Der tanzende Tod – Die lustige Witwe im Gärtnerplatztheater

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Rund zehn Jahre nach der letzten Laufzeit wagt das Gärtnerplatztheater wieder eine Neuinszenierung von „Die lustige Witwe“. Franz Lehárs Operette ist womöglich das erfolgreichste Stück der Geschichte des Theaters, ganze zwölfmal feierte das Musikwerk bereits am Gärtnerplatz-Premiere. Nun entschied man sich zur ersten Premiere im frisch renovierten und neu eröffneten Theater für eben dieses Stück – und es sollte sich als eine gute Entscheidung herausstellen.

© Marie-Laure Briane

Die erste Aufführung am 19. Oktober war restlos ausverkauft – so ausverkauft, dass bereits an der Abendkasse händeringend eine Restkarte gesucht wurde. Die Voraussetzungen waren also bestens, als um 19:30 Uhr das Licht ausging. Der Vorhang war bereits offen und „Der Tod“ saß mit dem Rücken zum Publikum zu einem Spiegel. Welche Rolle genau die geisterhafte Figur einnimmt, sollte erst später klar werden.
Das Stück selbst beginnt, nach dem düsteren Anfang, sehr farbenfroh und ausgelassen, so sollte es auch weitergehen. Die Story? Im Prinzip sehr einfach und leicht erklärbar: Die Witwe Hanna Glawari ist nach dem Tod ihres Mannes 20 Millionen Mark schwer – und so versuchen alle Männer, sie von sich zu überzeugen, damit sie sie heiraten. Nur Graf Danilo Danilowitsch, ein alter Bekannter und sogar ehemals Geliebter Hannas, scheint kein Interesse zu zeigen. Das Szenario ist klar und bietet genug Verstrickungen, um über die Laufzeit von rund 130 Minuten zu funktionieren, ohne jemals wirklich das Gedächtnis zu beanspruchen.
Anthony Bramall durfte bei „Die lustige Witwe“ nach der Eröffnungsgala seinen Einstand als neuer Musikalischer Leiter geben, was er sichtlich genoss. Das Orchester war pointiert und akzentreich, aber zu oft zu zurückhaltend – in manchen Momenten hätte die Musik mehr Lautstärke gut vertragen.

© Marie-Laure Briane

Die Bühne weiß zu gefallen mit sehr klassischen Elementen, die gesamte Inszenierung hätte in die Zeit der Uraufführung gepasst, hätte Regisseur Josef E. Köpplinger nicht den personifizierten Tod eingeführt. Er tanzt, er schleicht, er ist immer da, wird aber fast nie bemerkt – fast unpassend und gezwungen wirkt er da, als wolle man einem Stück ohne Tiefe jetzt unbedingt diese verpassen, ohne dass das Werk je eine Möglichkeit dazu bieten würde. Das Umgarnen der Titelrolle erinnert zeitweise an das Drama-Musical „Elisabeth“, welches 1992 in Wien uraufgeführt wurde und dem Genre Musical erstmals auch die Möglichkeit gab, als Theaterart verstanden zu werden, die auch in ernsteren Gefilden funktioniert. Erst das Ende, der Einbruch des Krieges, lässt die Entscheidung der Einführung des Todes Sinn ergeben. Köpplinger lässt mit der Nachricht am Ende das gesamte Aufgebaute mit einem Mal von lockerem Witz zu bitterem Ernst wechseln, sodass nicht ein einziger Strang ein glückliches Ende finden kann – nur der Tod, der schon andauernd herumstreift, gewinnt und erobert die Witwe. Denn der Tod gewinnt immer.

© Marie-Laure Briane

Das Ensemble war abermals überzeugend. Daniel Prohaska als Graf Danilo erntete zurecht großen Applaus für seinen kräftigen Gesang, sein komödiantisches Spiel und seine klare Aussprache beim Gesang. Die Titelpartie der Witwe, gespielt von Camille Schnoor, konnte gesanglich problemlos das Gärtnerplatztheater ausfüllen und überzeugen, wenngleich auch die Aussprache recht undeutlich war, sodass man meistens den Text nicht verstand, was aufgrund der leichten Geschichte nicht groß weiter störte, trotzdem ein wenig schade war. Besonders hervorzuheben ist Sigrid Hauser in der Rolle des Njegus – fast nur sprechend, konnte sie ihr komödiantisches Talent in vollem Maße präsentieren und auskosten. Sonst meistens in den Hauptrollen der Musicals zu sehen und nicht zuletzt bei der Eröffnungsgala als Moderatorin im Abendkleid, war diese Rolle eine überraschende, aber äußerst angenehme Abwechslung. Ihr großartiges Spiel wurde mit dem lautesten Applaus des Abends am Schlussapplaus honoriert.

© Marie-Laure Briane

Große Kostüme, große Tanzeinlagen – rein von der Gestaltung, von der Choreographie, alles in der optischen Ebene war erste Klasse. Man konnte beim begeisterten Zusehen sofort verstehen, wieso Lehárs Operette so einen Erfolgskurs hinlegte und auch dieses Mal, im Jahr 2017, fast jede Vorstellung bereits annähernd ausverkauft ist. Evergreens wie „Lippen schweigen“ und „Das Studium der Weiber ist schwer“ waren und sind unsterblich und funktionieren heutzutage genauso wie damals. Ein unbeschwertes und einfaches Werk – dank Köpplinger nur noch eine unwissende Unbeschwertheit. Die Ruhe vor dem Sturm. Eine grandiose Leistung mit nur einem Satz, die gesamte Intention eines Bühnenstückes zu drehen und komplett zu verändern. Ein toller und vielleicht genau dadurch außergewöhnlicher Operetten-Abend.

Bericht: Ludwig Stadler

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