„Es ist die Welt ein Narrenhaus!“ – „Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben“ im Volkstheater (Kritik)

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Wenn der Intendant kurz vor der Vorstellung mit Mikro vor den Vorhang tritt, wird es automatisch ruhig im Publikum, denn alle wissen dass irgendetwas nicht stimmen kann. Einer der Schauspieler ist kurzfristig erkrankt, Intendant Christian Stückl springt höchstpersönlich als Petrus ein, die Zuschauer dürfen sich auf eine einmalige Vorstellung freuen. Die Produktion „Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben“, die bereits seit 2005 im Volkstheater München zum Repertoire gehört, hat in der Stadt und Umgebung bereits Kultstatus erlangt. Die wenigen Vorstellungen im Jahr sind blitzschnell ausverkauft, umso mehr freut es uns, dass wir der Vorstellung am 15. Juli 2019 beiwohnen durften, um uns das Phänomen „Brandner Kaspar“ einmal genauer anzuschauen.

© Gabriela Neeb

Es ist eine Geschichte, wie es sie nur in Bayern geben kann: der gewitzte Kaspar Brandner überlistet den Boandlkramer (den Tod) beim Kartenspielen und ergaunert sich dadurch 18 weitere Lebensjahre, obwohl er eigentlich schon längst ins himmlische Paradies berufen wurde. Als der Fehler bei den himmlischen Behörden bekannt wird, duldet Petrus keine Schlampereien und der Boandlkramer muss den Brandner Kaspar irgendwie dazu bewegen, doch freiwillig das irdische Leben hinter sich zu lassen.

© Gabriela Neeb

Es gibt vermutlich kein Stück, das in seinem Inhalt und Essenz mehr bayerisch ist als die Geschichte, wie der Brandner Kaspar den Boandlkramer betrogen hat. Mit derbem Humor und überragenden Leistungen der Schauspieler kann diese Produktion das Publikum verzaubern. Szenenapplaus und spontane Begeisterungsrufe gehören ab den ersten Minuten dazu. Alexander Duda spielt einen typisch-bayerischen Brandner Kaspar, der mit kindlichem Witz und schnellem Denken zwar äußerlich dem Klischee „Ur-Bayer“ vielleicht entsprechen könnte, bei näherer Betrachtung jedoch schnell mithilfe grenzenloser Selbstironie und viel Herzlichkeit weit über internationale Vorurteile hinaus geht. Ihm gegenüber kann Maximilian Brückner mit einem fantastisch-gruseligem Boandlkramer überzeugen, der mit vollem Körpereinsatz beeindruckend physisch und extrovertiert das Verlangen nach Gemeinschaft und Freundschaft des Totensammlers darstellt. Unterstützt von den jungen Riederinger Musikanten, sind auch alle anderen Darsteller perfekt besetzt. Hans Schuler zeigt nicht nur hitziges Gemüt mit Drang zum Gebrüll, sondern kann in der himmlischen Gesellschaft auch sanftere Töne treffen. Wenn Tobias Van Dieken als einziger Nicht-Bayer in dieser Produktion das Wort ergreift oder voller Überzeugung fehlerhaft Melodien aus „Im Weißen Rössel“ anstimmt, kann man ihn als Tourist aus dem Norden nicht nur sympathisch finden, sondern auch ein bisschen bemitleiden, denn so schön wie sein Kai-Uwe von Zieten Bayern auch findet, so richtig dazu passen wird er wohl nie.

Am Ende ist „Der Brander Kaspar und das ewig‘ Leben“ jedoch viel mehr als eine gesunde Dosis Patriotismus to-go. Es geht um Glaube und Selbsterkenntnis, um die Angst vor dem Tod und die Grundhaltung, dass wir eigentlich für jeden Tag auf diesem Planeten dankbar sein und ihn nach bestem Können ausnutzen sollten. Spontanität und Humor sind dabei sicherlich Schlüsselelemente, die Intendant Christian Stückl, der übrigens einen fabelhaften Petrus gespielt hat, sicherlich zur Genüge besitzt. Alles in Allem ist diese Produktion ein Traum für Menschen, die gerne lachen und noch lieber fantastisches Theater sehen. Hut ab vor allen Beteiligten!

Kritik: Anna Matthiesen