Locomotives – Thurston Moore im Strøm (Bericht)

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Im Schall liegt die Jugend: Und im Schalle jung geblieben sind jene, die am Samstagabend, den 25. März 2023 sich anstellen, um im Strøm Thurston Moore zu sehen.
Was wird der auch nach dem Ende von Sonic Youth nicht nur als vielseitiger Musiker, sondern auch als Dozent und Dichter äußerst aktiv gebliebene Moore heute bieten? Ehe diese Frage beantwortet werden kann, gilt des Jayan Bertrand lauschen. Der vertritt solo seine Band Seafoam WALLS: Obwohl ihm dazu nur seine Gitarre, Stimme und eine große pinke Federboa zu Gebote stehen, überzeugt sein kurzes Set vollumfänglich. Sein melodisches Gitarrenspiel umschmeichelt den eindringlich-einfühlsam vorgetragenen Gesang, den Songs wohnt eine sonnige, verträumt-melancholische Stimmung inne, was nicht zu Lasten ihrer Prägnanz und Klarheit geht.

© Vera Marmelo


Bald nachdem Bertrand mit nachdrücklichem Applaus entlassen worden ist, eröffnen Thurston Moore und Band ihr Set mit »Hashish«. Was folgt, ist eine hypnotische, ausgezeichnet, hochauflösend abgemischte Reise durch alle belebten Regionen des Kosmos der Gitarrenmusik. Die Setlist speist sich primär aus Moores 2020er-Album »By the Fire«; die latent präsenten No-Wave-Roots des 64-Jährigen erscheinen vielfach gebrochen in kaleidoskopischen, flächigen, psychedelisch-bunten Gestalten, die sich mal als kontrollierte Feedback-Entladungen an Moores gehobenem Gitarrenhals bündeln, dann wieder mit einem geradeaus stampfenden Rhythmus kokettieren, oder sich in donndernden, beinah Black Metal-reminiszenten Eruptionen aufwerfen. Was Moore diese Eskapaden ermöglicht, ist seine hochkarätig besetzte Band, mit Deb Googe von My Bloody Valentine am Bass, Alex Ward an Gitarre und (durch eine Reihe von Effektgeräten gedrehter) Klarinette, Jon Leidecker an Gitarre und Keyboard, sowie Jem Doulton an den Drums. Insbesondere das Spiel des letzteren trägt viel zur Lebendigkeit und Dynamik der Stücke bei. Ausgedehnte Blastbeatpassagen oder spannungsvolle, melodiöse Kontrapunkte zu im Offenen gehaltenen Klangteppichen der Saiteninstrumente stechen besonders ins Auge, respektive Ohr.

Moore, am linken Bühnenrand, dominiert das Geschehen, im Spiel wie verwachsen mit seinem Instrument, die halblangen Haare den im Klang versenkten Kopf verschattend, eine zeitlose, fast archetypische Erscheinung. Im Ansprechen des angeregten, sichtlich beeindruckten Publikums wirkt Moore präsent, schlagfertig, authentisch, streut politische Statements gegen Frauenfeindlichkeit und Freiheitsbeschneidung ein, würdigt jene, die um freie künstlerische Äußerung gerungen haben wie z. B. Lou Reed, dessen Song »Temptation Inside Your Heart« als Cover dargeboten wird, ehe sich Moore und Band nach »Locomotives« verabschieden. Moore und Band, und auch Jayan Bertrand sorgen für einen äußerst stimmigen Konzertabend mit energetischen, kreativen Darbietungen in gelöster Stimmung: mehr ist nicht zu wünschen.