihr habt beispielsweise „Call Me“, „Amaryllis“ und „Through The Ghost“ gespielt.

Ja, und auch „Misfits“, „Monsters“, „Left Out“, „Lost In The Crowd“, teilweise akustisch. Wir versuchen einfach, etwas durchzumischen und nicht jeden Abend das Gleiche zu spielen. Es ist auch spannend für uns, wir müssen die Songs immer lernen. Wenn wir uns spontan entscheiden, dass wir diesen oder jenen Song spielen, müssen wir erst einmal überlegen. Es ist sehr spontan. Bei „The Crow And The Butterfly“ wollte ich einmal ein Solo spielen, aber dann hat Zach (Myers, Shinedown-Gitarrist, Anm.) den falschen Akkord gegriffen. Ich dachte in dem Moment, dass ich etwas verhauen habe, und sah ziemlich blöd aus der Wäsche. Wir sind auch nur Menschen und haben in dem Moment den Leuten wahrscheinlich etwas Besonderes gegeben. Aber das hält uns jung. In Amerika haben wir eine Riesen-Produktion mit Pyro, Lichtshow und vielem mehr – da geht sowas leider nicht wirklich.

Kultur in München: Ihr seid das erste Mal seit sechs Jahren in München. Habt ihr uns vermisst?

Natürlich!

Kultur in München: Hast du irgendeine Verbindung zu unserer Stadt? Oder: was weißt du über uns?

Meine Geschichte mit München ist leider nicht die umfangreichste. Ich lese sehr viel über den Zweiten Weltkrieg, das finde ich sehr spannend, und vieles aus den Anfangszeiten ist hier passiert. Das ist natürlich wahnsinnig interessant. Ansonsten gefällt mir der Marienplatz sehr gut, auch das Neue Rathaus. Beim ersten Mal fand ich das sehr beeindruckend. Allgemein waren die ersten Male hier sehr spannend – ich war einfach noch nie in Europa und man vergisst nie den Moment, wenn man eine Stadt wie München das erste Mal sieht. Einmal bin ich nachts etwas hier spazieren gegangen, das fand ich wunderschön. Ich wünschte, ich wüsste mehr über eure Stadt!

Kultur in München: Was hast du gestern am Off-Day hier gemacht?

Ich war in meinem Hotelzimmer, weil es kalt war (lacht). Wir sind erst spät angekommen, die Reise aus Polen war lange. Ich hab an meinem Buch geschrieben und einfach versucht, etwas produktiv zu sein. Im Studio Lieder zu schreiben finde ich großartig, das ist so produktiv, aber das geht auf Tour nur schwer. Deswegen versuche ich anderweitig produktiv zu werden, wie jetzt eben mit dem Schreiben.

Kultur in München: Man bekommt ja auch mehr Input durch die Energie auf der Bühne.

Ja, wobei ich auf der Bühne schon anders bin. Also ich bin schon die gleiche Person, aber sehr wild und voller Energie. Ansonsten bin ich sehr ruhig und zurückhaltend.

Kultur in München: Ihr seid hier im Sommer gewesen, bei Festivals und einigen Headliner-Shows. Jetzt die Headliner-Tour. Plant ihr, noch einmal zurückzukommen oder seid ihr quasi fertig für den „Attention Attention“-Circle?

Nein, wir planen mit dem Album sehr lange zu touren. Das letzte Mal, dass wir ein Album hatten, über das wir so positiv dachten, war „Sound of Madness“. Nicht dass die beiden Alben dazwischen schlecht wären, aber dieses Mal wollen wir nicht das übliche Spiel mit einem Tourjahr und dann wieder ins Studio. Das ganze nächste Jahr und wahrscheinlich bis zur Hälfte 2020 wird damit getourt – wir wollen, dass das Album uns soweit trägt wie irgend möglich. Wir werden garantiert mit diesem Album zurück nach Europa kommen. Ich weiß noch nicht wann, aber wir werden mit „Attention Attention“ noch einmal vorbeischauen!

Kultur in München: Vielen Dank für deine Zeit und alles Gute für die Show heute Abend!

 

Interview (Planung, Durchführung und Nachbereitung): Ludwig Stadler