„What Kind of Dystopian Hellhole Is This?“ Nein, das Import Export ist sicher keine Location, bei der man sich diese Frage stellen muss, im Gegenteil: Eine angenehme Umgebung, auch, um eine gute Stunde zu warten, ehe um kurz nach neun das Münchner Duo Blue Haze die Bühne betritt und das inzwischen raumfüllende Publikum zu blau vernebelten Verträumungen einlädt. Veranstaltet wurde das Konzert übrigens vom Kollegen-Magazin Tapefruit, die nebst ihrem jährlichen Print-Magazin vor allem mindestens einmal im Monat die Münchner Musikszene mit selbstveranstalteten Konzerten aufmischen. Good job!
Der Ruf „Individualisten aller Länder, vereinigt euch!“ wurde sichtlich auch in München gehört; wenn sich The Underground Youth zu einem ihrer nicht gerade inflationären Auftritte in hiesige Gefilde verirren, dann ist jede und jeder selbst schuld, wer sich an diesem 24. März nicht seinen Fix Düster-Rock abholt. Obwohl die Vorfreude auf Craig Dyer und seine Mannschaft also sichtlich groß ist, stößt der shoegazige Indiepop von Blue Haze, der den unbändigen Wunsch wachruft, Souvlaki-mampfend things on VCRs anzuschauen, keineswegs auf Ignoranz oder Ablehnung: Von dichtem Kunstnebel umwabert kann das Duo einiges an Beifall einheimsen.
Während sich Blue Haze ihrem Namen entsprechend in blaues Licht tauchen ließen, ist rot für die Stars des Abends die Farbe der Wahl: Rot wie Blut, wie Lippenstift, wie Wein, wie Feuer, wie eine Laterne in einem Fenster. In der Tat, The Underground Youth bringen all das aufs Tableau, was man von einem unter- und tiefgründigen Rock-Konzert erwarten kann: Düstere, eingängige Songs, denen die Lautstärke eine physische Präsenz verleiht, warme, schwere Luft, alkoholische Dünste, tanzende Menschen, eine Band, die ein authentisches Bild von mit Kippe, Kater, Lederjacke, Haarpomade und einer gewissen Lebensverachtung angetanen Gitarrenarbeitern vermittelt.
Im Zentrum der Bühne und Aufmerksamkeit steht Craig Dyer, Gründer, Sänger, Gitarrist und Komponist von The Underground Youth. Nichtsdestotrotz bildet er auch den beherrschten, konzentriert-entrückten Ruhepunkt des Auftritts – ohne dadurch an Ausstrahlung zu verlieren. Stichwort Ausstrahlung: Die hat auch Schlagzeugerin Olya Dyer, die sich keineswegs hinter ihrem Instrument versteckt, sondern im Stehen trommelt, was eine ganz eigene Dynamik in das Geschehen auf der Bühne bringt. Weniger dynamisch gebärdet sich da Max James, der deutlich alles andere als nüchtern ist und sich mäßig erfolgreich an seinem Bass festhält.
Entgegen der Erwartung spielt die Band kaum Songs von ihrem neuesten Album, sondern bietet einen Querschnitt ihres Schaffens, wobei natürlich Klassiker wie „Juliette“, „Mademoiselle“, „Hope and Pray“, sowie als Zugabe „Heart on a Chain“ und „I Need You“ nicht fehlen dürfen.
Ein Höhepunkt ist erreicht, als sich zur spannungsgeladenen, eskalativen Joy Division-Gedenkeinheit „Rules of Attraction“ Craig, Max und Leo (Gitarre) tief hinein ins Publikum begeben – ein ganz klein wenig Randale gehört schließlich auch dazu.
Setlist: You Made It Baby / Art House / Juliette / Mademoiselle / The Outsider / Morning Sun / Hope and Pray / Delirium / Strangle Up My Mind / Fill The Void / Tokyo Blue / Rules of Attraction // Zugabe: Heart on a Chain / I Need You
Was ebenfalls dazugehört, ist natürlich, dass früher oder später das Licht wieder an und die Außentüren aufgehen. Verärgert, den (sehr zivilen) Eintrittspreis falsch angelegt zu haben, scheint niemand zu sein. The Underground Youth haben gut präsentiert: Ihre Musik und auch sich selbst. Selbstdarstellung: In diesem Falle keineswegs als Vorwurf zu verstehen, denn diese Band hat in der Tat etwas darzustellen und weder oberflächliches Post Punk-Posieren, noch humorige Anbiederung nötig.
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