Sophie Hunger ruft – und die Münchner kommen. Gleich dreimal! Das Konzept der Schweizer Künstlerin zu ihrem neuen Album „Molecules“ ist so einfach wie genial: verschiedene Stadtteile bekommen ihr Konzert. Hunger spielt einfach in mehreren verschiedenen Venues hintereinander, hat immer ein anderes Publikum und damit auch jedes Mal ein anderes Gefühl – zusätzlich hat man so mal wieder die Möglichkeit, die Künstler in wirklich kleinem Rahmen zu erleben. Der Auftakt nicht nur von München, sondern der gesamten Tour, fand am 6. September 2018 im Freiheiz an der Donnersbergerbrücke statt – wir waren natürlich dabei!
Zu Beginn dürfen erst einmal die noch recht jungen AB Syndrom gegen 20 Uhr den Abend eröffnen. Bereits als Support von KLAN berichteten wir über sie, nun sind sie noch im gleichen Jahr wieder zurück in der bayerischen Landeshauptstadt – nur dieses Mal größer und, das kann man ruhig so sagen, bedeutender. Das Freiheiz ist immerhin gut gefüllt, das überraschend ältere Publikum konzentriert dabei und sichtlich mit dem Willen, zuzuhören – das Beste, was einer Vorband passieren kann. Leider missglückt der Start redlich, die Technik versagt vollkommen und das Klangbild, das durch die Boxen dringt, grenzt an Unerträglichkeit – zum Glück kann das aber noch innerhalb des ersten Liedes repariert werden, sodass die elektronischen Indie-Lieder auch den Sound bekommen, den sie verdienen. Liebevoll und komplett live dargeboten hängt sich das Duo in ihre Lieder, wirkt in den Ansagen aber noch unschuldig und unsicher. Ein Mitsing-Part im Lied „Hologramm“ gelingt zwar nur bedingt, doch das liegt wohl eher an der Zuhör-Stimmung – die Jungs haben in ihren 35 Minuten sonst alles richtig gemacht.
Setlist: Keine Geister / Hattori Hanzo Schwert / Patchwork / Feng Shui / FFM / Hologramm / Flaggschiff / U8
Die Anspannung auf den Headliner des Abends ist riesig. Selten schwirren so viele Weingläser im Publikum herum, allgemein unterschiedet sich das Publikum wenig vom üblichen Theater-Publikum – Sophie Hunger hat sich im Laufe der Jahre eine interessierte, musikalisch anspruchsvolle Stammhörerschaft erspielt. Nur wie kommen dort nun die neuen, wesentlich elektronischeren Lieder an? Bereits die Besetzung überrascht: keine Gitarren, sondern Synthesizer. Insgesamt vierköpfig schlängelt man sich durch das Set, nur Hunger selbst nimmt das übliche Saiteninstrument in die Hand, sei es akustisch oder verzerrt. Ihre Mitmusiker, aus Paris und Zürich, bleiben größtenteils hinter den Turntables und Synthesizern, greifen gelegentlich zu Saxophon, Trompete und Horn, bleiben ansonsten aber sehr im Hintergrund. Besonders imposant wird es aber immer dann, wenn der vierstimmige Gesang zur Geltung kommt: perfekt einstudiert, genau richtig übermittelt. Bestes Beispiel: „Z’Lied vor Freiheitsstatue“.
Die Lieder sind aber nicht der Grund für den Besuch der Kartenkäufer. Nein, es ist die Künstlerin selbst; den Abend, den sie konzeptuell und musikalisch erstellt hat. Dieser ist auch gut durchgeplant, vor allem bei den neueren Songs mit der Lichttechnik pointiert umgesetzt. Zu Beginn ist das Licht sogar so drastisch eingesetzt, dass fast eine unheimliche Atmosphäre entsteht, als „She Makes President“ das Set eröffnet. All das wandelt sich natürlich im Laufe des 95-minütigen Konzerts, dennoch werden alle Stimmungen angeschnitten. Sicherlich ist das auch ein Grund, wieso es das Konzert so wahnsinnig abwechslungsreich macht, sicher sind es aber auch die Lieder aus ihrer inzwischen recht großen Diskografie – da sind die andauernden klimpernden Glasflaschen-Geräusche von den Bars bei den besonders ruhigen Liedern schon arg störend.
Die große Eskalation gibt es nicht. Zwar ist Sophie Hunger mit „Spaghetti mit Spinat“ ein kleiner Indie-Hit gelungen, der die eine oder andere herausstechend jüngere Person angelockt hat, aber der Großteil will lauschen, vielleicht ein wenig hin- und herwackeln, aber nicht mehr. Das umschließt die Nutzung der geliebten technischen Minicomputer – niemand filmt mit, niemand fuchtelt lange mit seinem Smartphone umher. Genau ein einziges Mal sieht man einen jungen Fan, kurz (wirklich kurz!) ein Foto machen, das war es. Äußerst angenehm. Hunger selbst bemerkt davon gefühlt wenig, sie ist etwas aufgeregt und bemüht, das neue Programm bestmöglich zu präsentieren. So rennt sie kurzerhand drei Songs vor dem eigentlich angedachten Ende bereits raus für die Zugabe, gesteht sich danach aber sympathisch ein, wohl noch nicht alles routiniert im Kopf und daher kurzerhand drei Songs vergessen zu haben. „Die spielen wir aber natürlich noch“. „Love is not the answer to everything“ ertönt dann in der Freiheizhalle. Und das stimmt. Die Musik gibt an diesem Abend tausend Antworten und alle sind sie Lösungen. Am Ende führen trotzdem alle zu Liebe – der Liebe zur fantastischen Sophie Hunger.
Setlist: She Makes President / The Actress / Let It Come Down / Shape / Tricks / There Is Still Pain Left / Coucou / Das Neue / Supermoon / Citylights Forever / Z’Lied vor Freiheitsstatue / Hanghanghang – Zugaben 1: I Opened A Bar / Love Is Not The Answer / Spaghetti mit Spinat – Zugaben 2: Walzer für Niemand / Plastiksack mit Gmües / Speech / Train People
Es folgen noch:
– Sophie Hunger im Technikum, 7. September 2018
– Sophie Hunger im Strom, 8. September 2018 (ausverkauft!)
Bericht: Ludwig Stadler