Willkommen in Marwen – Filmkritik

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© Universal Pictures

 

 

Regisseur: Robert Zemeckis

Genre: Drama, Animation

Produktionsland: USA

Kinostart: 28. März 2019

Laufzeit: 1 Std. 56 Min.

 

 

 

Mit dem Konglomerat aus Animation und Realfilm ist Robert Zemeckis (Forrest Gump, Zurück in die Zukunft) bereits bestens vertraut. Sein Achtziger-Trumpf “Falsches Spiel mit Roger Rabbit” gilt als einer der erfolgreichsten Filme dieser Art. Selbigen Ansatz verfolgt Zemeckis nun für die Adaption der preisgekrönten Dokumentation Marwencol, die das Schicksal des traumatisierten Künstlers Mark Hogancamp portraitiert. Hierfür setzt er zu gleichen Teilen animierte und Live-Action Segmente in Marks subjektiver Realität zusammen. Leider stellt sich einem letztendlich die Frage, ob die raffinierte, teils düstere, Animation den Rest des Filmes nicht überschattet.

Nachdem er von einer Gruppe junger Männer besinnungslos geprügelt wird, steht Mark Hogancamps (Steve Carell) Leben auf dem Kopf. Er verliert alle Erinnerungen an seine Vergangenheit und muss sowohl diese, als auch seine motorischen Fähigkeiten, durch langwierige Therapien rekonstruieren. Dennoch gelingt es dem ehemaligen Illustrator nicht, seine Berufung erneut aufzunehmen. Abhilfe und Heilung zugleich schafft das Treiben in der eigens geschaffenen Puppenwelt “Marwen”, welches er in Fotografien festhält. Sein Alter-Ego Hogie rettet in seinen Geschichten, begleitet von einer Bande starker Frauen, das fiktive belgische Dorf Marwen vor den Nazis im zweiten Weltkrieg. Während Mark in Marwen heldenhaft und begehrt ist, verläuft sein wahres Leben weniger glorreich. Die frisch eingezogene Nicol (Leslie Mann), die besitzergreifende Déja (Diane Kruger) und das anstehende Gerichtsverfahren machen ihm besonders zu schaffen. Für Mark heißt es die Ansprüche der Außenwelt mit seiner Fantasiewelt zu verknüpfen und dabei seine Ängste zu bewältigen…

© Universal Pictures

Marwens gewaltvolle Kriegsszenerie wird gestützt durch die ausdrucksstarke Kreuzung aus menschlichen und puppenhaften Zügen. Die sorgfältige Wiedergabe der menschlichen Mimik, ohne dabei Puppenoptik zu verlieren, ist durchaus gelungener Motion Capture zu verdanken. Einziges Manko hierbei ist die wechselhafte Physik der Puppenwelt: An einer Stelle zerbricht eine Nazi-Puppe beim Fall, an anderer wird sie blutig aufgespießt. Nach Hogies eigener Aussage können sie die Augen nicht verschließen, kurz darauf zwinkert aber eine der Damen. Ob das ein selbstreferentieller Gag ist bleibt offen, zur Wirklichkeitstreue trägt es jedenfalls nicht bei. Und wenn man schon dabei ist starke Frauen darzustellen, wieso nicht gleich auch ein realistisches Körperbild (Lammily-Puppen machen es vor), abseits des Barbie-Magerwahns, präsentieren?

Was eben diese feministisch-offenen Versuche betrifft, ist der Film leider nicht so zeitgemäß, wie er vorgibt zu sein. Nicht nur die Puppen sind makellos und naiv, auch die echten Frauen in Marks Umfeld treten auf ähnliche Weise auf. Die Konstellation der Figuren bedient sich zudem veralteter Klischees: Man nehme eine leidenschaftliche Latina nach Esmeralda-Art (Eiza González), eine hart durchgreifende Russin (Gwendoline Christie), eine französische Femme Fatale (Leslie Zemeckis), die süße Rothaarige von Nebenan (Leslie Mann) und lässt sie alle mit dem patriotischen Amerikaner gegen die Nazis kämpfen. Marks Schuh-Faible oder die Fetischisierung des Zweiten Weltkriegs werden zwar angeschnitten, jedoch nicht tiefgehender behandelt. Und dabei bieten die wahren Begebenheiten so viel mehr an.

© Universal Pictures

“Willkommen in Marwen” als psychologisches Drama zu etikettieren wäre wohl nicht akkurat, auch wenn der Film dies um jeden Preis versucht. Doch zu optimistisch-verträumt ist der Soundtrack (ganz nach Dreamworks), zu oberflächlich die szenische Aufarbeitung. Marks Detailverliebtheit hinsichtlich der Puppen wäre auch bei der Gestaltung des Gesamtbildes lobenswert. Doch die wenigen ästhetisch ansprechenden Erinnerungsfetzen und die liebevoll gestaltete Miniaturwelt schaffen lediglich einen Riss in Marks Innenleben, der nicht weiter erforscht wird. Auch ein inspirierender Feel-Good-Film kann sich tiefer in die Abgründe der menschlichen Psyche graben. Das ist Zemeckis allerdings nicht gelungen, stattdessen setzt er auf Kampfszenen und Sexualisierung. Folglich wird eine Erkrankung romantisiert und Kernthemen wie Homophobie, Faschismus, PTBS und Realitätsverlust ihre Ernsthaftigkeit genommen. Dabei hat der Spielfilm die Möglichkeit an der Stelle anzusetzen, an der die Dokumentation ihre Grenzen hat: Die Wahrheit ausbauen, emotionalisieren und einen noch intimeren Einblick zu schaffen. Doch manche Dokumentationen bedürfen vermutlich keiner zusätzlichen Verfilmung (siehe “100 Dinge”).

Fazit: “Willkommen in Marwen” ist eine interessante Mischung aus Animation und Live-Action, der es trotz ernsthafter Thematik leider an entsprechender Tiefe fehlt. Das Vorstadt-Drama schwankt zwischen Trauma und Alltags-Freuden und bleibt letzten Endes recht oberflächlich. Der Einsatz von Motion Capture ist dennoch einen Blick wert. 

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