Es ist die Zeit der Collab- und Headliner-Touren, betrachtet man die Tour-Line-Ups der vergangenen Monate. Einen solchen Zusammenschluss haben auch Don Broco und Sleeping With Sirens gewagt, die gemeinsam mit Ocean Grove als Opener durch Europa ziehen. An sich kein verkehrtes Packet, denn sowohl packende, punkige Metalcore von SWS als auch der abgefahren-überzogene Alternative Rock von Don Broco könnten eine passende Kombination ergeben. In München lockt dieses Paket immerhin allerlei Fans ins Technikum, die aber so gar nicht recht zusammenpassend aussehen. Vielleicht doch ein etwas wilder Zusammenschluss? Das Konzert am 8. März 2023 gibt Aufschluss.
Mit einer beachtlichen Portion an Energie starten Ocean Grove um 19:30 Uhr den Abend. Auch wenn die Bühne mit drei Schlagzeugen platztechnisch ordentlich ausgelastet ist, nutzen die Australier jeden Winkel und präsentieren ganze elf Songs in ihren 40 Minuten. Musikalisch mutet es wie ein wilder Mix aus Feel-Good-Pop-Punk, Riffs aus modernem Hardcore und dem Sound von Don Broco. Dementsprechend passend gestaltet sich der Auftritt, selbst wenn das optisch eher an Limp Bizkit anmutet, wenn Frontmann Luke Holmes mit Eimerhut hin und her tigert. Die Fans nehmen es recht gut an, obwohl der Funke nicht so recht überspringen mag.
Setlist: Superstar / Junkie$ / Sex Dope Gold / Guys From The Gord / Stratosphere Love / Silver Lining / Cali Sun / Neo / Ask For The Anthem / Bored / Sunny
Welche Band der beiden Co-Headliner nun folgt, ist bis zum Schluss nicht wirklich klar, einzig der Dinosaurier auf der Base-Drum des Schlagzeugs könnte verraten: hier kommen Don Broco. Dementsprechend legen die Briten dann auch gegen 20:30 Uhr mit „Bruce Willis“ und viel Getöse los. Bemerkenswert ist gleich zu Beginn die unfassbare Energie, die die Band mitbringt und auch dazu beigetragen hat, dass sie nach einigen Jahre konstantem Touren das Standing haben, eine ordentliche Menge zu ihren eigenen Konzerten zu bewegen. Obwohl Bassist Tom Doyle erkrankt ist und nur im Hintergrund kreidebleich die Bass-Spuren mitspielt, obwohl Frontmann Rob Damiani mit einer Erkältung zu kämpfen hat und nicht sich zum Schluss mehr durch die Lieder krächzt, gelingt es den fünf Jungs aus Bedford einen wahren Hexenkessel aus dem Technikum zu machen. In 55 Minuten gelingt ihnen die volle Bandbreite vom Circle Pit bis zum Crowdsurfen. Am Ende bleibt ihnen nur zu wünschen, dass sie die letzten paar Tourdaten noch in ihrem Zustand überstehen – und hoffentlich bald wieder (und gesund) zurückkehren!
Setlist: Bruce Willis / Manchester Super Red No.1 Fan / Gumshield / Come Out To LA / ACTION / One True Prince / Fingernails / Endorphins / Pretty / Nerve / Everybody / T-Shirt Song
Um kurz vor 22 Uhr stürmen Sleeping With Sirens für das Finale das Technikum – und lassen gleich bei „Break Me Down“ nichts anbrennen. Umherwirbelnde Gitarren, durch die Gegend fliegende Mikrofone und eine Geschwindigkeit an den Drums, die sogleich zu allerlei Moshpits führen. Die Amerikaner sind nicht hier, um eine entspannte Rockshow zu bieten, hier geht es um pure Energetik. Zwar stoppen sie innerhalb der überraschend harten Setlist einmal das Gelage, indem sie zu einem kleinen Block mit Akustik-Block ansetzen, den die Münchner*innen für lautstarkes Mitsingen nutzen, aber ansonsten brettern sie durch ein Set, das den deutlichen Fokus auf ihr 2019er-Album „How It Feels To Be Lost“ legt – das Album, das sie wieder auf den Schirm vieler E-Gitarren-Anhänger brachte, nachdem die Vorjahre ein paar Irrwege, auch musikalisch, mit sich brachten. Frontmann Kellin Quinn ist hier auch selbstkritisch: „Thanks for being here, we will never take that for granted again.“
Letztendlich kommen sie aber aus dem Emo-Spektrum und deshalb sind die Themen durchaus nicht allzu fröhlich. Quinn gesteht auch, dass es auf dieser Tour gerade seit langem wieder eine gute Zeit für ihn sei, lange wäre das nicht so gewesen. Im aktuellsten Album „Complete Collapse“, aber auch bei Klassikern wie „If You Can’t Hang“ und der Hymne „Better Off Dead“ kann man immer wieder nachhören, dass die Herren durchaus mental schwere Zeiten hinter sich haben. Umso eindrucksvoller, wie viel positive Energie sie immer wieder auf der Bühne versprühen können, während sie eine Live-Performance abliefern, wie sie nur wenige Rock-Bands in dieser Akribie hinbekommen. Besonders hervorstechend: die hohe und dabei doch glasklare Stimme von Quinn. Nach rund 70 Minuten verabschieden sie sich mit einer Zugabe unter großem Jubel von der Bühne. Auf Quinns T-Shirt prängt: „Munich fuckin City“. Durchaus, heute haben sich die Münchner*innen, aber auch die Bands von ihrer besten Seite gezeigt.
Setlist: Break Me Down / Kick Me / Leave It All Behind / Never Enough / Talking To Myself / Do It Now Remember Later / Crosses / Agree To Disagree / Better Off Dead / With Ears To See, And Eyes To Hear / Roger Rabbit / Iris (The Goo Goo Dolls cover) / Bloody Knuckles / If I’m James Dean, You’re Audrey Hepburn – Zugabe: If You Can’t Hang
Bericht: Ludwig Stadler