Eine kulturelle Zumutung – Die Toten Hosen, Gerhard Polt & Well-Brüder im Schloss Oberschleißheim (Bericht)

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Was ist das nicht für eine wilde Kombination, wenn die Düsseldorfer Punkrock-Institution Die Toten Hosen immer mal wieder auf die bayerische Kabarett-Legende Gerhard Polt und das alteingesessene Musiktrio der Well-Brüder ausm Biermoos treffen. Schon seit den 80ern kennen sich die Gruppen, beim Protest in Wackersdorf haben sich die Hosen und die Wells, damals noch als Biermösl Blosn, getroffen und beim Fußballspielen über alle Genre- und Kulturgrenzen hinweg eine bis heute bestehende Freundschaft geschlossen. Kontinuierlich kommen die Gruppen für musikalische Treffen zusammen, zuletzt 2017 auf der „Im Auge des Trommelfells“-Tour. Nun folgt: „Forever – Eine kulturelle Zumutung“, was sie am 29. & 30. Juli 2023 zum Schloss Oberschleißheim führt. Open Air, deutlich größer als die vergangene Tour – und natürlich dennoch rasend schnell ausverkauft.

© Bastian Bochinski

Recht kurzfristig ging die gesamte Tour erst in den Verkauf, die Ankündigung erfolgte aus dem Nichts Ende Juni. Das hält die unzähligen Hosen-Fans dennoch nicht davon ab, die gesamte Tour flott auszuverkaufen. Dass die Münchner Gastspiele da besonders ziehen, gerade, wenn Gerhard Polt & die Well-Brüder mit dabei sind, kommt wenig verwunderlich. Idyllisch ist es in jedem Fall am zweiten Tag, die nachmittäglichen Regenschauer sind überwunden, nun bleibt nur noch die fantastische Kulisse des Schlosses, davor die Bühne, auf der sich um 20 Uhr die musikalische Garde einfindet. Der Startschuss für ein zweieinhalbstündiges Vergnügen!

Wer ein klassisches Hosen-Konzert erwartet, dürfte recht schnell enttäuscht sein. Natürlich rasseln im Laufe des Abends allerlei Songs wie „Laune der Natur“, „Alle sagen das“ oder auch Klassiker wie „Wünsch dir was“ in die Setlist, aber so ganz, wie man die Lieder sonst kennt, klingen sie dann doch nicht – allein schon, da man auf akustische Instrumente umsteigt und die Well-Brüder von Harfe bis Posaune allerlei neue musikalische Aspekte dazugeben. Es ist ein musikalischer Abend von drei verschiedenen Acts, die allesamt auch in etwa den gleichen Anteil bekommen – und dennoch häufig gemeinsam musizieren. So klimpern Breiti und Andi jeweils Zither und Hackbrett, während Campino das Alpenhorn bläst oder seine in Kindheitstagen erlernten Trompeten-Skills unter Beweis stellt, genauso wie die Wells kreativ die Hosen-Klassiker zu untermalen wissen. Das Ganze macht reichlich was her, bietet eine irre Soundkulisse und ist immer wieder eine große Freude – weniger eine Zumutung als eher Crossover in Reinkultur.

© Hans-Peter Hösl

Dazwischen immer wieder: Gerhard Polt. Mit 81 Jahren ist er der Älteste auf der Bühne, was ihm das Privileg gibt, gemächlich hinten an der Bühne sitzen zu können und immer dann nach vorne zu treten, wenn er eine Einlage bringt oder auch musikalisch tätig wird – denn auch Humorperlen wie „E-mam-Be-le“ oder „Dong Dong Dong Dong (Trucker-Song)“ gibt er zum Besten und bringt die Menge nicht nur einmal zum lautstarken Loslachen. Am kreativsten wird es sowieso immer dann, wenn alle gemeinsam musizieren – und da sticht nicht nur das altbekannte „Tanzlied“ der Well-Brüder hervor, sondern auch Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“, die Stofferl Well virtuos als Hauptstimme spielt, während die Hosen mit dem Brummtopf beschäftigt sind. Zum Ende dürfen nochmal alle ran: „Eisgekühlter Bommerlunder“ mit einem herrlich falsch reinrufenden Polt ist nach rund 155 Minuten der konsequente Abschluss eines Abends, der irgendwo zwischen absoluter Genialität und völligem Irrsinn landet. Vor allem aber: ein Unikat. Definitiv!

Bericht: Ludwig Stadler

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