Wieder hier – Marius Müller-Westernhagen im Circus Krone (Bericht)

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„Ich bin wieder hier, in meinem Revier“ – diese Worte sang Marius Müller-Westernhagen Ende der 90er-Jahre und hat sich damals ein weiteres Mal seinen Status als deutsche Musik-Legende erhalten. Knapp 20 Jahre später wagt der Grandseigneur des deutschen Rock’n’Rolls eine weitere elektrische Tournee durch die deutschsprachigen Gefilde. Unter dem Motto „75Live“ feiert er neben seinen 75 Lebensjahren auch die über 50-jährige Musikkarriere. Obwohl er sonst die Arenen des Landes oder große Open-Air-Locations bespielt, entscheidet er sich am 3. September 2024 in München für ein kleines, intimes Konzert in einer legendären Location: den Circus Krone.

Dass die Karten für das Konzert flott ausverkauft waren, verwundert dabei wenig. Zuletzt war Westernhagen 2017 für seine MTV Unplugged-Tour in der Olympiahalle zu Gast, aber auch seitdem stellte sich die Frage, ob man den Sänger denn überhaupt noch einmal auf Tour und vor allem mit verzerrten Gitarren zu hören bekäme. Während seine Kollegen auf Augenhöhe wie Peter Maffay, Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg stetig neues Material auf den Markt bringen und gefühlt andauernd auf der Bühne stehen, lässt sich Westernhagen Zeit, tourt nur selten. 2022 aber dann ein brandneues Album, „Das eine Leben“, welches auch seinen Weg in die Setlist des Abends findet. Es scheint, als wäre ein neues Feuer in ihm entfacht, was sogleich auf der Bühne weiterbrennen darf. So stehen die Zeichen auf einen lauten Abend, als um 20:10 Uhr die Musiker*innen die Bühne betreten und mit „Alphatier“ gleich ordentlich loslegen.

© Olaf Heine

Zehn Instrumentalisten hat sich Westernhagen dazu geholt, davon drei Hintergrundsänger*innen, die in solistischen Momenten immer wieder beeindrucken, ebenso wie die perkussive Fraktion als auch die Tastenspieler und Gitarren-Abteilung. Alle, und das ist doch eine Besonderheit, spielen auf einem derart hohen Niveau, dass man sich gar nicht satthören kann, was da musikalisch auf der Bühne passiert. Das schließt Westernhagen selbst explizit mit ein, der trotz seines fortgeschrittenen Alters mit seiner Bühnenpräsenz ab der ersten Sekunde den Saal füllt, fleißig umherstreift und tanzt, aber auch gesanglich in Bestform abliefert, als würde er erst frisch mit dem Musizieren beginnen. Die Spielfreude ist im Circus Krone regelrecht spürbar – und das transportiert sich aufs Publikum, das im vollbestuhlten Saal schnell aufsteht, mitmacht und gerade für eine solche Art von Konzerten beachtlich lautstark jubelt.

Die Ekstase macht sicherlich auch die feine Songauswahl, bei der Westernhagen gekonnt alle relevanten Hits unterbringt, aber auch bewusst seine weniger erfolgreichen Phasen als auch die neueren Jahre zur Geltung kommen lässt. Etwas kitschig wird es zwar mit „Luft um zu atmen“ aus seinem Unplugged-Album, dafür überzeugt seine Ehefrau Lindiwe Suttle stimmlich auf voller Linie. Gespannt darf auf die kontroversen Textstellen geschaut werden, beispielsweise bei „Schweigen ist feige“, bei dem Westernhagen gleich mit dem N-Wort einsteigt. Gleichwohl er recht selbstreflexiv auf sein Leben schaut, hat er nicht zuletzt im Rahmen des Kurt Krömer-Podcasts „Feelings“ eine überraschend unreflektierte „Früher war alles besser“-Attitüde an den Tag gelegt. Von dieser Einstellung ist am Konzertabend in München wenig zu spüren – und dementsprechend umschifft er auch manch beleidigende Worte, die dann doch aus der Zeit gefallen sind. So gelingt Westernhagen auch mit 75 Jahren noch etwas, was manche ihm gerne schon absprechen würden: weiterhin eine absolute Live-Macht und definitiv relevant zu sein. Chapeau für dieses Konzert!

Setlist: Alphatier / Ich will raus hier / Fertig / Taximann / In meiner Bude flipp ich aus / Es geht mir gut / Die Wahrheit / Mit 18 / Luft um zu atmen / Sexy / Alles in den Wind / Zeitgeist / Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz / Wieder hierZugaben 1: Lass uns leben / Rosen / Schweigen ist feige / Halt mich noch einmalZugaben 2: Weil ich dich liebe / Johnny W. / Freiheit

Bericht: Ludwig Stadler

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