Lange waren die drei Schwestern aus Mexiko ein Geheimtipp, den man in Deutschland höchstens übers Internet verfolgen konnte, doch 2023 sollte sich das ändern, als The Warning erstmals auf Europa-Tour und damit auch mit den Ring/Park-Festivals und einer Berlin-Solo-Show hierzulande zu sehen waren. Die wuchtigen Riffs, das eingängige Songwriting, die enthusiastische Performance und die pure Freude, die man der Familienbande schon beim Hören der Studio-Aufnahmen kaum absprechen kann, sind sicherlich ein Mitgrund dafür, dass ihr erster Besuch in München, am 13. April 2024 im Backstage Werk, trotz Hochverlegung lange restlos ausverkauft ist.
Trotz allerlei Sperrungen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln finden sich die rund 1500 Besucher*innen nach und nach in der Halle ein und überraschen in der bunten Mischung: alle Altersgruppen sind ziemlich gleichberechtigt vertreten, auch recht viel Publikum ist zudem so Rockkonzert-untauglich gekleidet, dass die Vermutung naheliegt, sonst eher selten auf derartige Events zu gehen. Umso überforderter der Blick, als Conquer Divide um 20 Uhr mit einer noch einmal ordentlich härteren Musik als der Headliner aufwarten. Die amerikanische All-Female-Group hat sich scheppernden Breakdown, harten Screams und opulenten Refrains verschrieben – und so fackeln sie in ihrer 30-minütigen Spielzeit nicht lange und schießen ein Feuerwerk an Songbrettern in die Menge. Trotz des recht matschigen Sounds erwärmen sich die Münchner*innen immer mehr mit der Musik, am Ende gibt es reichlich Applaus. Musikalisch für den Abend vielleicht doch etwas zu wild, aber der Job des Einheizens wurde bestens erfüllt.
Setlist: Atonement / Chemicals / Eyes Wide Shut / Paralyzed / system_failure / N E W H E A V E N / welcome2paradise
Ohne großes Intro und Tamtam schnappen sich The Warning um 21 Uhr zackig ihre Instrumente und legen unverblümt mit „S!CK“ los. Gleich fällt der nun astreine Rocksound auf, der alle Instrumente bestens zur Geltung kommen lässt und sogar die Mikros aller drei Musikerinnen hörbar durchkommen lässt. Den Großteil der Vocals übernimmt Gitarristin Daniela aka Dany, die sich mit kräftiger Rockröhren-Stimme und beachtlichen Höhen wirklich stimmlich nie aus der Ruhe bringen lässt, zugleich aber auch energetisch und mitreißend performt, als spiele sie um ihr Leben. Ihre Schwester Paulina aka Pau an den Drums tut es ihr da gleich, in manchen Liedern übernimmt sie mit einem Headset den Gesang komplett, trümmert aber währenddessen und durchgehend tight und kreativ durch das 16-Song-lange Set. Als Gegensatz dazu steht Bassistin Alejandra aka Ale, mit 19 Jahren die jüngste Schwester, die deutlich gediegener und verhaltener posiert, aber spielerisch dafür mit außergewöhnlich kreativen Bass-Lines glänzt, die alles andere als üblich für den Hard Rock sind und technisch überragend dargeboten werden.
Vielleicht ist es auch die familiäre Bindung und die damit einhergehende, schon extrem lange spielerische Verbundenheit, die einerseits so eine Gelassenheit, andererseits so eine energievolle Performance ermöglicht. Selbst in diesem jungen Alter wirkt das Schwesterntrio bereits so, als wäre es Jahrzehnte im Geschäft und weiß genau, dass jeder Ton perfekt sitzt, ohne auch nur ein Stückchen Herzblut beim Vortragen zu verlieren. Dass sie aber gerade den erst vierten Auftritt überhaupt in Deutschland spielen, merkt man dann an der großen Euphorie in den Ansagen, hier sein zu können, „on the other side of the world“, und der Hoffnung, bald wiederkommen zu können, die man ihnen sofort abkauft.
Diese Hoffnung dürfte auf Gegenseitigkeit beruhen, denn was die Vélez-Schwestern aus Mexiko an diesem Samstag im Backstage Werk abliefern, ist nicht weniger als ein absoluter Rock-Orkan. Einziges Manko mag die etwas kurze Spielzeit sein, aber in den knapp 75 Minuten stecken so viel Energie, Passion und Hingabe, dass es niemanden betrübt zurücklassen dürfte. Der Menge dürfte klar geworden sein: Hier spielt gerade eine Band, die in wenigen Jahren in den Arenen der Welt ihre Songs zum Besten geben wird. Der Anfang einer großen Rockgeschichte.
Setlist: S!CK / Z / Choke / Qué Más Quieres / Dust To Dust / Dull Knives (Cut Better) / More / Money / Survive / Automatic Sun / Error / Disciple / Hell You Call A Dream / Martirio – Zugaben: Narcisista / Evolve
Bericht: Ludwig Stadler
Thomas Bechtle
Ein wunderbarer Artikel!
Ich habe TW in Berlin erlebt und muss sagen, diese Beschreibung passt hundertprozentig auf das Konzert in Berlin.
Ich werde übrigens im Juli noch einmal nach Münster reisen und diese fabulöse Band noch einmal besuchen.