Nacht des 23. Oktober 2021, die windige Leopoldstraße hinunter beschleunigen donnernd die schwarzglänzenden, PS-strotzenden Wagen. Es ist Zeit für Heiterkeit. Doch vor der unwirtlichen Szenerie bewahrt ein wenig der leise Nachklang des soeben genossenen Konzerts von Stella Sommer in den Kammerspielen. Wurden ihre mit dem Projekt Die Heiterkeit aufgenommenen Alben hierzulande in den Himmel gelobt, so katapultierten ihre beiden englischsprachigen Solo-Alben die Sängerin und Pianistin und Gitarristin auch in den Fokus der internationalen Musikaufmerksamkeit.
Zuletzt erschien vor einem Jahr das großartige »Northern Dancer«, dessen LP-Version aufgrund von Presswerk-Schwierigkeiten erst kürzlich veröffentlicht werden konnte. »Es fühlt sich also immer noch an, als hätte ich ein neues Album dabei«, stellt Sommer bei einer der seltenen Gelegenheiten, bei der sie sich an ihr Publikum wendet, lakonisch fest.
Zunächst ist der Eindruck, Sommer und Band auf der Bühne des Schauspielhauses der Kammerspiele vermitteln, ein unscharfer. Sommers Mitmusiker:innen, im Halbkreis um die Protagonistin herum aufgestellt, betätigen sich (in wechselnden Besetzungen) an Flügel, Synthesizer, Gitarre, Geige, Querflöte, E-Bass und Schlagzeug. Die Chemie scheint prächtig, verschmitzte Blicke fliegen hin und her, der Sound lässt, nebenbei bemerkt, nichts zu wünschen übrig: »Northern Dancer« ist ein leises, oft sehr reduziertes Album und es ist schön, die Stücke mit Live-Instrumentierung zu hören, da hier alle Klangerzeuger deutlicher und je eigenständiger in Erscheinung treten, als sie das aufgenommen tun. Nur Stella Sommer selbst wirkt nicht recht am Platze in der Mitte der Runde. Die Rolle der allein am Mikrophon stehenden Sängerin absolviert sie mit einer gewissen Ambivalenz, aus der sowohl Hingabe und ein gewisser Sarkasmus zu sprechen scheinen.
Doch mit dem Fortschreiten des Abends legt sich die Irritation, Erwartungen beugen sich vor den beeindruckenden Darbietungen des Ensembles, vor den meist im tiefen Register vorgetragenen Indie-Art-Pop-Chansons, in deren Anschmiegsamkeit immer auch eine achselzuckende Abgründigkeit eingewebt ist, »13 Kinds of Happiness«, die nur oder auch »13 kinds of loneliness« freilegen. Mit dem sogenannten Song ihres ersten Soloalbums beginnt Stella Sommer ihr Konzert und endigt 13 oder mehr oder weniger Freudigkeiten später mit dem bis zum letzten Stück der Zugabe aufgehobenen Titelstück des aktuellen Albums, »Northern Dancer«. Was reimt sich auf »Dancer«? »questions with no answers«… Schön war’s.