Es ist schon etwas her, dass die aktuelle Neuproduktion der Bayerischen Staatsoper in München zu sehen war. Umso erfreulicher ist es, dass in der Spielzeit 2024/25 der vielleicht bekannteste Doppel-Opern-Abend zurück auf die Bühne kehrt: „Cavalleria rusticana / Pagliacci“. Die beiden kurzen Operngeschichten entstammen zwar aus unterschiedlichen Federn, werden aber gerne aufgrund ihrer inhaltlich passenden Verknüpfung zusammengespielt. Musikalisch passt es sowieso, beides sind tief im Verismo verknüpfte italienische Werke. Die Inszenierung von Francesco Micheli feierte am 22. Mai 2025 Premiere.

Schon die ersten Minuten wissen zu entzücken: Ein Postkartenmotiv auf der Bühne, dort wortlos die Vorgeschichte zu sehen, während das Bayerische Staatsorchester unter der Leitung von Daniele Rustioni hinreißend die Ouvertüre zu „Cavalleria rusticana“ zum Besten gibt. Schnell wird Michelis Ansatz klar: zurückhaltend und sehr fokusorientiert auf die Charaktere. Zwar gibt es einen beachtlichen Moment, wenn die Drehscheibe heruntergelassen wird, ansonsten aber kaum Schauwerte, die Bühne bleibt konstant. Auch im Kostüm ergibt man sich dem unschuldigen Weiß. Das untermalt zwar wunderbar die Handlung, setzt aber der deutlich schwächeren Oper des Abends wenig entgegen.
Hervorheben darf nun die Musik. Neben dem fantastischen Staatsorchester dürfen vor allem Yulia Matochkina als Santuzza und Ivan Gyngazov als Turiddu gesanglich fesseln. Während Matochkina sich zwar etwas im Overacting verliert, gelingt es ihr so beeindruckend, ihre Stimme auszuschmücken, dass nicht nur einmal Szenenapplaus aufbrandet. Gyngazov dagegen scheint aufs Ganze zu gehen und legt Unmengen an Volumen in seine Stimme. Selbst das sowieso sängerfreundlich spielende Orchester übertönt er um ein Vielfaches, was für beachtlichen Applaus sorgt. So recht kann all das gegen die Längen des gerade einmal 75-minütigen Einakters dennoch nicht ankämpfen.

Überraschend nach der Pause, dass man sich für „Pagliacci“ ein nur teilweise übergreifendes Konzept ausgesucht hat: Die Farben sind satter, wir befinden 1970 in Italien und die Stimmung ist ausgelassen. Das passt wunderbar zu Leoncavallos beschwingter Musik und durch ein paar nette Regie-Einfälle auch ins Gesamtkonzept. Turiddo, wenn man so möchte, ist älter geworden und mittlerweile Canio. Der wird nun übernommen von Jonas Kaufmann, der sich damit die Partie mit mehr Gesang, aber vor allem deutlich mehr Schauspiel gesichert hat. Während er noch als Lebemann beginnt, schlägt später die Eifersucht und der Wahnsinn durch. Kaufmann gelingt das schauspielerisch wirklich gut, gesanglich wird besonders „Recitar!…Vesti la giubba“ zum Höhepunkt.
Neben ihm wissen Ailyn Pérez als Nedda und Wolfgang Koch als Tonio zu überzeugen. Beide gehen offensichtlich in ihren exaltierten Rollen auf und fügen sich in das vermeintlich farbenfroh-quirlige Theaterleben ein. Canio im grauen Anzug wirkt da im zweiten Akt deutlich bedrohlicher, was sich in der androhenden Katastrophe bewahrheitet. Das verletzte Männer-Ego aus „Cavalleria rusticana“ hat sich offensichtlich nie erholt, war nur in Lauerstellung, bevor es ausbricht. Man möchte gerne sagen, dass die Oper und auch ihre toxisch-maskulinen Figuren aus der Zeit gefallen wären, aber ein Blick auf die Welt verrät: Am Ende ist so ein Verhalten wohl aktueller denn je. Nur eine Clownsmaske zur Vertuschung ist längst nicht mehr nötig.
Bericht: Ludwig Stadler
Besuchte Vorstellung: 1. Juni 2025
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